BYD baut das größte Autowerk der Welt in Zhengzhou

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BYD

Stefan Grundhoff
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Mittlerweile ist BYD nicht nur zu einem der größten Autohersteller der Welt aufgestiegen, sondern hat auch Tesla als größten Produzenten von Elektroautos überholt. In den ersten drei Quartalen verkauften die Chinesen mit 1,6 Millionen Einheiten deutlich mehr als Tesla mit 1,2 Millionen. Bereits zuvor schockte BYD Konkurrent Volkswagen, als es die Wolfsburger vor mehr als zwei Jahren als Nummer eins in China überholte. Doch BYD konzentriert sich keinesfalls nur auf den Heimatmarkt – und hat speziell in Europa große Pläne.

Mit weltweit 30 Produktionsstätten sicherte sich das Unternehmen einen Platz auf der renommierten Forbes Global 500-Liste. Die Fahrzeuge werden bereits in 117 Ländern weltweit verkauft; jedoch nicht in den USA. Vizepräsidentin Stella Li erklärt: „Dieser Markt ist für uns nicht interessant, und wir konzentrieren uns derzeit so stark auf die Expansion in anderen Regionen, dass es schwierig wäre, Ressourcen für diese zusätzliche Mission bereitzustellen.“

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Bisher spielt der chinesische Autohersteller auch in Europa nur eine untergeordnete Rolle, und speziell auf dem Kernmarkt Deutschland wurden bisher kaum mehr als Achtungserfolge erzielt. Dabei liegt es kaum an den Fahrzeugen, denn egal ob günstige Einstiegsmodelle wie der Dolphin Surf, der Mittelklasse-Kombi BYD Seal 6 oder der mächtige Offroader Yangwang U8 sind mehr als konkurrenzfähig. Es liegt insbesondere an Bekanntheit und Händlernetz – und hier soll in den kommenden Jahren viel passieren, um zunächst die asiatischen und dann die heimischen Marken anzugreifen.

Mit Zurückhaltung hat es BYD nicht allzu sehr. Keine große Überraschung, dass das hauseigene Fahrerassistenzsystem vollmundig die Bezeichnung „God’s Eye“ trägt – das Auge Gottes. Dieser Name symbolisiert ein allsehendes, göttliches Auge, das alles beobachtet, und steht für göttliche Weisheit, Schutz und Überwachung – aber eben auch für ein mehr als gesundes Selbstbewusstsein. Einer der Gründe für den stark wachsenden Erfolg von BYD ist eine besonders moderne Fertigung. Im Gegensatz zu so manchem Konkurrenten wurden die Fabriken akribisch am Reißbrett geplant und sind maximal effizient.

Neue Werke in Europa sollen Preise senken

Erst im Juni konnten die Chinesen in der Fertigung in Xi’an den millionsten Seagull feiern, ein elektrischer Kleinwagen, der in Deutschland als Dolphin Surf vermarktet wird. Während dieser in Deutschland rund 20.000 Euro kostet, liegt sein Verkaufspreis auf dem Heimatmarkt bei knapp 70.000 RMB – umgerechnet nicht einmal 8500 Euro, ist allerdings in seiner Heimat auch deutlich spärlicher ausgestattet und konstruiert. Um die Preise auch in Europa senken und Zölle umgehen zu können, erbaut BYD in Ungarn derzeit ein eigenes Werk. Weitere Fertigungen in der Türkei und Spanien sind in Planung, um in Europa Druck machen zu können.

Das neue Vorzeigewerk von BYD in Zhengzhou in der Provinz Henan im zentralöstlichen Teil Chinas setzt Maßstäbe, die jede andere Gigafactory winzig erscheinen lassen. Die Stadt mit ihren 10,2 Millionen Einwohnern wurde aufgrund ihrer guten Straßen- und Schienenanbindung sowie der qualifizierten Arbeitskräfte in der Region für diesen riesigen Industriekomplex ausgewählt. Das größte Werk von BYD ist mit einer Größe von 130 Quadratkilometern das größte weltweit und spannt sich über eine Fläche so groß wie San Francisco. Das sind zehn der Tesla Gigafactories in Nevada mit einer jährlichen Produktion von zwei Millionen Fahrzeugen. Aktuell sind hier 60.000 Mitarbeiter beschäftigt.

