VW-Chef Herbert Diess: „Verkehr durch grüne Elektrifizierung dekarbonisieren“ 

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IAA New Mobility

Felix Katz
Felix Katz
  —  Lesedauer 8 min

Der Klimawandel ist sicherlich die größte Herausforderung der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten. Durch das nahezu ungebremste Verbrennen von Kohle, Öl und Gas – zu großen Teilen zurückzuführen auf  den Transportsektor – werde der Klimawandel zunehmend beschleunigt. „Um die individuelle Mobilität zu sichern, müssen wir den Verkehrssektor durch Elektrifizierung mit grüner Energie dekarbonisieren, was eine schnelle sektorübergreifende Arbeit und Abstimmung erfordert“, erklärte VW-Vorstandsvorsitzender Herbert Diess im Rahmen einer Keynote der Münchener Leitmesse „IAA New Mobility“ Anfang September.

Unsere Generation „sitzt jetzt an den Hebeln der Macht und kann den Wandel vorantreiben“, leitet der VW-Chef seinen Vortrag ein. Jene trage auch die Verantwortung dafür, dass künftige Generationen auf diesem Planeten in Frieden sowie sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit leben können. Der Topmanager übt jedoch Kritik an der Vorgehensweise und spricht von inkonsequentem Handeln, da dem Klimawandel deutlich mehr entgegen gesetzt werden könne.

So seien bereits viele technische Konzepte einsatzbereit – die Politik müssen sie nur wollen und tatkräftig unterstützen. Dazu heißt es: „Ziel muss es sein, den verursachten Klimawandel zu begrenzen und dabei die Lebensqualität für alle Menschen weltweit zu erhalten oder zu verbessern“. 16 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen seien auf den Transportsektor zurückzuführen. Im Wesentlichen durch die Verbrennung von knapp zwei Dritteln des weltweiten Ölverbrauchs, aber auch durch die Herstellung der PKW, LKW und Schiffen, die für den Transport verwendet werden. Dazu zähle nicht nur der Personentransport, sondern auch der Individualverkehr mit Gütern, Schiffen und Flugzeugen. Diess gibt zu: „Volkswagen ist hier ein bedeutender Marktteilnehmer“. Und damit hat er auf jeden Fall recht: Volkswagen verkauft jährlich gut zehn Millionen Autos, dank der Übernahme von Navistar sei der Konzern nun auch der zweitgrößte LKW-Hersteller der Welt und 80 Prozent der Hochseeschiffe fahren mit Motoren von MAN.

„Der Transportsektor muss dekarbonisiert werden, ohne dass die Weltwirtschaft Schaden nimmt“

Diess, als Chef eines der größten Automobilkonzerne der Welt, möchte natürlich nicht, dass wir alle zu Fuß gehen: „Ein besonderes Anliegen ist es uns, dass wir für die Menschen die individuelle Mobilität, die Bewegungsfreiheit mit dem Auto, erhalten und diese erschwinglich bleibt“. Vor allem, weil es ein Grundbedürfnis des Menschen sei, beweglich zu sein. Die noch andauernde Corona-Pandemie hätte uns das allen mehr als deutlich gezeigt. Volkswagen habe es sich zum Hauptziel gemacht, so schnell wie möglich Co2-Emissionen zu reduzieren, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen – Stichwort: „Way to Zero“.

Damit gemeint ist nicht nur die schrittweise zunehmende Elektrifizierung von Autos und auch Nutzfahrzeugen: „Wir beginnen jetzt mit der Umstellung unserer Schiffsdieselmotoren von MAN ES auf Flüssig-Erdgas. Ein Vorläufer für die spätere Nutzung von synthetischen Kraftstoffen aus Wind- und Sonnenenergie, gibt Diess bekannt. Und weiter: „Unsere Gesamt-Emissionen der Pkw und leichten Nutzfahrzeugflotte reduzieren wir bis 2030 um 30 Prozent im Vergleich zu 2018. Eine Verringerung um rund 14 Tonnen von rund 47 Tonnen pro Fahrzeug. Insbesondere durch die Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotten. Im Jahr 2030 werden nahezu 70 Prozent unserer verkauften Autos in Europa elektrisch sein.“

