Chinesische Automarken in Deutschland: Willkommene Lückenfüller

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Jürgen Wolff
Jürgen Wolff
  —  Lesedauer 7 min

Es ist der dritte Anlauf. Nachdem in der Vergangenheit bereits einige Versuche chinesischer Autobauer gescheitert sind, auf dem europäischen Markt ein Rad auf die Straße zu bekommen, scheint es jetzt zu klappen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen stimmen anders als früher nun auch Design, Verarbeitung und Fahrzeugsicherheit. Zudem ist der Automarkt mitten in einem radikalen Wechsel weg vom Verbrenner hin zur Elektromobilität – und da sind die Hersteller aus Fernost technisch wie logistisch deutlich besser aufgestellt als die deutschen Autofirmen. Aber ein weiterer Faktor ist inzwischen dazu gekommen: Die ihrer Marke einst so loyalen Händler sind von Volkswagen, Mercedes & Co. in den vergangenen Monaten so verärgert worden, dass sie ihre Verkaufsräume mehr und mehr auch der chinesischen Konkurrenz öffnen.

Das Zerwürfnis zwischen Autoherstellern und selbst langjährigen Autohändlern ist tief. Die deutschen Markenhändler von Mercedes beispielsweise machten ihrem Ärger über die Luxusstrategie und Preispolitik der Stuttgarter im Sommer mit einem geharnischten Wutbrief ihres Verbandes Luft. Die Preise seien zu hoch, die Qualität zu niedrig. Reihenweise seien die Neuwagenkunden auf dem Absprung zur Konkurrenz. Der Konzern sei „von Gier“ getrieben. Eskaliert wird die Wut der bislang frei agierenden Händler noch dadurch, dass Mercedes sie zu Agenturen und bloßen Weisungsempfängern degradieren wolle.

Bei anderen deutschen Markenhändlern ist die Stimmung nicht besser. Auch VW und BMW streichen ihre Händlernetze zusammen. VW etwa hatte 2015 noch rund 1250 Handelsbetriebe in Deutschland. Anfang des Jahres waren es noch 740, mit dem Auslaufen von Zeitverträgen wird seit März weiter ausgesiebt. Die Hersteller wollen selbst mehr Kontrolle, eigene Kontakte zu und Informationen über die Kunden – das, was das Pfund ausmachte, mit dem die Händler vor Ort ihre Geschäfte machen. Zudem verärgert auch bei VW eine forsche Preispolitik die Händler. Ziel sei die Verdoppelung des Überschusses von derzeit 3,6 auf 6,5 Prozent, heißt es im Konzern. Das Manager Magazin zitiert einen anonymen VW-Händler: „Der Hersteller hat jeglichen Bezug zur Realität verloren.“

Den chinesischen Herstellern kommt das wie gerufen – sie bauen ihre Händlernetze rasant auf bestehenden Strukturen aus oder finden ganz neue Vertriebswege. Insgesamt rechnen die Automobilexperten der TU Chemnitz 2023 mit dem Import von etwa 600.000 Autos aus China nach Europa. 2025 seien bereits 1,1 Millionen zu erwarten. Der weit überwiegende Teil davon: reine Elektroautos. 2025 könnte dann jeder vierte Stromer aus China kommen. Ein Blick in die Details lohnt sich also.

BYD baut seine Präsenz massiv aus

Nicht nur, aber vor allem BYD (Build Your Dreams) stößt in diese Lücke des Unmuts vor – etwa indem man bei den neuen Händlern großzügig Geld für Um- und Ausbau zuschießt. In China hat BYD bereits VW vom Thron der meistverkauften Automarke gestürzt. Auch in Deutschland setzen die Chinesen auf Expansion: 2026 will BYD allein in der Bundesrepublik 126.000 Neuwagen verkaufen, mehr als doppelt so viele wie Tesla heute nach gut zehn Jahren im Markt.

