Die großen Herausforderungen beim Hochlauf der E-Mobilität

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Die Kobalt-Mine Bou-Azzer in Marokko – Shutterstock / 341434340

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Wer regelmäßig die Nachrichten zur E-Mobilität verfolgt, könnte vor kurzem einen kleinen Moment der großen Verwirrung erlebt haben. Denn zur Rohstoff-Lage bei E-Auto-Batterien gab es innerhalb kurzer Zeit zwei gegensätzliche Beiträge: „Ressourcen sind kein Problem“, schrieb die Deutsche Welle über ein Interview mit Matthias Buchert vom Öko-Institut. Nur zwei Tage zuvor betitelte die Automobilwoche ein Gespräch mit Wolfgang Bernhart, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger, zu Batterie-Rostoffen: „Die Versorgung ist knapp, zum Teil sehr knapp“. Wie so oft gilt: Die Wahrheit bedarf einer differenzierten Betrachtung – und liegt irgendwo dazwischen.

Wolfgang Bernhart von Roland Berger stützt seine Aussagen auf die Studie „Batterie-Monitor 2022“, die die Unternehmensberatung Ende des vergangenen Jahres gemeinsam mit dem PEM-Institut der RWTH Aachen veröffentlicht hat. Zu den wichtigsten Batterie-Rohstoffen gehören Lithium, Nickel und Kobalt. „Aus unserer Sicht bleibt die Versorgung bei Lithium noch bis zum Ende des Jahrzehnts eng“, sagt Bernhart über die angespannte Lithium-Lage, deren Nachfrage vom tatsächlichen Hochlauf der E-Mobilität abhängt. Ab 2025 aber könnte sich die Lage entspannen, da dann „nach und nach neue Vorkommen aus Europa“ erschlossen werden sollen.

Beim Kobalt ist die Versorgung wirklich sehr knapp“, sagt Bernhart über den Rohstoff, der vor allem aufgrund seiner Abbaumethoden als kritisch gilt. „Es ist zwar ausreichend im Boden vorhanden, jedoch sind viele der bisher verfügbaren Quellen hinsichtlich ihrer ESG-Anforderungen (Environmental, Social, Governance) nicht akzeptabel“, sagt Bernhart: „Das sind vielfach Tagebauminen mit hohen Umweltbelastungen, und die Sicherheit an den Förderstätten ist fragwürdig“.

Auch die Lieferkette beim Kupfer steht Bernhart zufolge zunehmend unter Druck, da die Industrie „bis 2030 mindestens fünf Millionen Tonnen mehr als die derzeit jährlich geförderten 25 Millionen Tonnen“ benötige. Denn Kupfer werde „nicht nur für die E-Motoren in der Autobranche benötigt, sondern auch für die vielen Zehntausend Ladestationen, für Windräder und vieles mehr“. Problematisch sei bei dem Rohstoff, dass der Aufbau neuer Kupferprojekte „grundsätzlich“ sehr langwierig sei. Eine neue Kupfermine sei nicht in einem Jahr betriebsbereit, so etwas dauere „mehr als zehn Jahre“.

Unserer Meinung nach wird deshalb gerade beim Kupfer das Thema Recycling eine noch größere Rolle spielen als derzeit“, so der Berater. „Aber wir erwarten einen zügigen Ausbau der Recycling-Kreisläufe, nahezu zeitgleich mit dem Hochlauf der E-Mobilität.

„Weltweit sind genügend Rohstoffvorkommen vorhanden“

Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut, das unter anderem die Bundesregierung berät, sagt: Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Seltene Erden gebe es genug. „Weltweit sind genügend Rohstoffvorkommen vorhanden. Eine physische Begrenzung ist nicht das Problem“, so Buchert. Er räumt aber ein, dass „temporäre Verknappungen und Probleme in den Wertschöpfungsketten“ wahrscheinlich sind – „sei es in der eigentlichen Rohstoff-Förderung oder in der Aufbereitung der Rohstoffe zum fertigen Produkt“. Vor allem dann, wenn die Nachfrage nach einem Rohstoff plötzlich sehr stark steigt, wie etwa beim Hochlauf der Elektromobilität: „Das heißt aber nicht, dass gleich der gesamte Markt an die Wand fährt – aber der Hochlauf ruckelt ein Stück weit“, so Buchert.

