„Kaum erfüllbar und realitätsfern“: Widerstand gegen Euro 7 wächst

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Felix Katz
Felix Katz
  —  Lesedauer 5 min

Die geplante Euro-7-Abgasnorm scheint auf der Kippe zu stehen. Der EU-Ministerrat und das Europaparlament müssen zwar über die genauen Details noch verhandeln und sich mit der EU-Kommission auf eine gemeinsame Linie einigen, doch mehrere EU-Staaten und Autohersteller wollen eine weitere Senkung der Grenzwerte verhindern. Sie seien teilweise realitätsfremd und würden zu Wettbewerbsnachteilen führen.

Die vorgeschlagene Euro-7-Verordnung soll bis 2025 in die Tat umgesetzt werden und bisher getrennte Emissionsvorschriften für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (Euro 6) sowie Lkw und Busse (Euro VI) ersetzen. Sie bringen Emissionsgrenzwerte für alle Kraftfahrzeuge unter einen Hut. Die neuen Vorschriften sind kraftstoff- und technologieneutral und legen die gleichen Grenzen fest, unabhängig davon, ob das Fahrzeug Benzin, Diesel, Elektroantrieb oder alternative Kraftstoffe verwendet. Nicht nur neue Schadstoffe und deren Grenzwerte werden neu bemessen, sondern etwa auch Emissionen von Bremsen und Reifen sowie die Haltbarkeit von Elektro- und Verbrenner-Fahrzeugen.

Doch vielen EU-Ländern samt ihrer Autoindustrie gefällt der Vorschlag zur neuen Euro-7-Norm gar nicht. In einem gemeinsamen Positionspapier stellen Italien, Frankreich und sechs weitere EU-Länder nun klar, dass sie „jede neue Abgasvorgabe für Autos und Kleinlaster“ ablehnen. Polen hat laut Auto Bild sogar vor, gegen die neuen Emissionsregeln zu klagen. So soll Polens Klima- und Umweltministerin Anna Moskwa etwa in einem Radiointerview gesagt haben, dass die Lösung, Autos mit Verbrennungsmotor im Jahr 2035 zu verbieten, für alle europäischen Volkswirtschaften ungünstig sei.

"Kaum erfüllbar und realitätsfern": Widerstand gegen Euro 7 wächst
Aufgrund höherer Entwicklungs- und Produktionskosten könnten die Preise für Euro-7-Fahrzeuge weiter steigen | Abbildung: ACEA

Höhere Kosten, höhere Fahrzeugpreise

Tatsächlich bedeutet Euro 7 für die Autokonzerne eine finanzielle Mehrbelastung in Milliardenhöhe. Eine Studie von Frontier Economics beziffert die Mehrkosten pro Fahrzeug auf rund 2000 Euro für Pkw und Transporter mit Verbrennungsmotor und fast 12.000 Euro für Lkw und Busse mit Dieselmotor. Diese Zahlen sind vier- bis zehnmal höher als die Schätzungen der Kommission in ihrer Euro-7-Folgenabschätzung (180 bis 450 Euro für Pkw und Transporter und 2800 Euro für Lkw und Busse).

Diese Schätzungen umfassen laut dem Europäischen Automobilherstellerverband (ACEA) nur die direkten Herstellungskosten, vor allem für Ausrüstung und Investitionen. Es sei wichtig zu beachten, dass diese zusätzlichen Kosten nicht mit den Einkaufspreisen korrespondieren, sondern die Preise für die Endverbraucher noch weiter in die Höhe treiben könnten. Die Preiserhöhungen wären daher wahrscheinlich höher als die in der Studie genannten Zahlen.

Fakt ist: Mit den derzeitigen Euro-6-/VI-Vorschriften verfügt die EU über die weltweit umfassendsten und strengsten Normen für Schadstoffemissionen (wie NOx und Partikel). Dank modernster Fahrzeugtechnik sind diese Abgasemissionen bereits auf einem kaum noch messbaren Niveau.

