Ganz oder gar nicht ist das Motto bei der Spedition Nanno Janssen aus Leer in Niedersachsen, die sich komplett der Elektromobilität verschrieben hat. Die Verantwortlichen dort schließen aus, weitere Diesel-Lkw in ihre Flotte aufzunehmen. Einzige Einschränkung: Das Unternehmen transportiert auch Pyrotechnik der Gefahrgutklasse 1, was mit einem Elektro-Lkw bisher größtenteils nicht erlaubt sei. 27 der insgesamt 75 firmeneigenen Lkw sind bereits heute mit Strom unterwegs, bis Jahresende soll die Zahl der E-Lkw auf 50 steigen. Mehr als die Hälfte des Fuhrparks wäre damit von Diesel- auf Elektroantrieb umgestellt.
Mitte Juni übernahm das Familienunternehmen die ersten fünf von zehn bestellten Mercedes-Benz eActros 600 im Werk Wörth am Rhein. Wenige Tage nach der Übernahme eröffnete die Spedition ihren eigenen Ladepark mit einer Netzleistung von vier Megawatt und insgesamt 20 Ladepunkten.
„Wir haben gesagt: Wir machen es nicht halbherzig, sondern richtig, und nehmen gleich unsere gesamte Flotte in den Blick. Mein Einstieg ins Unternehmen vor drei Jahren bildete die Initialzündung, um sich intensiv mit der Elektromobilität auseinanderzusetzen. Aufgrund der attraktiven Fördermöglichkeiten durch das damalige KsNI-Programm haben wir uns entschieden, 20 Elektro-Lkw auf einmal zu beantragen. Danach kamen weitere hinzu“, erklärt Nanno Janssen, Assistent der Geschäftsführung.
„Es war die richtige Entscheidung, diese Investitionen zu tätigen“, so Janssen weiter: „Dadurch haben wir die Chance, frühzeitig Erfahrungen mit Elektro-Lkw zu sammeln – und das auf den gleichen Einsatzprofilen wie Diesel-Lkw im bundesweiten Fernverkehr. Unsere Fahrer, darunter der in der Branche als Elektrotrucker bekannte Youtuber Tobias Wagner, haben die Trucks im Werk Wörth selbst abgeholt.“
Thomas Schmitt, Teamleitung E-Mobilität bei Mercedes-Benz Trucks Deutschland: „Es ist sehr beeindruckend, wie die Spedition Nanno Janssen bei der Antriebswende vorangeht und dadurch eine Vorbildfunktion für andere einnimmt. Wir haben die Fahrer des Unternehmens intensiv bei uns in Wörth mit der Technik vertraut gemacht. Gerade am Anfang gibt es viele Fragen. Entsprechend wichtig ist es, viel über die neue Technologie und ebenso über das Laden zu vermitteln. Diese Schulungen kommen sehr gut an und schaffen in der Fahrerschaft Vertrauen und Mehrwert. Den Mehrwert sehen die Fahrer klar in der hohen Effizienz des innovativen Antriebs- und Fahrzeugkonzepts. Während Diesel-Lkw in der Regel bei unseren Händlern ausgeliefert werden, findet das Gros der Übergaben unserer Elektro-Trucks in Deutschland in Wörth statt.“
„Der eActros 600 ist der neue Benchmark im Elektro-Lkw-Bereich“
Die eActros 600-Sattelzugmaschinen sind bei der Spedition Nanno Janssen erst wenige Tage im Einsatz. Doch Nanno Janssen ist bereits von den Fahrzeugen überzeugt. Der 26-Jährige steht für die fünfte Generation der Unternehmerfamilie. Die Geschäftsführung liegt in den Händen seines 58-jährigen Vaters, der den gleichen Namen trägt. „Das Fahrzeug ist der neue Benchmark im Elektro-Lkw-Bereich und hervorragend auch für die Anforderungen im Fernverkehr geeignet“, berichtet der Juniorchef. Der eActros 600 verfügt über drei Batteriepakete mit jeweils 207 kWh. Sie bieten eine installierte Gesamtkapazität von 621 kWh. Mit voller Beladung schafft der 44-Tonner gut 500 Kilometer Reichweite, bevor er wieder geladen werden muss. Spediteur Janssen lobt das Fahrzeug als effizient und sparsam. Hierzu trägt seiner Überzeugung nach auch das neue Design der ProCabin mit einer deutlich verbesserten Aerodynamik bei.
Die Jungfernfahrt zum Firmensitz in Leer traten die Fahrer ohne Auflieger an. „Wir hatten einen Verbrauch von lediglich 60 kWh auf 100 Kilometern und das Display zeigte 1000 Kilometer Restreichweite an“, erzählt Janssen. Den Ladestopp am Ladepark Seed & Greet am Autobahnkreuz Hilden in Nordrhein-Westfalen hätte sich das fünfköpfige Fahrerteam eigentlich auch sparen können. Doch zu dem Zeitpunkt war der Termin dort schon organisiert.
