Wie tief stecken die deutschen Hersteller in der Krise?

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 4 min

Ein Kommentar von Daniel Krenzer

Volkswagen drosselt die E-Auto-Produktion und fährt einen massiven Sparkurs; Mercedes-Benz verkauft in China noch viel zu wenige E-Autos, um dort mittelfristig bestehen zu können; Audi sucht in China nach Hilfe, weil die eigenen E-Plattformen nicht schnell genug entwickelt werden können. Viele Meldungen aus den letzten Tagen deuten auf eine Krise in der Branche hin. Immer wieder ist der Vorwurf zu lesen, die deutschen Autobauer hätten die Transformation zur Elektromobilität verpennt. Ganz so extrem ist es nicht, doch haben Tesla und einige Hersteller aus China und Südkorea zeitlich einen Vorsprung – sodass die Situation auf einem zunehmend elektrischen Markt für die deutschen Hersteller ungemütlicher wird.

Die Corona-Pandemie und der nahtlose Übergang in den Ukraine-Krieg haben Lieferketten im Automobilsektor nachhaltig ausgebremst und verändert. Zuletzt hatten die Hersteller wieder deutlich mehr Fahrzeuge verkauft als noch vor einem Jahr, allerdings liegt das auch an aufgestauten Bestellungen. Das Vor-Corona-Niveau ist insgesamt noch in weiter Ferne, und die Anzahl der verkauften Elektroautos liegt noch deutlich hinter den Erwartungen zurück.

VW noch ohne E-Volkswagen

Dafür gibt es sicher mehrere Gründe. Zum einen haben sich die deutschen Hersteller bei der Elektrifizierung nahezu allesamt zunächst auf Modelle der teureren Fahrzeugklassen konzentriert, weil dort durch höhere Margen die Entwicklungskosten am ehesten wieder einzusammeln waren. Nun sind aber sehr viele derer, die sich solche Fahrzeuge leisten können und bereits auf die E-Mobilität umsteigen wollten, auch versorgt. Was indes fehlt, sind erschwingliche und zugleich alltagstaugliche Elektroautos für die breite Masse. Statt von Volkswagen kommen derzeit elektrische Autos fürs Volk eher von MG, Dacia oder Stellantis – womit zumindest mit Opel ein deutscher Hersteller vertreten ist. Doch auch ein Corsa Electric kostet selbst mit Umweltbonus noch mehr als 30.000 Euro, was viele Kunden noch abschreckt – auch wenn die elektrischen Fahrzeuge bei den Total Cost of Ownership oft günstiger abschneiden als ihre fossile Kraftstoffe verbrennenden Geschwister. Die Hersteller arbeiten an zwar günstigeren Modellen, doch bis ein VW ID.2 und Co. zu haben sind, dürfte einiges an Marktanteil bereits abgegriffen sein.

Derzeit ist die Stimmung in Deutschland bei vielen Thematiken zudem sehr aufgeheizt – nicht nur was Elektroautos betrifft. Das gilt für die Politik mit der sich ständig öffentlich streitenden Ampel-Koalition sowie einer Union, die sich zwar von der AfD abgrenzen will, aber immer wieder die ähnlichen populistischen Formulierungen verwendet wie der erklärte Feind von rechts außen. Aber das gilt auch für die Medien, die gerade online um Reichweite buhlen, indem sie Emotionen bei den Lesern triggern – und damit zwar in den meisten Fällen (hoffentlich) ungewollt, aber effektiv den Keil weiter in die Gesellschaft treiben. Und wer dauernd Schlagzeilen liest, was für Horrorgeschichten wohlgemerkt einzelne Menschen mit E-Autos erlebt haben, der wird sich beim Kauf eines selbigen im besseren Fall zurückhalten – und im schlechteren Fall Multiplikator für Ablehnung bis hin zum Hass werden.