Doch auch ein ID.3 habe heute immer noch einen CO2-Footprint über den Lebenszyklus von 27 Tonnen im europäischen Energiemix. Dieser setze sich wie folgt zusammen:
13,1 Tonnen entfallen auf die Umstellung auf Grünstrom im Werk sowie der Batteriezellfertigung, für die Nutzung und Wartung des ID.3 werden 13,9 Tonnen fällig. Herbert Diess ist sich sicher: „Durch das Laden mit Grünstrom kann dieser auf nahezu Null gebracht werden. In den meisten europäischen Ländern wie Norwegen, Schweden und der Schweiz fährt der ID.3 bereits mit Ökostrom.“

 

Herbert Diess: "Wir müssen den Verkehr durch grüne Elektrifizierung dekarbonisieren" 
Volkswagen AG

Vorrausetzung für eine Dekarbonisierung des Verkehrs sei die Verfügbarkeit von grünem Strom aus Sonne und Wind. Doch können die Kosten für die Dekarbonisierung hoch sein und von Sektor zu Sektor variieren. Besonders schwierig und teuer werde es demzufolge in Bereichen, die nicht so einfach elektrifiziert werden können. Dazu zählen etwa Hochtemperaturprozesse, die Stahl-, Zement-, und Chemieindustrie sowie die bereits genannte Luft- und Schifffahrt.

Ganz stolz zeigte sich der VW-Chef über das Stadt-eigene Kraftwerk, das als Blaupause verstanden werden darf: „Unser Kraftwerk in Wolfsburg produziert Strom für das Werk und Fernwärme für die Stadt Wolfsburg. Wir stellen es derzeit von Kohle auf Gas um. Das spart 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr“. Das entspreche dem jährlichen Ausstoß von 870.000 Autos. Zudem arbeite die Konzernmarke MAN ES bereits an einer innovativen Technologie, mit der Fernwärme aus fossilen Kraftwerken ersetzt werden könne. Ein Pilotprojekt im dänischen Esbjerg bringe schon erste Erfolge: Eine Wärmepumpen-Anlage mit einer Heizleistung von 50 Mega-Watt soll jährlich rund 100.000 Einwohner mit rund  235.000 MWh Wärme versorgen. So würden jährlich weitere 100.000 Tonnen CO2 eingespart, was dem Ausstoß von 55.000 Autos gleich käme. Nicht zu vergessen sind allerdings unvermeidbare Restemissionen, für die es noch keine technischen oder wirtschaftlichen Lösungen gibt. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen müsste weiteres CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden – auch genannt „Carbon Capturing“, heißt es weiter.

Die CO2-Reduzierung sei ohne Reduktion des Lebensstandards möglich

„Der Fortschritt bei der Dekarbonisierung ist heute in einzelnen Volkswirtschaften sehr unterschiedlich“, wie Diess weiter erzählt. Nach seinen Angaben läge Deutschland bei 8,4 Tonnen CO2 pro Kopf, China bei etwa sieben Tonnen und die USA bei 16 Tonnen. Schweden gelte als Vorzeige-Land, weil sie besonders schnell auf eine CO2-freie Energieerzeugung umgestellt haben und einen hohen CO2-Preis eingeführt haben, was folglich zu einer Präferenzen-Verschiebung von Verbrauchern geführt habe. Der CO2-Ausstoß betrage hier nur 4,2 Tonnen pro Kopf, ohne dass der Lebensstandard beeinträchtigt würde. Und trotz dieser Maßnahmen ist es eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Europa.

Könnte Deutschland mittelfristig den CO2-Fußabdruck von rund 8,4 Tonnen auf drei bis vier Tonnen reduzieren, so würden die Kosten, um Klimaneutralität zu erreichen, nach Diess etwa 300 bis 400 Euro pro Jahr für das Capturing betragen, was umgerechnet etwa 1 Euro pro Tag für jeden Einwohner sei. Der Volkswagen-CEO hält dies für eine „kleine Summe“ im Vergleich zu den möglichen „Schreckenszenarien“, wenn wir nicht handeln würden. Das Problem seien aber weiterhin die weltweiten Subventionen in fossile Technologien, die zudem viel höher seien als die Investitionen in erneuerbare Energien. Die „zögerliche politische Umsteuerung bei den Subventionssystemen“  verlangsame den wirtschaftlichen Wandel. Diess ist sich sicher: „Die CO2-Reduzierung ist möglich, ohne dass wir unseren Lebensstandard aufgeben. Wir fliegen weiter in den Urlaub – vielleicht etwas teurer. (…) Und wir sind mobil – mit CO2-freien Autos und Flugzeugen mit synthetischen Kraftstoffen„. Ganze Ökosysteme können klimaneutral werden, wie einige weltweite Projekte bereits zeigen sollen.

