Chinesische Premiummarken überholen deutsche Traditionshersteller

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Felix Katz
Felix Katz
  —  Lesedauer 7 min

Chinesische Premiummarken, sogenannte New Premiums, finden vor allem bei fernöstlichen Kunden nicht nur wachsenden Zuspruch, sie ziehen sogar an deutschen Traditionsherstellern vorbei. Vor allem im Bereich Kundenwahrnehmung schneiden sie besonders gut ab, so das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Berylls.

Audi, BMW, Mercedes-Benz, Porsche … Lange galten deutsche Premium-Hersteller als das Non-plus-Ultra bei chinesischen Kunden. Was in Ingolstadt, München, Sindelfingen und Zuffenhausen erdacht und entwickelt wurde, war über Jahrzehnte der weltweit gültige Standard für Oberklassefahrzeuge. Deutsche Premiumfabrikate galten deshalb als ideale Statussymbole, für die aufstrebende Mittel- und Oberschicht in China.

Einheimische Marken dagegen standen vielfach in dem Ruf, rückständige und qualitativ wenig überzeugende Autos zu bauen. Aber das Bild hat sich mit der Transformation der Mobilität hin zum E-Auto komplett gewandelt, wie eine aktuelle Berylls Studie zeigt. Sie analysiert, wie chinesische Elektrofahrzeug-Premiummarken bei den Kunden in China wahrgenommen werden – im Vergleich zu den arrivierten Playern. Teilnehmer der Studie waren sowohl Besitzer eines Premiumfahrzeugs wie auch Kunden, die den Kauf eines Oberklasse-Elektroautos beabsichtigen.

Chinesische Premiummarken überholen deutsche Traditionshersteller
Chinesischen Kunden sind Technologien wichtiger als traditionelle Werte, deshalb haben es deutsche Autobauer in Fernost schwer | Bild: Messe München / Auto Shanghai

„Deutsche Hersteller haben Entwicklung nicht rechtzeitig erkannt“

Vor allem die Automesse Shanghai im April dieses Jahres hatte gezeigt, dass die Kluft zwischen deutschen und chinesischen Autoherstellern immer größer wird. Das Interesse an den unzähligen neuen Modellen chinesischer Start-ups ist groß, vor allem weil sie nicht selten mehr Technik fürs gleiche Geld böten. „Made in Germany“ steht bei Autos zwar immer noch hoch im Kurs, doch tun sich deutsche Marken schwer im Land der aufgehenden Sonne. Nun überlegen sie, wie sie in China Land gewinnen und was sie von den neuen Marken lernen können. Lange Zeit war es umgekehrt. Ein gutes Beispiel ist Volkswagen: Der Wolfsburger Konzern war lange an der Spitze, kürzlich mussten sie die chinesische Marktführung an den heimischen Autohersteller BYD abtreten.

Dass China längst eine übergeordnete Rolle spielt, zeigen auch diverse Hersteller-Aussagen. So gebe es beispielsweise in BMW-Modellen „bereits viele Features“, die von China inspiriert seien. Das hat BMW-Chef Oliver Zipse laut Tagesschau bei der Präsentation der neuen Elektro-Limousine BMW i7 in Shanghai gesagt. Ein Beispiel sei das Entertainment-System. Denn Software und die Rolle von Tech-Unternehmen haben innerhalb der chinesischen Automobilbranche in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

„Die deutschen Unternehmen hätten diese Entwicklung nicht rechtzeitig erkannt“, sagte der chinesische Autoexperte Tu Le von der Beratungsfirma Sino Auto Insights gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender. Und weiter: „Das hat wirklich gezeigt, wie wenig sie wirklich vom chinesischen Markt verstehen. Die chinesischen Elektroautohersteller sind schneller, flexibler, sie sind Experten in der Software. Das hat ihnen Gelegenheit gegeben, den deutschen Autoherstellern Marktanteile wegzunehmen.“

Chinesische Hersteller liegen bei Smart Cockpit, Assistenzsystemen, aber auch bei Service und Marketing vorn. Bei klassischen Premium-Tugenden wie Komfort und Qualität sind sie laut Studie in der Kundenwahrnehmung nahezu auf Augenhöhe oder leicht besser als die arrivierten Anbieter, haben die Berylls-Experten herausgefunden. Das Motiv für den Kauf deutscher Premiummarken sei in erster Linie die Marke, während es bei chinesischen Premiummarken vor allem um das Produkt gehe.

