Batteriewechsel vs. Akku-Tausch: Wer macht das Rennen? Ein Vergleich

Cover Image for Batteriewechsel vs. Akku-Tausch: Wer macht das Rennen? Ein Vergleich
Copyright ©

InfraDianba

Wolfgang Gomoll
Wolfgang Gomoll
  —  Lesedauer 4 min

Das Wetteifern um schnellere Batterieladezeiten nimmt mittlerweile olympische Züge. Frei nach dem Motto „höher, schneller, weiter“ vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Meldung eines neuen Laderekords, der das ultraschnelle Befüllen der Akkus verspricht, die Runde. Doch die Lösung für schnelles Stromtanken könnte aus einer ganz anderen Ecke kommen. Wechselakkus erleben derzeit eine Renaissance, die sie zur validen Alternative für die konventionellen Ladesäulen machen.

Die Vorteile klingen verheißungsvoll: In wenigen Minuten ist das Fahrzeug wieder voll einsatzbereit. Das bedeutet ein Ende der langen Schlangen vor den Ladesäulen. Auch die chinesische Regierung hat die Vorzüge dieses Systems erkannt und treibt die Technik voran, indem sie ein Pilotprojekt ins Leben gerufen hat, das mehr als 1.000 Batteriewechselstation vorsieht. Wichtig ist vor allem, dass mit diesem Unterfangen auch dem Technologie-Wildwuchs ein Ende bereitet wird und ein Standard eingeführt werden soll.

NIO: Chinas Vorreiter beim Akku-Tausch kommt nach Europa

Zumal die Kinderkrankheiten, die das Better-Place-Konzept des Wechselakku-Pioniers Shai Agassi zum Scheitern gebracht haben, mittlerweile ausgeräumt sind. Da geht es vor allem um Kosten und um Zuverlässigkeit. Zum Beispiel hebt der chinesische Autobauer NIO die Autos zum Austausch der Batterien an, um sie so perfekt auszutarieren und einen schnellen Wechsel der Energiespeicher zu ermöglichen.

Jetzt will NIO gemeinsam mit dem Tankstellenriesen Shell mit dieser Idee Europa erobern. Aber auch andere Akteure, wie InfraMobility-Dianba, ein 2019 gegründetes 50:50-Joint Venture, zwischen dem deutschen Unternehmen InfraMobility und den chinesischen Akku-Wechsel-Experten Aulton Dianba, wollen sich ein großes Stück von dem Batterietauschkuchen sichern. Ganz aus dem Blauen heraus tritt diese Kombination nicht in den Wettbewerb mit NIO ein: Aulton Dianba entwickelt schon länger ein Batterietausch-System, das typenoffen ist.

Aulton Dianba betreibt aktuell gut 610 Stationen, bei denen bereits über 26 Millionen Batteriewechsel in 36 Städten durchgeführt wurden. Angeblich sollen bereits 14 chinesischen Automobilhersteller, darunter mit SAIC (VW) und BAIC (Mercedes) auch zwei Partner deutscher Autobauer, mit diesem Konzept arbeiten. Außerdem will der chinesische Mineralölkonzern Sinopec 30.000 Tankstellen mit Aulton—Dianba-Wechselstationen ausstatten. Auch das französische Mineralölunternehmen TotalEnergies SE hat mit den Newcomern ein Memorandum of Unterstanding unterschrieben, bei dem es auch darum geht, geeignete strategische Partner zu gewinnen.

Expertise ist also vorhanden. Ebenso bei NIO. Der chinesische Automobilhersteller hat unlängst seinen 12-millionsten Akkuwechsel gefeiert. Alleine in China sind bereits rund 1.100 Akkutauschstationen in Betrieb. Bis 2025 will NIO weltweit 4.000 Wechselstationen installieren, davon 1.000 außerhalb Chinas, unter anderem in Deutschland. Die erste wurde beim Ladepark in Zusmarshausen (Sortimo Innovationspark) nahe Augsburg eröffnet. Auch in Berlin sollen Elektroautos mit vollen Energiepaketen versehen werden. Die bundesdeutsche Hauptstadt entwickelt sich ohnehin zu einem Zentrum der Batteriewechseltechnik, denn InfraMobility-Dianba betreibt schon seit 2019 in Berlin-Westhafen eine Pilot-Tauschstation. In Folge der erwähnten Übereinkunft mit TotalEnergies wird jetzt auch am Berliner Flughafen eine Wechselstation erbaut.