Nicht ohne Stolz listet BYD bereits sieben große Autohandelsguppen auf, unter deren Dach man künftig vertreten sein wird und die bereits alle Regionen Deutschlands abdecken sollen: Sternauto, Sternpartner, Riess, Torpedo, Senger, Reisacher, Glinicke.

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BYD

Sternauto ist eine der größten Automobilhandelsgruppen Deutschlands, vertreten in sechs Bundesländern an 23 Standorten im Raum Berlin, Dresden, Leipzig, Magdeburg, Rostock, Schwerin, Erfurt und Potsdam. Neben vor allem Mercedes bietet Sternauto auch Grenadier und nun eben BYD an. Sternpartner ist der größte Mercedes-Benz Vertreter in Norddeutschland mit 18 Standorten zwischen Hamburg, Bremen und Hannover. In zehn Standorten quer durch Baden-Württemberg verkauft Riess neben Mercedes und BYD unter anderem Geländewagen von Grenadier. Neben Mercedes und nun BYD finden sich auch Land Rover und Hyundai im Portfolio der Torpedo-Gruppe, die auf 21 Standorte in Rheinland-Pfalz und Ostdeutschland kommt. Die Senger Gruppe ist mit 50 Betrieben an 39 Standorten vor allem in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz vertreten und verkauft die Fahrzeuge von elf Marken von Mercedes über VW bis BYD und Seat. Reisacher handelt an sechs Standorten zwischen Ulm und Landsberg traditionell mit BMW und Mini und hat nun auch BYD im Portfolio. Die Glinicke-Gruppe hat an 14 Standorten von Bielefeld bis Weimar 16 Automarken vom VW bis Fiat in den Verkaufsräumen – darunter mit MG und BYD zwei chinesische Marken.

Ora hat bereits mehr als 160 Standorte in Deutschland

Neben BYD drängt Ora auf den deutschen Markt, importiert von der Schweizer Emil Frey-Gruppe, die nicht nur ihre Händler dafür nutzen will. Frey selbst bietet bundesweit an 74 Standorten fast alle Automarken an von Aston Martin und Bentley über BMW, Citroën, Fiat und Ford bis zu Nissan, Mazda, Mitsubishi, Opel, Peugeot oder Subaru, Volvo und Volkswagen. Die Elektroauto-Marke des Konzerns Great Wall Motor (GWM) aus dem chinesischen Baoding ist seit Januar 2023 in Deutschland und hat aktuell 161 Händlerstandorte bundesweit – alles Mehrmarkenhändler wie das Autohaus Mommerskamp in Mönchengladbach, das vor allem Mitsubishi und Honda verkauft. Oder die Schwabengarage mit 11 Standorten in und um Stuttgart.

Geplant sind bei Ora Vertragshändler an 200 Standorten. Die Investitionen der Händler sollen im unteren fünfstelligen Bereich liegen. Das erste Fahrzeug im Angebot nennt sich Ora Funky Cat und kostet ab 38.990 Euro.

Wey: „Coffee“ kommt per App

Bei der zweiten chinesische Automarke von Great Wall Motor, die nach Deutschland kommt, tritt GWM selbst als Importeur auf. Zum Start gibt es die beiden SUV Coffee 01 und Coffee 02. Der Coffee 01 kostet ab rund 56.000 Euro und wird von einem Plug-In-Hybriden angetrieben. Während Ora über ein klassisches Händlernetz verkauft wird, setzt Great Wall bei Wey auf ein Agentursystem und den Verkauf per App, Emil Frey fungiert als Agent.

Insgesamt plant GWM für Wey 60 Standorte in Deutschland. Dazu kommt ein „Brand Experience Center“ in Berlin, das Great Wall Motor Deutschland selbst betreibt. Emil Frey will neun weitere Standorte in großen Städten betreiben, so genannte „Studios“. Ganz funktioniert das System allerdings wohl noch nicht: Rund ein Jahr nach den Ankündigungen ist offenbar unklar, wie der Vertrieb bei Wey tatsächlich funktionieren soll. Im Juni 2023 etwa wurden gerade mal sechs Coffee 01 zugelassen.

