Keine Kunden mehr: Schwedisches Northvolt-Werk vor dem Aus

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Northvolt

Tobias Stahl
Tobias Stahl
  —  Lesedauer 5 min

Vom schwedischen Batteriehersteller Northvolt gibt es eine neue Hiobsbotschaft: Die Batteriezellproduktion im Northvolt-Hautpwerk im nordschwedischen Skellefteå wird wohl eingestellt. Laut dem Insolvenzverwalter des Unternehmens soll die Zellproduktion bis zum 30. Juni vollständig heruntergefahren werden, wenn sich bis dahin kein Käufer finden sollte.

Northvolt würde die Produktion in seinem Heimatland somit komplett einstellen. Aus dem Unternehmen heißt es, dass die Suche nach einem neuen Investor noch andauere, zudem gebe es potenzielle Käufer für die verschiedene Geschäftsbereiche der Northvolt-Gruppe.

Mit Scania als einzigem Kunden ist das Werk nicht tragfähig

Man habe die Batteriezellproduktion in Skellefteå mit begrenzter Beschäftigtenzahl und unterstützt vom Nutzfahrzeughersteller Scania noch fortführen können, so der Insolvenzverwalter. Dies sei jedoch langfristig nicht tragfähig, weshalb die Produktion im Werk Northvolt Ett schrittweise heruntergefahren werde. Scania war der letzte verbliebene Kunde für Northvolt. Eine realistische Aussicht auf eine zeitnahe Übernahme von Northvolt Ett gebe es nicht.

Laut dem Branchenportal Automobil-Industrie hatte der schwedische Radiosender SVT kurz zuvor berichtet, dass Scania, Teil der VW-Nutzfahrzeugholding Traton, aus wirtschaftlichen Gründen plant, keine Batterien mehr bei Northvolt zu kaufen. Scania wolle seine Batterien künftig vom chinesischen Batteriegiganten CATL besorgen, hieß es in dem Rundfunkbericht – Northvolt hätte somit keine Kunden mehr. Northvolt, das lange als europäische Batteriehoffnung galt, hatte am 12. März in Schweden Insolvenz angemeldet, konnte seinen Betrieb im nordschwedischen Hauptwerk dank Scania aber noch in stark begrenztem Maße fortsetzen. Laut den Angaben von SVT arbeiten aktuell noch etwa 900 Menschen in dem Werk.

Wurde Northvolt von den eigenen Ambitionen erdrückt?

Die Zukunft der deutschen Northvolt-Fabrik bei Heide in Schleswig-Holstein bleibt indes weiter ungewiss. Die deutsche Projektgesellschaft soll nicht direkt von der Insolvenz betroffen sein. Zuletzt hieß es, dass die noch im Bau befindliche Fabrik in Heide weitergebaut werden solle.

Laut einem aktuellen Bericht des Manager Magazins ist Northvolts Geschichte eine Geschichte überhöhter Ambitionen und Erwartungen: Der Batteriehersteller startete 2016 mit dem ehrgeizigen Ziel, eine Batteriezellproduktion im industriellen und wettbewerbsfähigen Maßstab in Europa zu etablieren. Die Autoindustrie sollte so unabhängiger von asiatischen Zulieferern werden.

Gegründet von ehemaligen Tesla-Managern, sicherte sich das schwedische Unternehmen binnen kurzer Zeit rund 6 Milliarden Euro Kapital von Investoren wie Goldman Sachs, BlackRock und dem dänischen Pensionsfonds ATP. Die deutschen Autobauer BMW, Volkswagen und Porsche unterzeichneten immense Aufträge.