Ein privat oder geschäftlich genutztes Auto ist heute eines der am schlechtesten ausgelasteten Güter der Welt – auch dieser Meinung ist der Konzern-Boss. Es werde durchschnittlich nur rund eine Stunde am Tag genutzt und stehe den Rest der Zeit nur herum. Das Problem: „Der Lebenszyklus ist dadurch sehr lang. Die Konsequenz: Wenig umweltfreundliche, veraltete Technologien werden zu lange im Straßenverkehr eingesetzt“. Eine verbesserte Nutzung würde den Wandel beschleunigen.

 

Herbert Diess: "Wir müssen den Verkehr durch grüne Elektrifizierung dekarbonisieren" 
Volkswagen AG

„Klimaschutz und Lebensqualität stellen keine Gegensätze dar“

Dazu ließ es sich Diess natürlich auch nicht nehmen, von einem seiner Lieblingsprojekte zu sprechen: elektrischen, autonom fahrende Robotaxis. So hatten die Wolfsburger auf der „New Auto Night“ des Volkswagen Konzerns am Vorabend der IAA den ID.Buzz AD (Autonomes Driving), siehe Bild, vorgestellt. Schaut man in die nahe Zukunft, soll seine Technik die Grundlage für autonomes Fahren sein. Robotaxis, die also wie von Geisterhand fahren werden, seien eine Art Heilsbringer, die den ganzen Tag ohne Pause fahren und mehr Menschen als heute auf einer Fahrt transportieren könnten. Das soll folglich auch  zu einer hocheffizienten Nutzung mit weniger Autos und weniger Parkplätzen in den Städten führen. Darüber hinaus könne Carsharing die Nutzung auf etwa 2 Stunden pro Tag verdoppeln, was eine wesentliche Verbesserung der Nutzung sei und zur Reduzierung benötigter Parkplätze führe. „Der technologische Gamechanger wird der virtuelle Schlüssel auf Ihrem Smartphone sein, mit dem Sie rund um die Uhr einfachen Zugang zu einer großen Fahrzeugflotte haben. Eine Mehrzwecknutzung der Flotten mit nur einem Schlüssel kann die Auslastung der Autos im Vergleich zu heute um das Drei- oder Vierfache erhöhen“, fügt der Manager hinzu.

Wenn es also nach Herbert Diess geht, findet die Zukunft der Mobilität im besseren Einklang mit Natur und Umwelt statt. Sie werde nachhaltiger, komfortabler und sicherer. Erforderlich sei jedoch die Bereitschaft zum Wandel und ein gemeinsames Vorgehen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beim Aufbau der Infrastrukturen. Instrumente wie die CO2-Bepreisung fördern Prozesse zum Aufbau von erneuerbaren Energien. Klimaschutz und Lebensqualität stellen keine Gegensätze dar, vor allem weil Klimaschutz günstiger sei als die Anpassung an den Klimawandel.

Doch auch, wenn Diess‘ Engagement sicherlich als löblich tituliert werden kann, zeigten sich Greenpeace-Aktivisten bei einer Konfrontation auf der IAA „not amused“. Sie warfen ihm vor, sein Dekarbonisierungspfad sei nicht mit dem angesprochenen 1,5-Grad-Ziel kompatibel. So stand auf Plakaten mit gefetteten V und W geschrieben: „Von Wegen Klimaschutz“. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, kann Herbert Diess die Anschuldigungen kaum nachvollziehen. Im Interview heißt es: „Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, dass wir im Mittelpunkt der Proteste stehen“. Volkswagen unternehme „große Anstrengungen“, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Tatsächlich ist bekannt, dass der VW-Konzern in den nächsten Jahren hohe, zweistellige Milliardenbeträge in die Entwicklung von Elektroautos und die nachhaltigere Batterieproduktion investiert. Außerdem werde in Deutschland derzeit noch etwa ein Viertel des Stroms über die Verbrennung von Braunkohle erzeugt. „So gesehen käme die Umstellung auf die Elektromobilität sogar noch ‚zu früh'“, heißt es im SZ-Interview weiter.

Quellen: IAA New Mobility, LinkedIn, Süddeutsche Zeitung

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Felix Katz

Felix Katz

Felix Katz liebt alles, was vier Räder und einen oder gleich mehrere Motoren hat. Nicht nur Verbrenner, sondern vor allem Elektroautos haben es ihm angetan. Als freiberuflicher Autojournalist stromert er nicht nur fast jeden Tag umher, sondern arbeitet seit über zehn Jahren für viele renommierte (Fach-)Medien und begleitet den Mobilitätswandel seit Tag eins mit.