Unterm Strich, kann man sagen: Technologie löst traditionelle Werte bei den chinesischen Kunden als Kaufgrund ab. „Für die deutschen Hersteller sind die Ergebnisse alarmierend“, erläutert Willy Wang, Managing Direktor, Berylls Strategy Advisors China. „Denn die chinesischen Wettbewerber liegen in der Kundenwahrnehmung in sehr vielen Punkten klar vorn.“ Nicht zuletzt bei Attributen, die einen technischen Hintergrund haben, sehen die Kunden chinesische Autobauer in Führung. Ein harter Schlag für die technikverliebten deutschen Autobauer, deren Expertise offenbar nicht mehr in die richtige Richtung läuft.

Chinesische Premiummarken überholen deutsche Traditionshersteller
Chinesische Hersteller haben auch bei den traditionellen Werten wie Sicherheit, Zuverlässigkeit und Komfort enorm aufgeholt  | Bild: Messe München / Auto Shanghai

Das Auto verliert seine Bedeutung als Statussymbol

Während sich etwa zwei Drittel der Kunden für ein E-Auto aus chinesischer Produktion entscheiden, weil sie diesem Modell starke und verlässliche Produkteigenschaften zubilligen, seien es bei den Käufern oder Besitzern eines Elektroautos vom deutschen Hersteller nur etwas mehr als die Hälfte. Kunden, die ein Auto aus deutscher Produktion wählen, entscheiden sich zu etwa 45 Prozent dafür, weil sie damit ihren persönlichen Status zur Schau stellen wollen.

Kunden chinesischer Elektroautos ist das weit weniger wichtig. Hier geben nur knapp über 30 Prozent an, ihren persönlichen Status mit dem Autokauf untermauern zu wollen. Ihnen ist laut der Studie guter Service, ansprechendes Marketing und ein modisches Produkt besonders wichtig, dicht gefolgt von einem guten Preis-Leistungsverhältnis. „Käufer deutscher Autos legen in China dagegen Wert auf gutes Markenimage und darauf, bei einem vertrauenswürdigen Hersteller einzukaufen. Außerdem schätzen sie einen hohen Wiederverkaufswert. Der ist den Kunden chinesischer Premium-Marken dagegen nahezu egal“, heißt es.

Die Kernkaufkriterien zeigen demnach, dass die chinesischen Hersteller bei den traditionellen Werten enorm aufgeholt haben. Bei Sicherheit und Zuverlässigkeit und sogar beim Komfort seien praktisch keine Unterschiede mehr zwischen den traditionellen und den neuen Premium-Herstellern auszumachen, gaben die Studien-Teilnehmer an. Erschreckend für die deutschen Hersteller dürfte sein, dass chinesische Kunden die New-Premium-Fahrzeuge qualitativ klar besser einschätzen als die der deutschen Hersteller.

Deutsche Modelle würden lediglich bei der Leistung, bei den vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten, beim Platzangebot und beim Design punkten. Käufern chinesischer E-Autos sei allerdings Entertainment wichtig, weniger Fahrvergnügen. Keine überraschende Erkenntnis, wenn man die Verkehrssituation in den chinesischen Metropolen kennt. Dort sind gut funktionierende Assistenzsysteme, kurzweiliges Infotainment und autonome Fahrfunktionen weit wichtiger als präzise und rückmeldungsfreudige Lenkungen und neutral bis leicht übersteuernd ausgelegte Fahrwerke. Hier haben die deutschen Hersteller zwar zweifellos die Nase vorn, nur schwindet die Bedeutung dieser Tugenden in China extrem schnell. Und dank des immer höher werdenden Verkehrsaufkommens vermutlich bald auch in anderen Ländern außerhalb Asiens.