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Wang Chuanfu, Präsident und CEO von BYD, erklärt: „Wenn Technologie die größte Stärke von BYD ist, dann ist Design die zweite.“ Aus diesem Grund wurde viel in das BYD Design Center investiert, ein 12.600 Quadratmeter großes Zentrum in Shenzhen, dem Hauptsitz von BYD. Es bildet das stilistische Herzstück des Unternehmens und ist verantwortlich für die zukünftige Designsprache von Automobilen, Zügen und anderen Transportmitteln. Ebenso wichtig ist das Team um Wolfgang Egger, einen renommierten deutschen Designer aus Oberstdorf, der bereits für traditionsreiche europäische Marken wie Audi, Lamborghini und Alfa Romeo gearbeitet und diese geleitet hat.

So gut es auf dem chinesischen Markt trotz kleinerer Rückschläge läuft, so viel gibt es noch in Europa zu tun. „Hier stehen wir noch ganz am Anfang“, gibt Stella Li zu; in Bekanntheit und Händlernetz wird aktuell investiert. Neben den lokalen Fertigungen verspricht sich BYD viel von einem eigenen Schnelllade-Netzwerk, das Ladetempi bis 1000 kW bieten soll. Davon sollen nicht nur die eigenen Modelle, sondern auch der Premium-Ableger Denza profitieren, der im kommenden Jahr mit mehreren Modellen auf den europäischen Markt rollt – allen voran das Aushängeschild Denza Z9 GT.

Flexible Fertigung für Elektro- und Hybridantriebe

Im Unterschied zu Wettbewerbern wie Tesla oder Polestar setzt BYD nicht allein auf Elektroantriebe, auch Fahrzeuge mit Range-Extender und Hybridtechnik sollen es Kunden leichter machen, zu dem aufstrebenden Hersteller zu wechseln. Daher ist auch die Fertigung flexibel. Neben reinen Elektromobilen können auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (DM-i / Plug-in-Hybride) sowie Modelle anderer Hersteller vom Band laufen. Laut BYD sind pro Produktionslinie 23 verschiedene Modelle möglich. Zu den in Xi’an produzierten BYD-Modellen gehören unter anderem der Seagull / Dolphin Surf, die Seal U Serie, der Qin EV, die SeaLion-Serie, Tang L.

Die Plattformen der Automobile sind entscheidend. Die e-Platform 3.0 und die kürzlich vorgestellte Super-e-Platform, die auch das extrem schnelle Flash-Laden mit maximal 1000 kW ermöglicht, erlauben eben diese modulare, effiziente und schnelle Produktion verschiedener Modelle. Yang Buyi verkündet einen Automatisierungsgrad von 92,7 Prozent in der Produktionslinie und verweist darauf, wie schnell man bei BYD reagiert hat. „Wir haben innerhalb von nur drei Monaten die Fertigung ohne Qualitätseinbußen umgestellt und können mittlerweile beim Seagull 250.000 Einheiten pro Jahr herstellen.“

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Das Werk ist Leuchtturm und Rückgrat von BYDs globalem Produktionsverbund. In Xi’an treibt BYD die vertikale Integration voran und stellt fast 80 Prozent der Teile selbst her. BYD treibt das Prinzip der vertikalen Integration, also möglichst viel selbst herzustellen, auf die Spitze. Das ist mehr als Tesla oder deutsche Hersteller. Dazu gehören die Batterien inklusive der Zellen und des Gesamtsystems. Die Integration der Batterie als tragendes Element bedeutet, dass Karosseriedesign und Batteriestruktur eng miteinander verzahnt sind. Das beeinflusst auch die Produktion, verringert die Komplexität und damit die Kosten.

BYD ist einer der wenigen Hersteller mit eigener Chipfertigung und stellt zudem neben den Batterien auch noch die Elektromotoren samt Leistungselektronik und Getriebe selbst her. BYD fertigt Karosserieteile, Fahrwerkskomponenten und übernimmt auch die Lackierung selbst. So werden Stanzteile, Strukturteile und Außenhautteile in eigenen Presswerken hergestellt. Ähnliches gilt für Querlenker, Achskomponenten und Dämpfermodule, die BYD ebenfalls selbst oder über Tochterunternehmen produziert.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.

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