Chinesische Autohersteller treiben ihre Expansion in Europa weiter voran. Bis 2030 soll der Anteil chinesischer Marken am westeuropäischen Markt für batterieelektrische Autos auf über zwölf Prozent steigen. Das entspricht rund 830.000 neu zugelassenen E-Autos – mehr als viermal so viele wie noch 2023. Im laufenden Jahr 2025 rechnen Analysten bereits mit über 250.000 Einheiten. Der Aufwärtstrend ist Teil einer langfristigen Strategie, die auf günstige Produktion, lokale Fertigung und gezielte Modellpolitik setzt.
Im Jahr 2024 lag der Marktanteil chinesischer E-Autos bei rund zehn Prozent. Bereits in den letzten Monaten zeichnete sich ab, dass diese Marken ihren Fokus stärker auf Europa richten. BYD, SAIC, Geely, Chery und weitere Hersteller setzen auf ein wachsendes Angebot, niedrigere Preise und neue Werke in der EU. BYD will noch 2025 die Serienfertigung in Ungarn aufnehmen. Das erste Modell aus diesem Werk ist der Dolphin Surf – ein Einstiegs-E-Auto, das zunächst für unter 20.000 Euro angeboten wird. Dieser Preis soll Kunden ansprechen, für die europäische Modelle zu teuer geworden sind.
Parallel dazu plant BYD eine zweite Fabrik in der Türkei. Der Standort bietet Zollfreiheit dank der Zollunion mit der EU. Diese Kombination aus lokaler Produktion und strategischer Preisgestaltung ermöglicht es BYD, sowohl die regulären Einfuhrzölle von zehn Prozent als auch die zusätzlichen EU-Strafzölle auf in China gebaute Elektroautos in Höhe von 17 Prozent zu umgehen. Ähnliche Überlegungen gibt es auch bei anderen Marken. Polestar verlagert beispielsweise die Produktion des Polestar 4 nach Korea, um die EU-Zölle zu umgehen. Der Nachfolger des Polestar 2, das künftige Modell Polestar 7, soll ebenfalls außerhalb Chinas gebaut werden.
Auch SAIC verfolgt einen flexiblen Ansatz. Die Marke MG plant 2025 die Einführung des neuen MG S5, der auf der modularen Plattform MSP basiert. Das vereinfacht die Fertigung und senkt die Kosten. MG bleibt dabei vor allem im Volumensegment aktiv. Der MG4 bleibt das Zugpferd – wird aber zunehmend durch Konkurrenzmodelle wie den ID.3 unter Preisdruck gesetzt. Um konkurrenzfähig zu bleiben, bietet MG Leasingraten ab 199 Euro pro Monat an. Die Restwerte bleiben jedoch ein Unsicherheitsfaktor. Ein Verlust von 50 Prozent nach anderthalb Jahren ist bei diesem Modell keine Seltenheit.
Die große Herausforderung für chinesische Marken bleibt der Wettbewerb mit europäischen Herstellern. Volkswagen, BMW, Renault, Stellantis und Ford haben angekündigt, ihre E-Offensive ab 2026 massiv auszuweiten. Neue Plattformen wie die Neue Klasse von BMW oder PPE bei Audi und Porsche sollen zu mehr Auswahl und effizienterer Produktion führen. Dadurch könnten chinesische Marken unter Druck geraten, vor allem wenn westliche Hersteller ihre Preise senken und gleichzeitig ihre Vertriebs- und Servicenetzwerke ausspielen.
Trotzdem dürften chinesische Marken ihren Marktanteil in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Neben BYD und MG treten auch neue Anbieter auf den Plan. Chery ist mit seinen Marken Omoda, Jaecoo und Ebro bereits aktiv. Leapmotor, das durch eine Kooperation mit Stellantis über ein Händlernetz verfügt, bereitet die Produktion in Spanien vor. Auch XPeng, an dem Volkswagen beteiligt ist, drängt weiter nach Europa. Hinzu kommt Nios geplante Volumenmarke Firefly sowie mögliche Newcomer wie Xiaomi.
Hersteller aus China setzen auf Produktion in Europa
Langfristig könnten über die Hälfte aller chinesischen Modelle, die in Europa verkauft werden, auch dort produziert werden. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Produktion vor Ort vermeidet Zölle, bringt Jobs und senkt Risiken bei der Logistik. Was wiederum auch aufs Image und die Markenwahrnehmung einzahlt. Gleichzeitig nutzen chinesische Hersteller günstigere Rohstoffe und einfache Batterietechnologien. LFP-Batterien, wie sie in vielen chinesischen Autos verbaut werden, sind rund 30 Prozent günstiger als klassische NMC-Zellen. Viele europäische Hersteller beginnen zwar ebenfalls, auf diese Technik zu setzen, doch China hat in diesem Bereich einen Vorsprung.
In Brüssel wird zudem über mögliche Anpassungen der CO₂-Vorgaben ab 2026 diskutiert. Denkbar ist eine Ausnahmeregelung für E-Fuels. Sollte sie kommen, könnte der Druck auf westliche Hersteller sinken, schnell neue E-Modelle auf den Markt zu bringen. Für chinesische Marken wäre das eine zusätzliche Chance, Marktanteile zu gewinnen, während andere Anbieter ihre E-Strategie strecken. Der US-Markt bleibt für chinesische Hersteller vorerst verschlossen. Europa ist daher der zentrale Hebel für weiteres Wachstum. Ob dieses langfristig gelingt, hängt auch davon ab, wie sich regulatorische Rahmenbedingungen, Markenwahrnehmung und Preisstabilität entwickeln. Klar ist aber: Der Wettbewerb auf Europas Straßen wird härter – und chinesische Marken spielen dabei eine immer größere Rolle.
Quelle: Matthias Schmidt – Chinese OEMs – Western European Market Intelligence Status Report Q1/2025