Wie die EU die Strafzölle auf chinesische E-Autos berechnet

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Sebastian Henßler
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  —  Lesedauer 3 min

Die Europäische Kommission hat am Donnerstag die Ergebnisse ihrer neunmonatigen Untersuchung des chinesischen Marktes für Elektroautos veröffentlicht. Der Bericht liefert detaillierte Einblicke, wie die Kommission die Strafzölle berechnet und welche Beweise sie gesammelt hat, um ihren bisher prominentesten Handelsfall zu untermauern.

Der Bericht zeigt eine mangelnde Kooperationsbereitschaft der chinesischen Regierung und des staatlichen Autoherstellers SAIC. Diese Weigerung zur Zusammenarbeit rechtfertige den höchsten Strafzollsatz von 37,6 Prozent für SAIC, wie Reuters berichtet. Andere chinesische Autohersteller wie BYD und Geely wurden mit niedrigeren Zollsätzen von 17,4 Prozent beziehungsweise 19,9 Prozent belegt, da sie sich kooperativer gezeigt haben.

Diese vorläufigen Zölle auf chinesische Elektroautos, die seit Freitag in Kraft sind, haben bereits Spannungen mit Peking verschärft, das mit Vergeltungsmaßnahmen droht. Der Bericht wird wahrscheinlich auch Teil der Verteidigung der Kommission sein, sollte die chinesische Regierung bei der Welthandelsorganisation (WTO) Beschwerde einlegen.

Laut dem Bericht hindert die strenge Kontrolle der chinesischen Regierung ihre Autohersteller daran, als rationale Marktteilnehmer zu agieren, die Gewinne maximieren wollen. Stattdessen zwingt sie diese, als verlängerter Arm der Regierung zu fungieren. Daraus folge, dass die „Bedrohung durch materiellen Schaden“ für die europäischen Autohersteller „klar vorhersehbar und unmittelbar“ sei. Der Bericht enthält ähnliche Aussagen wie ein längerer Bericht der Kommission aus dem April, der die Eingriffe der chinesischen Regierung in ihre Wirtschaft und strategischen Industrien behandelt. Analysten sehen darin die Grundlage für zukünftige Handelsfälle, da Brüssel seine Haltung gegenüber Peking verschärft.

Die Untersuchung ergab, dass die Subventionen für chinesische Autohersteller in Form von günstigen Krediten, billigem Land und direkten Anreizen für den Verkauf von Elektroautos erfolgten. Zudem erhielten sie Unterstützung bei den Kosten für Batterien, dem teuersten Teil eines Elektroautos. SAIC und Geely haben demnach Zugang zu Batterien zu „weniger als angemessener Vergütung“, während BYD, das seine eigenen Batterien herstellt, Zugang zu subventionierten Batteriematerialien hat, vor allem Lithium.

So berechnen sich die Strafzölle von SAIC – exemplarische Betrachtung

Besonders aufschlussreich ist der detaillierte Überblick über die Hauptarten der staatlichen Subventionen nach Unternehmen, die die Grundlage für die jeweiligen Zollsätze bilden. Bei SAIC schätzt die EU die Subventionen auf insgesamt 34,4 Prozent. Diese setzen sich zusammen aus 1,38 Prozent für Kredite von staatlichen Banken, 8,27 Prozent für andere Finanzierungsformen, 8,56 Prozent in Form von Zuschüssen, 2,28 Prozent für Verkaufsanreize für Elektroautos, 0,67 Prozent für billiges Land und 13,24 Prozent für unterbewertete Batterien. Für BYD summieren sich die Subventionen in denselben Kategorien auf 15,1 Prozent und für Geely auf 19,72 Prozent.

Die chinesische Regierung hat sich demnach darüber beschwert, dass die EU-Kommission während ihrer Subventionsuntersuchung eine beispiellose Menge an detaillierten Informationen über die Lieferketten chinesischer Autohersteller angefordert hat. Der Bericht dokumentiert jedoch umfangreiche Auseinandersetzungen, bei denen Peking entweder die Zusammenarbeit verweigerte oder grundlegende Informationen, wie die Anzahl der in China registrierten Elektroautos, nicht zur Verfügung stellte.

Ferner erläutert der Bericht Ausweichmanöver von SAIC, das angab, die angeforderten Informationen nicht liefern zu können. Chinesische Finanzinstitute, die SAIC, BYD und Geely Geld leihen, gaben keine Bewertung der Kreditwürdigkeit ab, sodass die Kommission ihre eigene Untersuchung durchführte. Die drei Autohersteller erhielten alle Spitzenbewertungen von chinesischen staatlichen Ratingagenturen, was zu niedrigeren Zinssätzen führte.

Nun gibt es zwei mögliche Varianten: Entweder die EU und China einigen sich binnen vier Monaten auf eine alternative Lösung – Smart-Europachef Dirk Adelmann hatte beispielsweise eine Quotenregelung ins Spiel gebracht. Oder: Die EU legt einen Vorschlag für die endgültige Einführung von Strafzöllen vor, weil die Verhandlungen nicht wie erhofft verlaufen. Vor allem die deutschen Automobilhersteller, aber auch der Verband der Automobilindustrie, haben die Sorge, dass die Strafzölle zu chinesischen Gegenmaßnahmen führen, die Europas Autobauer wiederum empfindlich treffen könnten. Ein Verlierer wären wohl die Verbraucher, denn das Angebot an erschwinglicheren Elektroautos würde zumindest erst einmal wieder einen Dämpfer erfahren.

Quelle: Reuters – EU lays out its China EV tariff calculations

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Spiritogre:

„Ein Verlierer wären wohl die Verbraucher, denn das Angebot an erschwinglicheren Elektroautos würde zumindest erst einmal wieder einen Dämpfer erfahren.“

Das ist eine Meinung und noch dazu deutlich eine falsche. Die chinesischen Autos werden keinen Cent teurer werden, vor allem sind sie ohnehin nicht günstig.

Philipp:

Danke für diese Info.

Ich hoffe manche Leser verstehen jetzt etwas genauer, warum die Zölle notwendig sind und welche unfairen Praktiken vorliegen.

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