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Helmuth Meixner:

An den Hebeln welcher Mächte?

STROM-KONZERNE oder ERDÖLMOGULE? Oder wen meinen Sie sonst?

Helmuth Meixner:

In einer Krisenzeit suchten die Japaner nach Lösungen. Warum, wo war denn eine Krise? Um 1980 herum? Ganz einfach, man begann im Smog zu ersticken. Was wurde damals getan? TOYO-KOGYO erfand und nutzte Katalysatoren zur Abgasreduzierung UND man nutzte KEINE PKW-DIESEL, wo es machbar war. 2021: Was machen wir?
Wir bauen und kaufen immer schwerere E-Mobile mit immer stärkeren E-Motoren, als ERSATZ für die alten DIESEL-Kisten. Idioten suchen Schuldige, die nicht elektrisch SPAREN wollen.
Und was sagt Xing? https://www.capital.de/wirtschaft-politik/gaspreisanstieg-so-reagieren-europas-regierungen?xing_share=news
Oh Gott! Oh Gott was ist hier denn los? Intelligent würden endlich anfangen zu sparen oder nicht?

Birger:

Eins sollte allen klar sein hier, fossile Brennstoffe haben keine Zukunft mehr und so soll der Verbrenner in Zukunft auch sicher nicht laufen. Bis auf die Leute der AFD möchte es auch eigentlich keiner mehr! Aber auch die müssen einsehen, spätestens, wenn es keine fossilen Brennstoffe mehr gibt, muss man sich was einfallen lassen. Der Verbrenner braucht dringend E Fuels, auch wenn dies nicht so effizient ist, kann man sofort den Planeten helfen klimaneutral damit Auto zu fahren. Oder was meint Ihr bitte, wie lange es braucht in der Welt die Verbrenner gegen neu Antreibe auszutauschen? Heute , morgen oder übermorgen? Falsch, es dauert noch länger! Alleine dafür bräuchten wir schon E Fuels!

Uwe:

Genau! Mit einem richtigen Bonus-Malus-System kann so einiges bewirkt werden, wie uns Niederlande oder Norwegen zeigen. Aber in Deutschland buckelt die Politik halt vor der Autoindustrie, die natürlich gern noch so lang wie möglich Verbrenner verkaufen will.

Und auch, wenn Herr Diess in vielem sicher Recht hat, muss ich seiner Aussage zur Beibehaltung des Lebensstandards widersprechen. Dieser oder besser die Lebensweise eines immer größer werdenden Teils der Menschheit ist doch genau das Problem. Der CO2-Ausstoß ist dabei nur ein Teil dessen, was wir unserem Planeten, und damit am Ende uns selbst, antun. Ich denke, ohne ein Stück weit Konsumverzicht und ohne Rückkehr zu regionalem Wirtschaften, am besten in Kreisläufen, wird uns auch die CO2-Reduktion nicht helfen. Und noch nicht die werden wir auf die Reihe bekommen, solange Politik und Wirtschaft weltweit nicht aufhören, den alten Götzen Wachstum und Profit zu huldigen. Die Kinder, die jetzt geboren werden, tun mir echt Leid!

Niro:

Der Vergleich bezog sich nur auf den Unterschied der Umweltbelastung zwischen den beiden Produkten. Wenn allerdings eine allumfassende Bilanz gezogen wird, die auch Herstellung und alle damit verbundenen Probleme berücksichtigt, dann fällt die Umwelt-Bilanz für den Verbrenner noch wesentlich schlechter aus. Schon wenn man
die Öl-Verschmutzung der Meere durch Tanker-Unfälle und Havarien auf Bohrinseln
betrachtet, ist schon ein klarer Unterschied der Umwelt-Bilanzen zu erkennen.

Farnsworth:

Und wie soll man das machen, wenn man den chemischen Speicher nun mal mit sich rumfährt? Wir sind hier ja nicht bei „Wünsch Dir was“. Beim FCEV ist es wieder wie beim Verbrenner. Da wird das Betriebsmittel nach der Benutzung wieder in die Umwelt entlassen. Nur ist der Gewichtsunterschied zwischen leer und voll gerade mal 4kg.

Guck Dir mal den Crashtest von einem Golf 2 und einem ID.3 an. Vor allem der Aufprall auf das versetzte Hindernis. Und trotz des geringen Gewichts verbrauchte der Golf II 3 mal mehr Energie. Ca. 60kWh/100km vs. 18kWh/100km. Und mit dem ID.3 kommt man auch von Kiel nach München. Halt mit Zwischenstopps. Da man das aber nur selten tut, ist das auch egal.

