Verkehrswende-Radar: weniger Verkehr, mehr E-Autos

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Pkw werden in Deutschland weiterhin weniger genutzt als vor der Corona-Pandemie, obwohl die Zahl der Fahrzeuge weiter zunimmt. E-Autos werden langsam immer beliebter und günstiger, die Ladeinfrastruktur wächst vor allem bei den Schnellladern. Das und einiges mehr zeigt die erste Ausgabe des Verkehrswende-Radars, eine in Zukunft vierteljährlich erscheinende Datenanalyse des Thinktanks Agora Verkehrswende.

Im Vergleich zum vierten Quartal 2019, dem Vergleichszeitraum vor der Corona-Pandemie, lag das Pkw-Aufkommen im vierten Quartal 2024 auf Autobahnen demnach bei 96 Prozent, auf Bundesstraßen sogar nur bei 93 Prozent. Der Pkw-Bestand wuchs hingegen auf 104 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau. Dass Pkw eher stehen gelassen werden, liege unter anderem am nun beliebteren Arbeiten im Homeoffice sowie am Deutschlandticket, so Agora Verkehrswende. Ein enger Zusammenhang mit den Kraftstoffpreisen lasse sich hingegen nicht beobachten, so der Thinktank in einer aktuellen Mitteilung.

„Die Zeit des Verkehrswachstums auf deutschen Straßen scheint zu Ende zu gehen. Das zeichnete sich bereits vor einem Jahr in unseren Datenanalysen ab und zeigt sich jetzt wieder in unserem Verkehrswende-Radar“, sagt Dr. Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende. Gleichzeitig sei die Bundesregierung noch weit davon entfernt, die Rahmenbedingungen auf emissionsfreie Mobilität und Logistik auszurichten. „Ein Kurs auf Klimaneutralität in der Verkehrspolitik ist nicht nur für das Wohl der Gesellschaft unerlässlich, sondern auch für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Mobilitätsstandorts Deutschland“, so Zimmer.

Auch das Lkw-Aufkommen liege seit mehreren Quartalen unter dem Vor-Corona-Niveau (Lkw auf Autobahnen im vierten Quartal 2024: 96 Prozent; auf Bundesstraßen: 88 Prozent). Dies hänge vor allem mit der gesamtwirtschaftlichen Lage zusammen. Anders als bei Pkw hat bei Lkw ab 3,5 Tonnen aber auch der Bestand leicht abgenommen (98 Prozent).

Informationsangebot für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Neben dem Pkw- und Lkw-Aufkommen liefert der Verkehrswende-Radar Kennzahlen und Infografiken zu weiteren Aspekten: Nachfrage im öffentlichen Verkehr, Entwicklung von Fahrzeugbestand und Ladeinfrastruktur, Verfügbarkeit von Elektroautos. Die Analyse basiert hauptsächlich auf öffentlich zugänglichen Daten, zum Beispiel von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), vom Statistischen Bundesamt, vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) und vom ADAC. Bei der Aufbereitung der BASt-Daten arbeitet Agora Verkehrswende mit dem Beratungsunternehmen KCW zusammen. Ein Begleitkreis mit Expertinnen und Experten berät Agora Verkehrswende bei der Entwicklung und weiteren Umsetzung des Datenprojekts.

Dr. Philine Gaffron, Projektleiterin bei Agora Verkehrswende: „Wer den Verkehr in Deutschland zukunftsfähig machen möchte, sollte die dafür relevanten Kennzahlen im Blick haben. Mit unserem Verkehrswende-Radar wollen wir dies allen Interessierten erleichtern – sei es in der Politik, in der Wirtschaft oder in der Gesellschaft.“

Längere Strecken im öffentlichen Verkehr

Für den öffentlichen Verkehr verzeichnet der Verkehrswende-Radar einen leicht positiven Trend. Das Fahrgastaufkommen im öffentlichen Nahverkehr übertraf 2024 zeitweise das Vor-Corona-Niveau, während die Verkehrsleistung in Personenkilometern konstant darüber lag (Nahverkehr Schiene im vierten Quartal 2024: 110 Prozent; Nahverkehr Straße: 103 Prozent).

Wenn Menschen mit Bus und Bahn fahren, legen sie also mittlerweile etwas längere Wege zurück als vor der Pandemie. Der perspektivisch notwendige Zuwachs im öffentlichen Verkehr sei aber aus Sicht von Agora Verkehrswende nur mit einem massiven und langfristig gesicherten Ausbau des Angebots möglich.