Hoher Strompreis ist ein Problem

Nicht zuletzt sorgt die hohe Inflation – ebenfalls ausgelöst durch die Folgen des russischen Angriffskrieges – für eine anhaltend müde Kauflust. Wer nicht weiß, wie hoch in den kommenden Jahren die Nebenkostenrechnung ausfallen wird, der kalkuliert in der Regel auch beim Autokauf vorsichtiger – und greift entweder zum günstigen Chinesen oder Koreaner oder wartet erst einmal ab und fährt seinen alten Verbrenner noch ein paar Jahre weiter. Dass Deutschland zudem im internationalen Vergleich einen sehr hohen Strompreis aufzuweisen hat, lockt auch nicht wirklich in die Elektromobilität.

Die fetten Jahre für die Automobilbranche sind spätestens seit der Pandemie erst einmal vorbei, so viel steht fest.

Vor dem Abgrund stehen die deutschen Hersteller aber freilich noch lange nicht, auch wenn sie sich in den nächsten Jahren strecken müssen. Um im internationalen Vergleich nicht tatsächlich abgehängt zu werden, würde es den deutschen Autoherstellern aber gut tun, mehr Planungssicherheit zu haben. Hier ist eindeutig die Politik gefordert, und zwar durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Elektromobilität – und nicht durch Verunsicherung in Form haarsträubender Debatten über die Zukunft von E-Fuels in Neufahrzeugen. Ein Weiter wie bisher darf es nicht geben, ansonsten geht in Wolfsburg, Stuttgart und sogar in München vielleicht doch irgendwann das ein oder andere Licht aus. Aber die allermeisten Hersteller haben dies vor der Politik erkannt, bevor es vermutlich zu spät gewesen wäre. Vielleicht hat VDA-Präsidentin Hildegard Müller zumindest in ein paar Jahren wieder recht, wenn sie sagt, dass die deutsche Automobilindustrie weltweit nach wie vor den Ton in Sachen Technologien angebe.

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.

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Alo:

Wenn ich das immer höre: VW, BMW, MERCEDES in China, in den USA usw. Früher ist z.B. VW in Deutschland groß und erfolgreich geworden. Da hat man den VolksWagen gebaut und viele Deutsche könnten sich den leisten. Wenn man die E-Autos als neue Ära sieht, hätten sie auch erst einmal im eigenen Land anfangen können, vor allem günstige E-Autos zu bauen. Aber nein, erst mal in die Welt um mit den Großen mithalten zu können. Warum baut heute VW nicht einen Volks-E, und zwar im eigenen Land. Weil sie den Rachen nicht voll kriegen. Baut endlich mal einen E für 15.000,- dann klappt das auch mit den angeträumten Zulassungszahlen. Und der Bund sollte aufhören, die Förderprämien zu senken. Es ist zum kotzen…

Sven:

In China wird es nicht anstrengend, sondern unmöglich. BYD hat 18% Marktanteil an NEV in China, SAIC 11,9% und Tesla 8,7%. VW nur 3,1%. Das Luxussegment sollte wohl der ID 7 werden, dessen Bau gerade wegen zu geringer Nachfrage bis zum Ende des Jahres zurückgestellt wurde. VW wird Geld brauchen, um die Transformation zu den BEVs in China hinzubekommen, aber das wird wohl erschwert durch die schlechten Verkaufszahlen von den Verbrennern. Vor Covid hat VW 4,2 Millionen Fahrzeuge in China verkauft, im letzten Jahr eine Million weniger.

In den USA kann es nicht besser aussehen da: „Denn der Chinese kauft im Massenmarkt national. Wie die Bevölkerung jeden Landes mit eigener Autoproduktion.“ Warum sollten die Amerikaner nicht auch national kaufen, besonders dann, wenn durch den Inflation Reduction Act besonders die amerikanischen Fahrzeuge gefördert werden. Der ID4 aus Chattanooga wird es nicht rausreißen, auch wenn die es schaffen bis zum Ende des Jahres die 7000 Fahrzeuge pro Woche zu bauen. Tesla verkauft zurzeit zehnmal mehr Model Y als VW ID4. EQS und Taycan müssen in den USA auch gegen das Model Y antreten, dort gilt es nämlich als Luxusfahrzeug.