„Die europäische Autoindustrie hat sich verpflichtet, die Emissionen zum Wohle des Klimas, der Umwelt und der Gesundheit weiter zu senken. Der Euro-7-Vorschlag ist dafür jedoch nicht der richtige Weg, da er eine extrem geringe Umweltwirkung bei extrem hohen Kosten hätte“, sagt Sigrid de Vries, Generaldirektorin des Europäischen Automobilherstellerverbandes. Und weiter: „Durch den Übergang zur Elektrifizierung werden größere Vorteile für die Umwelt und die Gesundheit erzielt, während gleichzeitig ältere Fahrzeuge auf den Straßen der EU durch hocheffiziente Euro-6-/VI-Modelle ersetzt werden.“

"Kaum erfüllbar und realitätsfern": Widerstand gegen Euro 7 wächst
Schätzungen zufolge könnten sich die Kraftstoffkosten über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs durch die Euro-7-Technik um 3,5 Prozent erhöhen | Bild: ADAC

Euro 7 könnte auch den Kraftstoffverbrauch erhöhen

Neben den direkten Kosten würde der Euro-7-Vorschlag auch indirekte Kosten verursachen, wie etwa einen höheren Kraftstoffverbrauch. Über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs könnten sich die Kraftstoffkosten um 3,5 Prozent erhöhen, was bei Langstrecken-Lkw einem Mehrbetrag von 20.000 Euro und bei Pkw sowie Lieferwagen 650 Euro entspricht. Diese indirekten Kosten – die in der Folgenabschätzung der Kommission nicht berücksichtigt werden – kommen zu den direkten Kosten hinzu. Sie würden die Gesamtkosten für den Besitz eines Fahrzeugs erhöhen und Verbraucher und Unternehmen in einer Zeit hoher Inflation und steigender Energiepreise unter zusätzlichen finanziellen Druck setzen, meint der ACEA.

Dass der Widerstand gegen Euro 7 wächst und für Unmut in der Autobranche sorgt, zeigen auch Aussagen der Hersteller. So hatte sich erst kürzlich Toyota-Europe-COO Matt Harrison beim Automotive News Europe Congress kritisch zur Euro-7-Abgasvorschrift geäußert. „Es macht keinen Sinn, den Herstellern weitere Kosten für die Einhaltung der Euro-7-Norm aufzubrummen, wenn sie bereits stark investieren, um den Plan der EU zu erfüllen, ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen herzustellen. Ich glaube nicht, dass es irgendjemandem nützt.“ Er rechnet laut Automotive News Europe nicht damit, dass die neue Norm gänzlich eingestampft wird, sondern eher damit, dass sie „etwas realistischer“ ausfällt.

Die aktuelle EU-Gesetzgebung fordert von den Autoherstellern, die durchschnittlichen CO2-Emissionen ihrer Flotten bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 2021 zu senken. Harrison schätzt, dass der Anteil der batterieelektrischen Fahrzeuge an den Toyota-Verkäufen in Europa von null im Jahr 2022 auf 15 Prozent im Jahr 2025 und auf 55 Prozent im Jahr 2030 steigen wird. Das steht exemplarisch für viele Hersteller, die sich im Großen und Ganzen bereit zeigen, ab 2035 hundert Prozent E-Autos zu verkaufen.

Quellen: Automotive News Europe – Toyota pocht auf Pragmatismus bei Euro 7 / Auto Bild – Neuer Widerstand gegen die strenge Abgasnorm Euro 7 / Handelsblatt – Strengere EU-Abgasregeln drohen zu scheitern / ACEA – Euro 7: Direct costs 4 to 10 times higher than European Commission estimates, new study reveals / ADAC – Euro-7-Abgasnorm: Die geplante Reform im ADAC Check

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Felix Katz

Felix Katz

Felix Katz liebt alles, was vier Räder und einen oder gleich mehrere Motoren hat. Nicht nur Verbrenner, sondern vor allem Elektroautos haben es ihm angetan. Als freiberuflicher Autojournalist stromert er nicht nur fast jeden Tag umher, sondern arbeitet seit über zehn Jahren für viele renommierte (Fach-)Medien und begleitet den Mobilitätswandel seit Tag eins mit.
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Bigdaddyota58:

…. Weil es schlicht weg eine Falschmeldung und Irreführung der dortigen Parteiführung ist.
Keine Fragen oder Kritik erlaubt, Umsetzung unglaubwürdig bis schlicht nicht nachprüfbar.
Also wieso mit einem Europäischen System vergleichen?