MGs Konzept scheint zu funktionieren

Auch MG bietet seine Elektroauto bereits über ein deutschlandweites Netz von gut 130 etablierten Mehrmarkenhändlern an, darunter so renommierte Häuser wie der Mercedes-Händler und Tuner Lorinser im schwäbischen Waiblingen. Unter der einst britischen Traditionsmarke MG bietet die chinesische SAIC Motor Corporation aktuell fünf elektrifizierte SUV an.

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MG

MG setzt wie Wey beim Handel auf ein Agentursystem: Die Fahrzeuge im Schauraum und Ausstellungsbereich des Händlers bleiben Eigentum von MG. Auch die Vorführwagen werden von MG zentral gesteuert und sind auf den Hersteller zugelassen. Der Händler berät den Kunden, vereinbart die Probefahrt, nimmt gegebenenfalls ein Altfahrzeug in Zahlung und lässt das neue Auto zu. Dafür bekommt er von MG eine Provision. Das Konzept scheint zu funktionieren: Im vergangenen Jahr setzte MG in Deutschland 15.684 ab.

Nio liefert frei Haus

Nio verkauft seine Fahrzeuge über das Internet, geliefert wird frei Haus. Ein Händlernetz gibt es nicht, geplant sind aber Flagship-Stores, von denen es aktuell drei gibt. Inspektion, Wartung und Service erfolgt über den Dienstleister G.A.S.. Bei Bedarf werden die Autos zuhause abgeholt und gebracht, bei längerem Werkstattaufenthalt wird ein Ersatzfahrzeug gestellt. Im Angebot sind fünf Modelle, SUV, Limousinen und Kombi. Das Besondere an den Fahrzeugen: Neben dem Aufladen an der Steckdose kann in speziellen Stationen auch gleich die leere Batterie gegen eine volle ausgewechselt werden. Bis 2025 sind 15 Stationen geplant.

Aiways in der Schwebe

Aiways verkauft seine beiden elektrischen SUV-Modelle aktuell ausschließlich über seine Website.Der stationäre Deutschland Vertrieb von wird gerade neu verhandelt„, heißt es. Die Auslieferung der bestellten Fahrzeuge werde über die bis dann feststehenden Partner erfolgen. Das europäische Vertriebszentrum ist in München. Den Service wickelt Aiways über ATU ab.

Lynk & Co ruft zum Meetingpoint

Wie Volvo gehört Lynk & Co zum chinesischen Geely-Konzern. Für 46.000 Euro kann man den SUV zwar auch kaufen. Angeboten wird der Lynk & Co 01, ein Plug-in-Hybrid, aber vor allem zur Miete über eine monatlich kündbare Club-Mitgliedschaft. Für einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von aktuell 600 Euro gibt es das Fahrzeug selbst, dazu Versicherung, Wartung und Winterreifen. Tanken und Waschen gehen extra. Vier schicke Clubs mit Abholmöglichkeit gibt es in Berlin, Hamburg, München und Düsseldorf, sogenannte Meetingpoints zusätzlich in Frankfurt, Stuttgart und Köln. Für den Service sind 66 Werkstätten bundesweit zuständig, allesamt in lokalen Autohäusern.

Solange die Händler- und Werkstattnetze noch nicht wirklich dicht geknüpft sind, spielt die Garantie für die Chinamodelle eine nicht ganz unwichtige Rolle. Alle BYD-Pkw-Modelle etwa haben sechs Jahren Herstellergarantie (oder für eine maximale Laufleistung von 150.000 Kilometer). Die Garantie für die Batterie beträgt acht Jahre oder eine maximale Laufleistung von 200.000 Kilometer. Ora gewährt fünf Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung und acht Jahre für die Batterie (bis maximal 160.000 Kilometer). Die Neufahrzeuge von MG bieten sieben Jahre Garantie (bis maximal 150.000 Kilometer Laufleistung). Zum Vergleich: Volkswagen gibt auf den ID.3 eine Garantie von zwei Jahren. Für die Batterie gelten acht Jahre oder 160.000 Kilometer Fahrleistung.