Er nimmt den Halbleitermangel während der Corona-Pandemie als Beispiel, als es zeitweise Engpässe bei Chips für Autos und Elektronikgeräte gab. „Fahrzeuge wurden dann teilweise mit Verzögerungen von mehr als einem Jahr ausgeliefert“, so Buchert. Er versteht die Szenarien, wonach es auch bei Batterie-Rohstoffen – allen voran Lithium – zu Engpässen kommen kann „als Weckruf, dass die Angebotsseite schneller hochgefahren werden muss, um mit dem rasant steigenden Nachfragetempo Schritt zu halten.“

Lithium kommt aktuell vor allem aus Australien, aus Chile und zum geringeren Teil aus China. „Geopolitische Verwerfungen“, so Buchert, seien zumindest in den beiden Hauptförderländern „kaum zu erwarten“. Weitere attraktive Lagerstätten gebe es auf allen Kontinenten: in den USA, Lateinamerika, Asien, Afrika. Auch in Europa, bislang aber werden „lediglich in Portugal kleinere Mengen Lithium gefördert“, weiß Buchert. Weitere Fördermöglichkeiten seien „unter anderem in Finnland, Österreich, Serbien, Spanien, Portugal und Frankreich“ vorhanden. Und in „Italien und Deutschland könnten im optimalen Fall an Lithium reiche, heiße Tiefengewässer ausgebeutet werden“. Im Rohstoffbereich seien die Herausforderungen also beherrschbar. Sie müssen jedoch auch schnellstmöglich angegangen werden.

„Die eigentliche Herausforderung besteht in der gigantischen Transformation der Autoindustrie“

Auch die Lage bei der Energieversorgung sieht Buchert entspannt: Zwar steige der Gesamtenergieverbrauch in Deutschland um gut ein Drittel. Gleichzeitig aber wird die Erzeugung stetig erhöht. Doch je mehr Erneuerbare Energien ausgebaut werden, umso öfter gebe es Zeiten, zu denen ein Überschuss an Strom in den Netzen herrscht, etwa an Tagen, wo besonders viel Sonne und Wind vorhanden ist: „Man braucht einfach bessere Ausgleichssysteme, also smarte Systeme“, sagt Buchert. „Dann wird das Auto vielleicht nicht ab 19 Uhr geladen, weil da die Verbrauchsspitzen höher sind, sondern erst ab Mitternacht“.

Das größere und wichtigere Thema sei der schnelle Umbau der Autoindustrie, findet Buchert: „Die eigentliche Herausforderung besteht in der gigantischen Transformation der Autoindustrie. Da müssen hunderte Milliarden Euro umgeschichtet werden“, sagt er. Und es gelte für Europa, sich von den aktuell in vielen Bereichen marktbeherrschenden Unternehmen aus Asien unabhängig zu machen, etwa was die Batterieherstellung sowie die Produktion von Rohstoffen für die Batteriezellen betrifft. „Auch dafür müssen die Kapazitäten in Europa sehr viel schneller hochgefahren werden“, rät Buchert. „Die größte Verwerfung ist möglicherweise, dass das Angebot der Wertschöpfungsketten der Nachfrage hinterherhechelt“, sagt er. „Außerdem suggerieren manche Politiker, es gäbe Alternativen zur Elektromobilität, etwa durch den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen für Verbrennungsmotoren“. Das sei aber „technisch längst überholt. Im Pkw-Bereich sind E-Fuels, wenn sie denn mal in entsprechenden Mengen hergestellt würden, vom Wirkungsgrad her gesehen völlig ineffizient“.

Die Zeit drängt, so Buchert: „Laut EU dürfen ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen verkauft werden, also praktisch ausschließlich batterieelektrische. Deutschland will 2045 klimaneutral sein, da sollten am besten gar keine Verbrennerfahrzeuge mehr über die Straßen fahren. Um diese Ziele zu erreichen, haben wir also lediglich zehn bis maximal fünfzehn Jahre Zeit – und das ist sportlich.