Chinesischen Kunden ist Entertainment besonders wichtig, dicht gefolgt von einem guten Preis-Leistungsverhältnis – das haben die „New Premiums“ verstanden | Bild: Messe München / Auto Shanghai

Autos für China brauchen eigene Produktsubstanz

Die Berylls Studie zeigt deutlich, wie sehr sich die chinesischen Kunden von Käufergruppen in anderen Regionen der Welt unterscheiden. Darum müssten die Chinesen anders behandelt werden. Und die Produkte, die in China erfolgreich sein sollen, sollten auch eine andere Produktsubstanz aufweisen als Fahrzeuge für Europa oder die USA, mahnen die Experten. Hersteller seien gut beraten, große Anstrengungen auf autonome Fahrfunktionen zu legen und umfangreiche Assistenz- sowie Smart-Cockpit-Systeme für ihr chinesisches Modellportfolio anzubieten.

Diese Technik allein ist aber kein Garant für den Erfolg. Denn die Hersteller müssten außerdem verstehen, dass sie ihr Marketing sehr stark auf die chinesischen Kunden zuschneiden und die Fans ihrer Marken aktivieren und zu Botschaftern machen müssen. Da war und ist es auch nicht verwunderlich, dass die deutschen Marken auf auf der vergangenen Auto Shanghai kein Blatt vor den Mund nahmen, um mit maßgeschneiderten Marketingsprüchen um die chinesische Käufergunst zu buhlen. „Wir kommen aus München, sind aber China zuhause“, war laut ZDF damals am BMW-Stand bei einer Präsentation zu hören. Dies dürfte sinnbildlich für die aktuelle Situation der deutschen Hersteller stehen.

Die New Premiums haben jedoch längst verstanden, was die hiesige Kundschaft wünscht und dominieren den Elektroauto-Markt mit einem Anteil von 80 Prozent. Allein Tesla ist als ausländischer Hersteller unter den zehn erfolgreichsten E-Auto-Anbietern in China zu finden, die deutschen Marken spielen hier dagegen kaum eine Rolle. Das Zeitfenster für Maßnahmen, die dies ändern können, ist klein. Wollen die Entscheider in Ingolstadt, München, Sindelfingen und Zuffenhausen den alten Erfolg zurück, müssen sie handeln. Jetzt.

Quellen: Berylls – Pressemitteilung vom 13.07.2023 / Springer Professional – Chinesische Oberklasse-E-Autos überholen deutsche Premiummarken / Tagesschau – Autobauer suchen Inspiration in China / ZDF – Deutsche Autobauer in China unter Druck

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Felix Katz

Felix Katz

Felix Katz liebt alles, was vier Räder und einen oder gleich mehrere Motoren hat. Nicht nur Verbrenner, sondern vor allem Elektroautos haben es ihm angetan. Als freiberuflicher Autojournalist stromert er nicht nur fast jeden Tag umher, sondern arbeitet seit über zehn Jahren für viele renommierte (Fach-)Medien und begleitet den Mobilitätswandel seit Tag eins mit.
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Wolfgang M.:

Kleine Korrektur – in Sindelfingen sitzen eher die produzierenden Autobauer, die zugehörigen bestimmenden Entscheider haben ihren Zentralsitz in S-Untertürkheim!

Spiritogre:

Richtig, China ist das Land der Morgenröte, Morgenröte und aufgehende Sonne sind verschiedene Sachen.

Spiritogre:

Weil die gleichen Teile eben alles andere als gleich sind. Die deutschen Hersteller haben hier vorgaben, die praktisch keine chinesische Firma einhalten kann. Vielleicht akzeptieren die deutschen Hersteller dann leicht schlechtere Werte für die Fahrzeuge in China, dafür kosten die Autos da ja auch weniger.

Aktuell kommt qualitativ immer noch kein Hersteller an europäische Autobauer heran.