VW ist in Europa bei dem Bau von BEV nicht vorne, das meistverkaufte Fahrzeug (aller Antriebsarten) war im 1. Quartal 2023 das Tesla Model Y. Noch liegt VW mit 21,7% BEV Anteil in Europa im Q1 2023 in Führung, Tesla folgt mit 21,3%. Warten wir mal auf die Zahlen die VW am 27.07.2023 veröffentlicht.
Der Markt hat keine Zeit, denn wenn VW die Produktion in Emden aufschiebt, das Trinity Werk nicht baut, Cariad nicht auf die Reihe bekommt und sich nicht 100% auf die Elektrifizierung der Fahrzeuge einstellt, sind die 2030 nur noch ein Schatten ihrer selbst.
 
Mag sein, dass das MEB durch Skaleneffekte 25.000 EUR teure Fahrzeuge ermöglicht. Aber warum macht VW das dann nicht? VW verfällt in alte Muster und stellt möglichst viele verschiedene Modelle her, die einen Skaleneffekt verhindern.
Welche Fahrzeuge von VW sind zurzeit V2G und V2H-fähig? Und das Kündigen der Partnerschaft mit Argo AI und eine neue Partnerschaft mit Horizon Robotics in China soll ein Fortschritt sein? BMW (2,4% Marktanteil Mai 2023), Audi (0,4%) und Mercedes (0,4%) verkaufen in China so gut wie keine E-Fahrzeuge. Das ist jedoch deren wichtigster Markt. Die sind also nicht auf einem guten Weg.

Renault, Stellantis, Hyundai, GM und Ford, bekommen das Ruder auch nicht schnell genug rumgerissen, die Japaner haben sich wohl mit atomenergieerzeugtem Wasserstoff verkalkuliert und sind ganz aus dem Rennen. Allerdings versuchen die Chinesen zurzeit ihre Fahrzeuge in der EU abzusetzen. Und Tesla weiß wie Skaleneffekte funktionieren: Marktführer in den USA mit 60% Marktanteil, meistverkauftes Fahrzeug der Welt aller Antriebsarten. Und das Model Y ist noch nicht mal ein billiges Auto, das kommt noch. So wie VWs 25.000 EUR Auto.

Sven:

war die Antwort auf Marcs Beitrag
 

Daniel W.:

Die deutschen Hersteller müssen sich wohl vom chinesischen Markt und ihren dort investierten Milliarden verabschieden – Russland ist hier ein warnendes Beispiel – spätestens, wenn China gegen Taiwan einen Krieg beginnt und die USA sowie die EU Sanktionen ergreifen, dann wird China die westlichen Firmen bzw. deren Anteile an die ihr wohlgesonnenen chinesischen Firmen verteilen.

Die deutschen und europäischen Hersteller sollten sich schon mal auf den Wegfall ihrer Vermögenwerte und Absatzchancen in China einstellen, damit es kein hartes Erwachen gibt.

Ich bin immer noch der Ansicht, dass VW & Co. schon jetzt ein E-Auto für unter 20.000 Euro anbieten könnten, sie müssen ihre Investitionen ja nicht in den ersten Jahren wieder herein bekommen, sondern auf die Laufzeit der E-Auto-Modelle verteilen und „kleinere Brötchen“ backen.

Ich habe 24 Jahre lang als Werkzeugschleifer gearbeitet und schon vor Jahrzehnten mitbekommen wie die Autohersteller bei den Zulieferen auf die Preise drücken, so dass sich diese Sonderwerkzeuge anfertigen lassen mussten, um das Werkstück nur einmal in die computergesteuerten Maschine einzusetzen, denn bei 2-maligem Einsetzen hätte sich der Auftrag nicht mehr gerechnet.