Fahrzeugbestand: alternative Antriebe bei Pkw

Das Verkehrswende-Radar untersucht auch die Anteile an Pkw mit alternativen Antrieben in Relation zum Gesamtmarkt. Demnach steigt der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) am Bestand aller in Deutschland zugelassenen Pkw seit Mitte 2022 schneller als jener von Plug-in-Hybriden (PHEV). Der ohnehin geringe Anteil von Gas-Pkw sinkt in den letzten Jahren stetig, Wasserstoff-Pkw spielen bei der Antriebswende weiterhin keine Rolle.

Vom dritten zum vierten Quartal 2024 betrug die Zuwachsrate für Pkw mit alternativen Antrieben relativ zum Bestand mit der jeweiligen Antriebsart in Deutschland:

  • bei BEV-Pkw plus 4,0 Prozent (auf absolut 1,651 Millionen Autos),
  • bei PHEV-Pkw plus 1,3 Prozent (auf absolut 0,967 Millionen Autos),
  • bei Gas-Pkw minus 1,5 Prozent (auf absolut 0,373 Millionen Autos),
  • bei Wasserstoff-Pkw minus 8,9 Prozent (auf absolut 1808 Autos).

Unter den Pkw mit alternativen Antriebsarten steigt der Anteil der reinen Elektroautos am schnellsten, liegt mit 3,3 Prozent des Pkw-Gesamtbestandes jedoch weiterhin auf niedrigem Niveau. Erkennbar ist zudem ein Zusammenhang mit der staatlichen Förderung für den Kauf von Elektroautos, dem sogenannten Umweltbonus, der von 2016 bis Ende 2023 gewährt wurde (bis 2022 auch für Plug-in-Hybride) und zu Höchstzeiten fasst 10.000 Euro umfasste: Zwischen dem vierten Quartal 2023 und 2024 wuchs die Zahl der gemeldeten Elektroautos um etwa ein Sechstel auf einen Anteil von 3,3 Prozent am Gesamt-Pkw-Bestand. In den Jahren davor war der E-Auto-Anteil noch zwischen mehr als doppelt so schnell (Q4/2022 auf Q4/2023) bis sieben Mal so schnell gestiegen (Q4/2019 auf Q4/2020).

Agora Verkehrswende

Insgesamt sei es wichtig im Auge zu behalten, so der Thinktank, dass der Anteil der Elektroautos am Fahrzeugbestand im Rahmen einer erfolgreichen Antriebswende im Personenverkehr deutlich schneller wachsen werde als bisher. Gleichzeitig werde der Pkw-Bestand im Rahmen der Mobilitätswende insgesamt zurückgehen, so die Prognose. Gemäß des Szenariopfads aus der Studie Klimaneutrales Deutschland der Agora Thinktanks werde er 2030 noch etwa 48 Millionen Fahrzeuge umfassen (davon 13 Millionen oder 27 Prozent reine E-Autos) und 2035 noch etwa 44 Millionen (davon 23 Millionen oder 52 Prozent E-Autos).

Ladeinfrastruktur für E-Autos: öffentlich zugängliche Ladepunkte

Der Bestand an öffentlich zugänglichen Ladepunkten in Deutschland (alle Ladepunkte im öffentlichen Straßenraum, auf Kundenparkplätzen und auf Rastplätzen an Bundesfernstraßen), den die Analyse von Agora Verkehrswende ebenfalls berücksichtigt, hat sich seit 2019 deutlich vergrößert, zuletzt aber mit geringeren Zuwachsraten. Die Zahl der Schnellladepunkte wächst mittlerweile mehr als doppelt so schnell wie die der Normalladepunkte.

Vom dritten zum vierten Quartal 2024 betrug die Zuwachsrate für Ladepunkte relativ zum Gesamtbestand der jeweiligen Ladepunktart in Deutschland:

  • bei Normalladepunkten plus 3,3 Prozent (auf absolut 118.400 Ladepunkte),
  • bei Schnellladepunkten plus 8,8 Prozent (auf absolut 37.800 Ladepunkte).
Agora Verkehrswende

Verfügbarkeit von Elektroautos: Durchschnittspreise nach Fahrzeugklasse

Ein Vergleich der Listenpreise für Elektroautos auf dem deutschen Markt zeigt: Das Angebot wird vielfältiger und die Preise sinken. Die günstigsten E-Auto-Modelle kosten mittlerweile unter 20.000 Euro. Zudem werden auch in den größeren Segmenten Modelle angeboten, die weniger kosten als der Durchschnittspreis in darunter liegenden Klassen. Im Q1/2025 kosteten BEV-Pkw (Preise auf Hundert gerundet):