Aber in der Story zu eAutomobilität und dem Leben danach gelten ehe der Hype darum und die unsägliche Borniertheit der Politik vor den Fakten als grösster Nachteil für Europa.

Thomas Werner:

„…. und würden zu Wettbewerbsnachteilen führen.“
WTF! Ich kann mir nicht vorstellen das Euro 7 nur für europäische Automobilhersteller gilt.

Walter:

Ich verstehe nicht, dass die Gesellschaft bereit ist in ×Jahren in Europa (schätze so 30 – 40 Jahre), zirka 340 Millionen Verbrenner zu vernichten, damit alle mit E-Autos rumkurven. Was für ein Verbrauch an Material und Energie, nur um alle diese Autos herzustellen. AUSSERDEM geht es um die Drosselung von CO2 oder doch nur ums Verkaufen von neuen E-Autos ?
Wird dann das Klima so lange warten ?
Dabei könnte man, wenn die Politiker wollten, in einem Jahr mit HVO 100 schon Millionen Tonnen CO2 einsparen bei den Dieselstinkern. Hat da jemand Angst vor dieser Brückentechnologie und vielleicht entwickelt sich daraus mehr ????
Wer E-Auto fahren will, der soll und soll auch die Möglichkeit haben. Doch zu suggerieren das E-Auto sei die Lösung ist ein sehr fragliches Vorgehen

Farnsworth:

Und warum hat man dann in den letzten Jahren überhaupt noch Verbrenner-Plattformen entwickelt? Und warum hat man nicht in deutsche Batteriefabriken investiert? Weil man es nicht wollte.

Das Problem ist hausgemacht. Andere Hersteller sind in der Lage zu liefern.

Farnsworth

brainDotExe:

niemand hindert die Autobauer daran schon heute komplett auf Elekro umzustellen und durch Skaleneffekte die Presie für E-Autos massiv zu senken

Es gibt nicht genug Akkuzellen um kurzfristig die komplette Produktion umzustellen.

Ganz abgesehen davon, dass man nicht von heute auf morgen neue Modelle/Generationen entwickelt. Das dauert in der Regel 5-7 Jahre.

Robert:

und nicht vergessen in Kalifornien sind schon heute die NOx Emissionen dreimal niederiger als bei Euro 7 und dort geht es seltsamerweise auch das deutsche Auto diese deutlich strengere Grenzwerte einhalten können. Aber macht nur so weiter dann wird es in wenigen Jahren eine europöische autoindustrie mehr geben und dann ist das geheule laut niemand hindert die Autobauer daran schon heute komplett auf Elekro umzustellen und durch Skaleneffekte die Presie für E-Autos massiv zu senken

Johannes:

Realitätsfern ist es eher bei dem bereits eingetretenen Extremwetter weiter auf das Verbrennen von Benzin und Diesel zu setzen

Oliver:

Das klingt so als wäre EURO 7 ganz neu. Ist doch schon lange bekannt, dass diese kommt. Und jetzt wieder das rumheulen der Autoindustrie. Man hat sich die letzten Jahre doch die Taschen voll gemacht . Hoffentlich bleibt man standhaft mit der Einführung!

Felix:

Fakt ist: Mit den derzeitigen Euro-6-/VI-Vorschriften verfügt die EU über die weltweit umfassendsten und strengsten Normen für Schadstoffemissionen (wie NOx und Partikel). Dank modernster Fahrzeugtechnik sind diese Abgasemissionen bereits auf einem kaum noch messbaren Niveau.

Das ist doch der springende Punkt: Ja, Euro-6 würde genügen, wenn sie denn in ausreichendem Maße Anwendung fände. Durch Temperaturfenster und Hochlaufzeiten kommt sie allerdings selten zum Tragen. Dies wird nun (endlich!) korrigiert.

brainDotExe:

warum ist das in China möglich und in Europa nicht. Kann es sein, dass wir Europäer technologisch bereits den Anschluss an die Chinesen verloren haben?

Ich wüsste jetzt nicht, dass die Chinesen Verbrennungsmotoren bauen, welche mit unseren leistungstechnisch mithalten können.

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