Wenn ich bei YouTube anschaue wie automatisiert die Abläufe sind, da verstehe ich die hohen Preise nicht. Selbst Autoscheinwerfer, die als Ersatzteil sehr teuer sind, bestehen aus einfachen Stanz- und Pressteilen, bei Zulieferen billigst montiert, so wie vieles bei den Autos.

Durch Automatisation sind die Herstellungskosten niedrig genug, um günstige E-Autos anzubieten. Momentan nutzen die Hersteller die Gunst der Stunde, um erstmal kräftig abzusahnen, so lange es noch genug Kunden mit reichlich Geld gibt – danach kommt das große Jammern.

Es müssen keine 2 Tonnen auf 4 Rädern sein, das hat uns die Autoindustrie die letzten Jahren eingeredet und viele glauben es. Die Autos werden immer größer und unübersichtlicher, wie Ritterrüstungen, so dass es jetzt rundum Abstandssensoren und Rückfahrkameras braucht, damit der Fahrer überhaupt noch unfallfrei rückswärts fahren und einparken kann.

Ich freue mich, wenn das „Ende der Blech-Dinosaurier“ kommt und die Städte und Dörfer von dem vielen Blech befreit werden. Damit werden dann auch weniger Resourcen für deren Herstellung gebraucht und wir kommen mit den erneuerbaren Energien im eigene Land locker aus.

Als Unterstützer habe ich den Klimawandel.

Tom62:

ICEzeitt – Marken, werden nicht mit der E-Ära assoziiert … panta rhei…so what.. ;)

Marc:

Ich denke, die verschiedenen Länder und die verschiedenen deutschen Hersteller sind unterschiedlich zu beurteilen.

In China wird es für alle eng. Denn der Chinese kauft im Massenmarkt national. Wie die Bevölkerung jeden Landes mit eigener Autoproduktion. Nur hatte man früher keine relevanten eigenen Marken und Produkte. Jetzt sind gar zu viele einheimische Spieler auf dem Feld. Da muss man im Luxussegment überzeugen. Und VW muss sich als chinesische Marke verkaufen, was sie ja auch zu 50% sind. Wird anstrengend.

In den USA sieht es grundsätzlich besser aus, da geht es darum, die passenden Premiumfahrzeuge im Portfolio zu haben. Taycan und i4 aber auch der EQS zeigen, da kann man landen. In Europa ist man vorne. Da hat der Markt ne Delle. Aber ich finde, es gibt keinen strategischen Mangel. In Indien hat VW einen guten Fuß in der Tür. Das ist gut, aber der Markt braucht Zeit. Da kann man vor 2030 nicht viel erwarten.

Gerade der VW Konzern macht viel richtig, die MEB wird jetzt immer mehr ausgerollt. Das ist eine preiswerte Plattform, so dass die Skaleneffekte genügen, um ein 25k-Auto und ein 20k-Auto zu bringen. Damit hat man eine Alleinstellung. Kein Wettbewerber kann ab 2025 erstauto-fähige Fahrzeuge zu dem Preis anbieten. Auch v2g/v2h kommt aus Wolfsburg. Und das autonome Fahren macht Fortschritte. Ebenso ist Porsche auf gutem Weg, nur Audi verstehe ich nicht. Aber auch BMW macht das gut, bringt Autos für Umsteiger. Nichts ändert sich, nur der Motor. Mercedes muss für mich beim Design aufpassen und klassischer werden.

Vor allem der Blick auf die Konkurrenz macht Mut: Stellantis hat wenig, die Plattformstrategie ist weder schnell noch überzeugend. Hyundai fehlt eine Plattform für preisgünstige Elektroautos mit Volumen. Sie können nur teuer, wenn es aktuelle Technik sein soll. GM und Ford kommen, aber nicht in Europa und nicht unter 40k. Die Japaner kommen nicht, die Chinesen scheitern außerhalb des Heimatlandes. Renault kann seine Partner nicht zu großen Plänen im Elektrosektor motivieren. Tesla scheitert gerade mit seinen Expansionsplänen an der Modellpalette. Man hat nämlich keine.

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