Farnsworth

Birger:

Genau und dann wird leider bei den E Fahrzeugen gleich weiter gemacht bei dem Gewicht! Wäre ein neuer Antrieb nicht gut gewesen um zu versuchen die Fahrzeuge leichter zu machen? Das Gegenteil ist leider der Fall! Vor einigen Jahren hieß es mal wir müssen wieder runter mit dem Fahrzeuggewicht und nun kommt der E Antrieb und wird noch schwerer! Mein alter Golf 2 kam mal mit 750 Kilo aus und damit kam ich auch von Kiel nach München!

DR. ULRICH SANCKEN:

Wird bei der Berechnung von Energie-und CO2-Bilanzen eigentlich auch der Bau und Betrieb von Öl-Tankern, Öl-Plattformen und Bohrinseln berücksichtigt? Wenn nicht, kann man solche Bilanzen eigentlich auch gleich in der Pfeife rauchen. Und ja, selbstverständlich gehören auch Bau und Betrieb von regenerativen Anlagen in solche Bilanzierungen.

DR. ULRICH SANCKEN:

Ich halte es da mehr mit Loriot :
„In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen,
Idioten suchen nach Schuldigen“.
Wie gesagt, das waren Loriots Worte, aber ich verstehe langsam immer besser, worüber der Mann sich trotz seiner ansonsten eher subtilen Art so echauffiert hat.

Farnsworth:

Das eigentliche Problem ist, dass wir total Autofixiert sind. Die ganze Infrastruktur hierzulande wurde auf das Auto ausgerichtet. Radwege sind lieblos dahingepinselte „Schutzstreifen“ (was auch immer die schützen sollen) und die Führung ist auch abenteuerlich und immer nur stiefmütterlich. „Ach hier ist kein Platz mehr? Dann endet der Radweg hier halt!“ Hier im Ruhrpott gibt es seit 10 Jahren den Plan den RS1 – den Radschnellweg1 – quer durch das Ruhrgebiet zu bauen. Städte wie Mülheim haben schon beeindruckend gute Abschnitte gebaut. Und der Rest? Der dümpelt so dahin. Ich muss einmal quer durch die Stadt zur Arbeit. Eine ampelfreie Verbindung, die keine oder nur sehr wenige Berührungen zum Autoverkehr hat würde mich dazu animieren mir ein E-Bike zu holen und täglich mit dem Fahrrad zu pendeln statt dem Auto. Der Zeitverlust würde dann auch nur wenige Minuten betragen, weil man nirgends stehen bleiben muss. Aktuell wird man als Radfahrer total gegängelt, dass man wenn man der abenteuerlichen Streckenführung folgt an einigen großen Kreuzungen zwei ganze Ampelphasen benötigt, während der Autoverkehr mit einer auskommt.

Guckt man zu unseren Nachbarn in die Niederlande, machen die es ganz anders. In neugebauten Städten und Stadtvierteln gibt es komplett getrennte Infrastruktur für Fußgänger, Fahrradfahrer, Busse, Schienenfahrzeuge und Autos. Dort ist es deutlich angenehmer mit dem Fahrrad zu fahren, weil man nicht ständig Angst haben muss von irgendeinem Auto über den Haufen gefahren zu werden. Es gibt sogar eigene Kreisverkehre für Radfahrer und Brücken queren Hauptverkehrsstraßen ampelfrei.

Und wenn jemand sagt, dass man das in Deutschland ja nicht umsetzen könnte, wegen der bestehenden Infrastruktur: In der Großstadt Amsterdam werden ganze Straßen zurückgebaut und in exklusive Radwege verwandelt. Den Autos wird Parkraum auf der Straße weggenommen, ein Stellplatz im Parkhaus kostet 600€ im Monat. Ein Parkticket kostet ca. 60€ am Tag. Ein Park and Ride Tagesticket am Stadtrand 8 € in der Rush-Hour und 1€ nach der Rush-Hour, wenn man sich ein ÖPNV Ticket holt. Man kann es deutlich unattraktiver für Autos machen, dann nehmen sie in der Stadt weniger Platz weg und die Lebensqualität für die Anwohner steigt. Es ist halt ein großer Unterschied, ob man in einer Häuserschlucht wohnt, wo auch noch lauter Autos parken, oder ob da Beete mit Blumen und ein paar Bänke stehen.

Farnsworth

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