Spiritogre:

Nie von Infiniti (Nissan) oder Acura (Honda) gehört? Die Koreaner haben Genesis (Hyundai), die es auch seit geraumer Zeit in Deutschland gibt.

Ich gebe zu, ich achte auch ein wenig drauf aber ich sehe hier in der Gegend inzwischen immer mehr Genesis, wobei die Hälfte der Fahrer aber zugegeben Koreaner zu sein scheinen. Der Genesis G80 ist aktuell sozusagen mein „realistisches Traumauto“.

Wobei es richtig ist, diese exotischen Marken können nicht so gut dem Prestige gelten wie Mercedes oder BMW.

Genau deswegen werden die aktuell hoffnungslos überteuerten chinesischen „Premiummarken“ auch hoffnungslos außerhalb von China scheitern. Zu teuer fpr das was sie bieten und kein prestigeträchtiger Name.

Matthias Geiger:

Das Thema ist aus meiner Sicht nicht die Oberklasse sondern von der oberen Mittelklasse bis zum Kleinwagen. Hier bricht den deutschen Herstellern das Volumen weg. Das „Brot und Buttergeschäft“ siehe die PV-Branche die aus Deutschland weg gegangen wurde.

Raymond_NL:

Das Land der aufgehende Sonne ist meines Erachtens Japan und nicht China wie im Bericht steht.

Groß:

Lebst Du in China, dass Du das hier so sicher schreibst?

Die chinesische Mittelschicht achtet auf Qualität und deswegen sieht sie auch die nachlassenden Qualität der detschen Marken. Diese stehen im Wetbewerb den chinesischen Marken gegenüber welche im Gegensatz Qualitativ immer besser werden.

Man kann in Deutschland die Augen davor verschliessen und weiter die Zeichen der Zeit verschlafen.

Groß:

Warum sind diegleiche Teile vom gleicxhen Zulieferer im BMW oder Mercedes besser als im Nio?
Kannst Du das mal bitte erklären?
Warum kauft BMW in China Teile bei einem chinesischen Autobauer bei dem nichteinmal mehr die Chinesen Autos kaufen? Was ist das Premium?
Warum produziert Mercedes in China mit Produktionsanlagen welche nicxht aus Deutschland kommen. Da ist das einzige deutsche der Mercedes-Stern. Was ist da Premium?

Wenn Deutschland so und mit deisen Meinungen weiter macht dann wird selbst Indien in ein paar Jahren Deutschland überholen, denn aktuell ist Indien das „neue China“.

Steven B.:

Ja da haben wir ja gleich 2 Käufer gefunden die sich einen Asiaten gekauft haben. Mich freut es für euch. Werdet glücklich und ich hoffe ihr werdet nie ein Problem bekommen, mit den tollen Auto, denn Werkstätten gibt es ja zu Hauff von diesen Herstellern gleich um die Ecke. Die „freien“ Werkstätten werden auch mit dem Kopf schütteln, da die Ersatzteile dermassen ins Geld gehen werden, dass sich die jenigen die einen „günstigen“ Asiaten „geschossen“ haben, eine Reparatur 2mal überlegen – diese greifen zum nächsten Wagen und sorgen so absolut nachhaltig für den Rohstoffmangel. Ja eben, drum prüfe wer sich ewig binde…

Tobi:

Die Chinesen kommen definitiv. Besser und wesentlich preiswerter. Da hilft kein Lamentieren der einstiegen deutschen Platzhirsche. Ärmel hochkrempeln wäre angesagt. Das ist aber schwierig, wenn man 20 Jahre geschlafen hat. Ich trauere keinem der arroganten made in Germany Produzenten nach. Vorsprung durch Technik wird zum lächerlichsten Werbeslogan des Jahrzehnts. Strategische Hilflosigkeit ist das Merkmal der noch immer am Benzin hängenden Chefetagen. Andere Denker wären vor 10 Jahren nötig gewesen, als man noch überheblich über Tesla spottete. Hochmut kommt fast immer vor dem tiefen Fall.

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