Mit Volkswagens Ausstieg ging wichtiges Industrialisierungs-Know-how verloren

2021 gab Volkswagen allerdings bekannt, mit der neuen Einheit PowerCo. selbst sechs Batteriezellwerke bauen zu wollen – infolgedessen stieg VW aus einem Joint Venture mit Northvolt aus. Die Wolfsburger behielten allerdings ihre Anteile an Northvolt, schossen in einer weiteren Runde nochmals 620 Millionen Dollar nach und platzierten Aufträge in Höhe von 14 Milliarden US-Dollar bei Northvolt. Mit Volkswagens Ausstieg verlor Northvolt wichtige Unterstützung aus der Industrie und – was wohl noch wichtiger ist – das Industrialisierungs-Know-how eines Großkonzerns.

Der Batteriehersteller wollte jedoch weiter wachsen – zunächst mit Erfolg: Von 700 Mitarbeitenden im Jahr 2020 stieg die Zahl bis 2024 auf über 6500 Mitarbeitende. Die Ausbaupläne wurden von einer jährlichen Produktionskapazität von ursprünglich 120 Gigawattstunden (GWh) bis 2040 auf 230 GWh bis 2030 hochgeschraubt. Die rasante Expansion verschlang immense Summen. Bei einer Due Diligence der Produktion im Januar 2024 soll einer der Prüfer das Northvolt-Team gewarnt haben: „Ihr seid auf der Todesspirale.“ Northvolt könne froh sein, „dass ihr so geduldige Kunden habt. Wenn ihr euch nicht zusammenreißt, seid ihr in sechs Monaten weg“, zitiert das Manager Magazin.

Das Management habe die Mahnung jedoch ignoriert und seine Ressourcen auf immer neue Projekte verteilt, während in Skellefteå lange Zeit nur Zellmuster produziert wurden, die nicht die erwartete Qualität hatten. Northvolt sollte Batteriezellen für die BMW-Modelle i4, i5, i7 und iX liefern, meldete das Batterie-Start-up im Juli 2020 stolz. Der Auftrag hatte einen Wert von 2 Milliarden Euro. Schon ab Ende 2021 habe es jedoch eine Terminverschiebung nach der anderen gegeben. Northvolt schaffte es nicht, die für 2022 versprochenen B3-Muster seiner Batteriezellen zu liefern, die deren Serienreife belegen sollten. Weder die Qualität, noch die Menge oder die Lieferzeiten sollen den Erwartungen entsprochen haben. In den Testläufen seien viele Batteriezellen so sehr angeschwollen, dass die Schweißnähte platzten.

Northvolt riss sechs von sechs Prüfkriterien: Auch BMW zog sich zurück

Im Juni 2024 zog BMW sich aus dem Projekt zurück. Wiederholte Lieferverzögerungen und Qualitätsprobleme hatten dazu geführt, dass das Unternehmen um CEO Oliver Zipse den milliardenschweren Auftrag strich. Northvolt hatte die vereinbarten Muster nicht termingerecht geliefert, sechs von sechs Prüfkriterien blieben im Herbst 2023 außerdem unerfüllt.

Noch im Januar 2024 hatte Northvolt-Chef Peter Carlsson sich in einer Finanzierungsrunde 4,5 Milliarden Euro gesichert. Unter anderem für die Begleichung von Wandelanleihen benötigte das schwedische Unternehmen allerdings mehr Geld. Rund eine Milliarde sollten allein von Volkswagen kommen – infolge von Personalwechseln bei VW änderte sich allerdings die Stimmung. Die Wolfsburger Finanzabteilung habe aus Risikogründen am liebsten ganz aus der Zellfertigung mit Northvolt aussteigen und sich auf Branchengrößen wie CATL und LG Energy verlassen wollen. PowerCo. habe indes nach einer anderen Lösung gesucht, um Northvolt am Leben zu halten, da jede Pleite eines Zellherstellers auch die Position von PowerCo. im Volkswagen-Konzern gefährdet hätte.

In der Endphase gab es noch einen Zwei-Tages-Volllasttest der Batteriezellen bei Northvolt. „Das Ergebnis war noch weit weg von der erforderlichen Qualität“, soll ein Insider berichtet haben. Im August 2024 habe Volkswagen die Finanzierungsrunde platzen lassen.