  • durchschnittlich 32.900 Euro für Kleinstwagen (günstigstes Modell: 16.900 Euro, teuerstes Modell 46.000 Euro; Basis: 23 Modelle)
  • durchschnittlich 36.200 Euro für Kleinwagen (günstigstes Modell: 23.300 Euro, teuerstes Modell 49.000 Euro: Basis: 76 Modelle)
  • durchschnittlich 46.300 Euro in der unteren Mittelklasse (günstigstes Modell: 29.000 Euro, teuerstes Modell 68.300 Euro; Basis: 281 Modelle)
  • durchschnittlich 56.200 Euro in der Mittelklasse (günstigstes Modell: 36.000 Euro, teuerstes Modell 124.300 Euro; Basis: 215 Modelle)
  • durchschnittlich 71.300 Euro in der oberen Mittelklasse (günstigstes Modell: 42.000 Euro, teuerstes Modell 146.000 Euro; Basis: 467 Modelle)
  • durchschnittlich 87.400 Euro in der Oberklasse (günstigstes Modell: 45.200 Euro, teuerstes Modell 250.000 Euro; Basis 323 Modelle)

Betrachtet man die jeweiligen Durchschnittspreise, sind Verbrenner allerdings in den meisten Klassen weiterhin günstiger als E-Autos: von minus 8 Prozent in der mittleren Oberklasse bis minus 38 Prozent bei den Kleinstwagen. Und das günstigste E-Auto kostet in jeder Klasse weiterhin mehr als das günstigste Verbrennermodell. Auch die Modellvielfalt – und somit Auswahl für verschiedene Nutzungszwecke innerhalb der Segmente – ist bei den Verbrennern größer. Sie variiert zwischen der eineinhalbfachen Modellanzahl bei Kleinstwagen und der sechsfachen Anzahl bei Kleinwagen und in der unteren Mittelklasse.

Agora Verkehrswende

Da zudem nicht nur Kaufpreise, sondern ebenso die Nutzungskosten für die Erschwinglichkeit eines Elektroautos eine Rolle spielen, lohnt sich in diesem Zusammenhang ein Blick auf den Gesamtkostenvergleich über eine typische Nutzungsdauer, bei dem eine hohe Anzahl an E-Autos trotz anfänglich höherer Kosten besser abschneidet als ein vergleichbarer Verbrenner.

Um soziale Teilhabe auch für Haushalte mit einer strukturellen Abhängigkeit vom eigenen Auto zu gewährleisten, müsse sich die Erschwinglichkeit von E-Autos vor allem in kleineren Segmenten weiter verbessern, so der Thinktank: In Deutschland gibt es viele Haushalte, die entweder bereits unter Mobilitätsarmut leiden oder davon bedroht sind, wenn Kraftstoffpreise steigen. Es handelt sich dabei um ein Problem, das durch einen oder mehrere der folgenden Faktoren entsteht: finanziell bedingte Mobilitätseinschränkungen, schlechte Erreichbarkeit von Orten des täglichen Bedarfs, unzureichende Mobilitätsangebote als Alternative zum eigenen Auto oder ein erzwungenermaßen hoher Zeitaufwand für Alltagsmobilität.

Gerade die Erschwinglichkeit der Mobilität mit einem eigenen Pkw wird für viele Nutzer:innen von Verbrennern spätestens dann deutlich zurückgehen, wenn ab 2027 auch Kraftstoffpreise dem Europäischen Emissionshandel unterliegen und das Tanken von Benzin und Diesel deutlich teurer wird. Eine Studie von Agora Energiewende und Agora Verkehrswende hat ergeben, dass ein Preisanstieg von bis zu 38 Cent pro Liter Benzin möglich ist.

Kaufanreize für E-Autos vor allem in kleinen Fahrzeugsegmenten sinnvoll

Auch im Rahmen einer erfolgreichen Verkehrswende wird der eigene Pkw weiterhin eine Rolle spielen – gerade in Räumen oder für Nutzungen, die nicht sinnvoll durch Sharing-Angebote oder andere Alternativen bedient werden können. Unter entsprechenden Gegebenheiten müsse es also auch Haushalten mit geringem Einkommen möglich sein, auf ein E-Auto umzusteigen, jetzt und in Zukunft.

Politische Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität sollten deshalb aus Sicht von Agora Verkehrswende auch darauf abzielen, E-Auto-Modelle in den kleinen Segmenten durch einkommensabhängige Kaufanreize für Haushalte mit kleinem Budget erschwinglicher zu machen.

Der Verkehrswende-Radar ist ein Informationsangebot von Agora Verkehrswende und lässt sich online bei Agora Verkehrswende aufrufen. Die Daten zu den weiteren Quartalen werden in den kommenden Ausgaben des Verkehrswende-Radars stetig aktualisiert.

Quelle: Agora Verkehrswende – Pressemitteilung vom 08.07.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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