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Jürgen Wolff

Jürgen Wolff

Jürgen bewegt sich im Umfeld der E-Mobilität und gibt in seinen Fahrberichten Einblicke auf den tagtäglichen Einsatz von E-Autos als auch Plug-In-Hybriden. Er selbst ist für press:inform tätig.
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panibodo:

„… für keinen besonderen technischen Mehrwert“. Woher weißt du das denn? Wer heute schon ein chinesisches E-Auto KAUFT, begeht nach meiner festen Überzeugung einen ganz großen Fehler. Leasing- why not, wenn einem Deutsche und europäische Arbeitsplätze egal sind.

Thomas:

Ich kann es den deutschen Markenhändlern nachfühlen

Wo liegt denn der Vorteil als Käufer bei Audi/Mercedes/Bmw wenn eine Preisdifferenz von mehreren tausend Euros aufscheint für keinen besonderen technischen Mehrwert.
Ich rede nicht davon wenn ich ein Fan dieser Marken bin dann bezahle ich das einfach(wenn ich es mir leisten kann oder will)
Bei mir haben sie definitifv verspielt

Gerd:

Das im Q1 international meistverkaufte Auto ist komplett ohne Händlerorganisation verkauft worden. Und selbst in D wird es in 5 Jahren keine lokalen Händler mehr geben. Bestenfalls noch überregionale Outlet-Agenten.

Marc:

Richtig ist, dass die deutschen Hersteller aufpassen müssen, mit ihrem Asset, dem Händler- und Werkstattnetz, sorgfältig umzugehen. Da gibt es immer mal Wellen, je nach Hersteller, wo es ruppiger wird.

Andererseits wollen die chinesischen Hersteller Stützpunkte haben und sind bereit, den Händlern bei den Konditionen entgegen zu kommen. Dass Händler einsteigen wäre also auch nicht zu verhindern, wenn man ein Superverhältnis hätte.

Nur hilft das Netz dem Chinakäufer nichts, z.B. Reparaturen in der Tiefe sind nicht vorgesehen. Einen Akku der chinesischen Fabrikate kann und darf in Deutschland keine Werkstatt öffnen. Spezialwerkzeuge wird kein Händler kaufen, um im Jahr ein Fahrzeug damit zu warten. Ebenso ist es deutlich schwieriger, Ersatzteile heranzubekommen. Einen Kotflügel für den ID.4 oder 5 hat man am nächsten Tag, für den BYD Atto garantiert noch nicht einmal im nächsten Monat.

Aber so war das schon vor 50 Jahren mit den ersten japanischen Automobilen und vor 30 Jahren mit dem ersten koreanischen Automobilen. Der Unterschied jetzt ist nur, damals hatte man beim Kauf deutlich mehr fürs Geld bekommen, die Fahrzeuge waren etwa 25-35 % günstiger und jetzt sind sie etwa gleich teuer. Genau deshalb sind die Verkaufszahlen von BYD eben so wie sie sind – minimal.

KaiGo:

Gut für den Kunden, wenn die chinesischen Hersteller das bestehende Vertriebs- und Werkstattnetz nutzen, weil es sich die etablierten Hersteller mit den Händlern verscherzen. Geben VW & Co ein weiteres Pfand aus der Hand. Die meisten kaufen ihr Auto halt beim lokalen Händler ihres Vertrauens. Online Kauf macht dann doch vielen Bauchschmerzen bei den Summen.

Robert:

das ist mir auch schon aufgefallen das an verschiedenen Autohäusern schon verschidene Marken und zunehmend Chineschische Autohersteller vertreten sind durch die Ploitik der Autokonzerne ihren Händlern gegnüber wird hier Tür & Tor weit geöffnet für die neuen Autoherstellern sie können sich dadurch relativ schnell am Markt etablieren

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