Quelle: Automobilwoche – Batterie-Rohstoffe: „Die Versorgung ist knapp, zum Teil sehr knapp“ / Deutsche Welle – Elektroauto: „Ressourcen sind kein Problem“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Herwig:

BEV-PKW mit 100kWh-Akku …Verschwendung von raren Rohstoffen…“
Da gebe ich Ihnen recht, das muss nicht sein! Ein BEV mit deutlich kleinerem Akku für den Alltagsbetrieb, aber hoher Ladeleistung für die seltenen Langstreckenfahrten wäre ideal!
Es ist halt leider für den „Normdeutschen“ (und -österreicher) unzumutbar, dass ein „Tankstop“ zwanzig Minuten dauert, und das auf einer Fahrt zum Urlaubsziel vielleicht sogar dreimal!
Da sollte man dringend umdenken.
Ihre Idee des FCEV-REX ist zwar vielleicht in der Anschaffung ressourcenschonender, verbraucht aber im Betrieb („grünen“ Wasserstoff vorausgesetzt) dreimal soviel Energie wie ein BEV.
Von der aufwendigen Technologie im Fahrzeug (Wartungsaufwand) und den enormen Kosten für eine massentaugliche Infrastruktur abgesehen.
Denn eine H2-Zapfstation kostet rund eine Million Euro, kann aber (was gerne „übersehen“ wird) nur alle 30 Minuten ein Fahrzeug betanken, weil dazwischen der Wasserstoff komprimiert werden muss.
Für einen 5-Minuten-Takt wie im Verbrennergeschäft wären also rund sechsmal soviele Zapfsäulen nötig. Wer will das bezahlen?
Ein Hypercharger hält den 30-Minuten-Takt auch locker, zu einem Bruchteil der Errichtungskosten!

Captain Ahab:

Wir werden uns noch daran gewöhnen müssen, dass wir nicht immer alles subito kriegen, auch wenn wir es wollen.
Wenn von einem Rohstoff auf einmal die mehrfache Menge verlangt wird, dann dauert das 5 bis 10 oder noch mehr Jahre. Und in der Zwischenzeit kann der Preis verrückt spielen.

Von ein paar wichtigen Parametern her, wie Speicherplatz, Anzahl Transistorfunktionen in Chips oder Processing Power, sind wir uns gewohnt, das Wachstum sehr schnell gehen kann und fast keine Grenzen kennt. Bei mehr physischen Dingen wie Rohstoffen oder Energie geht das nicht so easy. Die Dekarbonisierung der kompletten weltweiten Energieströme und Prozesse ist eben nicht eine virtuelle, sondern eine sehr physische Geschichte.

Jakob Sperling:

„Das größere und wichtigere Thema sei der schnelle Umbau der Autoindustrie.“
Das ist die europäische Sicht, weil das ‚unser‘ Problem ist. Wenn man die Nachrichten aus den grossen Rohstoffländern wie Kanada und Australien liest, dann ist bei Ihnen das Haupthema das Hochfahren der Minen zur Versorgung der Nachfrage nach den genannten Rohstoffen. Wie im Artikel schon für das Kupfer gesagt, gilt auch für die anderen Rohstoffe, dass man so eine Mine nicht in ein paar Monaten hochfährt. Das sind gewaltige Anlagen mit jeder Menge Spezialmaschinen, die spezifisch für diese Anlagen gebaut werden. Dazu eine Transportlösung, oft mehrere 100 km Eisenbahn, etc. etc. Der Anreiz ist sehr gross, da grosse Gewinne locken, aber das dauert viele Jahre.

Beim raschen Hochfahren der Elektromobilität ist ein wesentlicher Teil der Lösung aus diesem Dilemma, dass man BEV nur für Kurzstrecken baut, bei grösseren Anforderungen aber statt beschränkt langstreckentauglichen BEV mit schwerer 100kWh-Batterie, besser unbeschränkt langstreckentaugliche FCEV mit 20kWh-Batterien und einem H2-Range-Extender. Da reicht das gleiche Lithium-Angebot für 5 mal so viel CO2-Einsparung.
Ein BEV-PKW mit 100kWh-Akku oder ein BEV-LKW mit 800kWh-Akku sind eine Verschwendung von raren Rohstoffen, welche die Umstellung auf CO2-freie Mobilität ausbremsen. Asien und die USA wissen das, in Europa gibt es wie üblich noch viele Fundis, die Mühe haben, sich von Ihrem einmal erworbenen Denkschema zu lösen.

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