Elektrotrucker Tobias Wagner hatte in den sozialen Netzwerken einen Stresstest der dortigen Ladeinfrastruktur angekündigt, den die eigentlich auf Pkw ausgelegte Einrichtung des Stromanbieters Fastned mit ihren 400 kW-Ladesäulen problemlos bewältigte. Zahlreiche Interessenten und Schaulustige erwarteten die Fahrer der roten Zugmaschinen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und den Ladevorgang mitzuverfolgen.
Elektro-Lkw mitunter die ganze Woche im Fernverkehr unterwegs
Auch künftig sollen die Elektro-Lkw bei Nanno Janssen vornehmlich an öffentlichen Ladesäulen ihren Strom beziehen. Sie sind bundesweit im Fernverkehr unterwegs. Geben Disponenten bei den Laderampen naturgemäß klare Anweisungen, treffe das bei den Ladesäulen nicht zu. Das Nachladen der Akkus lässt sich nach den Erkenntnissen von Nanno Janssen nämlich nicht aus der Ferne steuern. „Wir geben unseren Fahrern mehrere Apps an die Hand, um selbst nach einer Ladesäule mit einem günstigen Tarif zu suchen“, berichtet er. Vollgeladen werde idealerweise über Nacht, zwischengeladen in den Pausen.
Die Fahrer seien größtenteils sehr schnell von ihrem Elektrofahrzeug begeistert, heißt es von der Geschäftsführung. Elektrotrucker Wagner bestätigt das: „Ich genieße jede Sekunde in dem neuen Lkw“, sagte er seiner Community auf Youtube, die inzwischen knapp 60.000 Abonnenten umfasst. Und wer bisher noch keinen Elektro-Lkw gefahren ist, lasse sich schnell elektrifizieren. „Nach spätestens zwei Wochen will keiner mehr zurück. Der Komfort ist angenehmer, die Beschleunigung besser. Fahrer schätzen die Ruhe im Fahrerhaus und machen sich beim Laden nicht die Hände schmutzig – anders als beim Tanken, wo man ölige Hände bekommt“, berichtet der Logistikprofi.
Auch wirtschaftlich gehe die Rechnung auf. Falle die Förderung weg, verhalte es sich bei den Gesamtbetriebskosten ähnlich wie beim Diesel. „Wir haben zwar deutlich höhere Anschaffungskosten, profitieren aber von niedrigeren variablen Kosten“, erzählt der Unternehmer Janssen. So komme man über die Gesamtlebensdauer auf etwa gleiche Kilometerkosten.
20 Ladepunkte und reichlich Power am neuen Ladepark in Leer
Kehren die Fahrzeuge von ihren Touren heim ins Depot, können sie auch dort aufladen: Denn am Stammsitz der Spedition in Leer steht ihnen seit Ende Juni ein großer firmeneigener Ladepark zur Verfügung. In Betrieb sind die Ladesäulen bereits seit mehreren Monaten, allerdings bisher in Verbindung mit einem „Light-Trafo“, der nun durch ein leistungsstarkes Modell mit 4 MW ersetzt wurde. Hinzu kommen ein 1,3-MW-Batteriespeicher und eine 800 kWp-Solaranlage. Die Anlage verfügt über zehn Ladesäulen zu jeweils zwei Ladepunkten à 300 kW. Damit dürfte der Ladepark ausreichend dimensioniert auch für die Zukunft und weitere Elektro-Lkw sein. Schließlich werden nie alle Fahrzeuge gleichzeitig ihren Strom beziehen, sondern die meiste Zeit unterwegs sein.
Die Spedition Nanno Janssen ist ein Mittelständler mit langer Tradition: Die in vierter und fünfter Generation von Nanno Janssen als Geschäftsführer und seinen gleichnamigen Sohn als Assistent der Geschäftsführung geleitete Spedition gibt es seit 1896. Rund 120 Mitarbeitende sind in der Zentrale in Leer beschäftigt, hinzu kommen rund 20 Beschäftigte bei der vor drei Jahren übernommenen Gesellschaft Sievers Logistics in Fulda. In der Speditionssparte bietet das Unternehmen das komplette Spektrum an Transportleistungen an, wobei der Fokus auf besonderen Transporten liegt – etwa von Maschinen, Windkraft- und Solaranlagen oder von Langgütern mit Mitnahmestapler zu Privatkunden.
Quelle: Daimler Truck – Pressemitteilung vom 09.07.2025