Im November vergangenen Jahres folgten dann der Insolvenzantrag nach US-Recht und der Rücktritt von Northvolt-Gründer und -CEO Carlsson. Im März 2025 meldete Northvolt Insolvenz in der Heimat Schweden an. Wenn die Produktion in Skellefteå bis Ende Juni heruntergefahren wird, könnte das das endgültige Aus für Northvolt sein.

Quellen: Automobil-Industrie – Northvolt stellt Produktion in Hauptwerk ein / Manager Magazin – Wie ein Cocktail aus Gier und Angst Northvolt zerstört hat

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Dalan:

Ja wow, dass 250ste KI Startup, dass mit etablierten wie Open AI oder Google konkurriert. Wird sicherlich so erfolgreich wie Elchwurst in Deutschland

Dalan:

Die Halle Hannover man jetzt für die traditionellen schwedischen Kompetenzen wie Elchwurst und Papierindustrie nutzen.

Oliver:

Seit Herbst haben 4500 Menschen ihre Arbeit fort verloren. Die ganze Stadt steckt in einer Depression. Hunderte Zulieferer haben keine Aufträge mehr. Aber die Chefs? CEO? Ja die haben Millionen gemacht und nehmen jetzt den nächsten Chefsjob an. Kann darüber mal geschrieben werden, und die Personen namentlich genannt mit Bild dargestellt werden. Hier in Schweden ist doch eh alles öffentlich, ich lan Gewinne, Gehälter, Vorstrafen, alles einsehen wenn ich will. Schreibt doch mal wieviel der CEO plus gegangen ist aber die normalen Arbeiter vor denn Bankrott stehen.

Robert:

Es ist halt eben doch nicht so einfach eine Batterieproduktion aus dem Boden zu stampfen, jetzt sieht es leider so aus das der Rückstand auf China und Südkorea zu groß ist und nicht mehr aufgeholt werden kann. Offensichtlich hat viel zu lange geschlafen und die Entwicklung der E-Mobilität nur zugeschaut anstatt aktiv zu gestalten.

Daniel W.:

Die Autozukunft in Europa dürfte „Made in China“ werden, denn China hat die Experten, die Rohstoffe und auch viele billige Arbeitskräfte.

Mit einem US-Präsidenten, der lieber mit Autokraten und Diktatoren befreundet ist, dürfte sich der Untergang der europäischen Autoindustrie beschleunigen.

Die große Frage ist ja, ob es 2035 beim Verbrenner-Aus in der EU noch eine nennenswerte Autoproduktion hier gibt oder nur noch den Vertrieb von Importen.

Wenn man die Artikel im Wirtschaftsteil liest, dann sieht sieht es nach einem Untergang der Autoindustrie und ihrer Zulieferer auf Raten aus.

Ob der „alte Kontinent“ noch eine Chance bei der Energie- und Verkehrswende hat oder sich ins Seniorenheim verabschiedet?

Bingo:

Peter Carlsson hat jetzt ein KI-Startup. Was für ein Tausendsassa…

Gregor:

Die Ambition war sicherlich eine Produktionslinie in China kaufen, aufbauen und Akkus produzieren.
Nur leider muss die Rohstoff Kette extrem filigran angepasst und durchgehalten werden.
Und sowas dauert sicher 3 bis 5 Jahre, bis der Ausschuss an schlechten Zellen auf erträglichem Niveau ist.
Entweder zu viel versprochen, oder Investoren gefunden (VW, BMW) die grad mal bis zum Tellerrand gucken können und dann schon im nächsten Quartal mehr Gewinn haben wollen.

Dalan:

Läuft zurzeit nicht mit den schwedischen Startups. Besser zurück zu den Wurzeln und aus der Halle eine Elchwurstfabrik oder Papierfabrik machen.

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