Die Wechsel-Geschwindigkeit entscheidet

Ein entscheidendes Kriterium ist die Geschwindigkeit: NIO tauscht die Akkus innerhalb von vier bis fünf Minuten und nutzt dafür ein Schraubensystem. Der chinesische Autobauer entwickelt seine Wechselstationen ständig weiter, sodass auch die Dauer des Akkutausches weiter sinken wird. Aktuell laut NIO bis zu 321 Wechsel pro Tag möglich. InfraMobility setzt bei der Batteriewechselstation 4.0 auf ein Einklinksystem, bei dem die die neue Batterie durch zwei synchronisierte Roboterarme ersetzt wird. So soll der Tausch in 20 Sekunden vollzogen sein. Läuft alles ideal und ist die Anlage genügend groß, sind so bis zu 1.000 Wechsel drin. Ein weiterer Vorteil: Die Akkus befinden sich in einem Universalgehäuse, in das verschiedene Batterietypen eingebettet werden können.

Die Kapazität der Tausch-Akkus beträgt bei InfraMobility 40 bis 80 Kilowattstunden. In einer Station sind 60 Batterien untergebracht. Aufgrund der hohen Wechselfrequenz beginnt das Laden sofort nach dem Tausch, womit sich der Durchsatz einer Wechselstation auf 50 MWh pro Tag summiert. Das „Füllen“ der Batterie verläuft angeblich sehr schonend und ist in maximal zwei Stunden abgeschlossen. Bei der Batteriewechselstation am Berliner Flughafen mit 465 Wechseln pro Tag ist eine Anschlussleistung (Scheinleistung S) von 1.230 kVA und ein 400 V Drei-Phasen-Drehstrom-Industrieanschluss mit Parallelschaltung vorgesehen.

Eine NIO „Powerswap-Station“ benötigt den Raum von vier Automobilparkplätzen und eine Anschlussleistung von 550 kVA bis 1.250 kVA. Bei den Wechselstationen des chinesischen Autobauers sind es momentan 13 Batterien mit einer Kapazität von bis zu 100 kWh. Weitere Ausbaustufen seien in Planung. Der Ladezustand der Batterie (SoC) liegt bei den NIO-Wechselakkus in der Regel bei über 90 Prozent. Im Sinne der langfristigen „Batteriegesundheit“ empfehlen die Experten des Automobilherstellers nur bei langen Fahrten die Energiespeicher auf 100 Prozent aufzuladen.

worthy pixel img
Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Roman J. Koschuth:

Schon vor über 10 Jahren gab’s Vorschläge dieser Art. Ex-SAP- Manager hätte damals beinah Frankreich (?) und Benelux-Länder überzeugt in ‚Wechslstationen‘ zu investieren.
Ich fand, dass das immense Infrastruktur erfordern würde, um flächendeckendes Angebot zu bieten.
Meine Überlegung war – die damals angepailte 500 kg für 15.000,-EUR an Batterie – in ‚handlichere‘ Einheiten aufzuteilen und den ‚freien Austausch‘ mit Abrechnungssystem auszustatten (Risbeery Pi zeigte schon damals, dass so etwas kostengünstig ginge).
Im Effekt hätte man frei konvertierbare Module auf dem Markt und könnte Tankstellen sukzessive zu Tauschpunkten umstrukturieren.

vergl.: https://patents.google.com/patent/DE102011018265A1/de?q=(Koschuth)&oq=Koschuth

Groß:

Nio berechnet die Differnez zwischen dem bekommenen und dem gegebenen Akku und sende diese Info auf die App inklusive der eventuell entstandenen Kosten. Gleichzeitig wird der Ladezustand der ausgetauschten Batterei im Auto angezeigt.
Die Wechselstationen sind für längere Fahrten und für den längeren und schonerden Erhalt der Battereien das Beste. Greade auf längeren Strecken werdne so die Batterie nicht unnötig mit dem Schnellladen belastet. Wobei das „schnell Laden“ in China da anfängt wo es in Europa aufhört.

Groß:

Trotz der Wechselstationen kann man die Akkus auch laden.

Groß:

Wenn ich die Kommentare hier lese kann ich nur sagen, dass keiner von den Kritiker jemals ein Auto mit einem Wechselakku gefahren hat.
Ein andere Teil der Kritiker liest sich wie Handlanger der Verbrenner und Wassserstoff-Lobby.

Die Wechselstationen von Nio sind in China mittlerweile so ausgebaut, dass man auf den Hauptverbindungswegen nur mit Akkutausch fahren kann.

Der große Nachteil bei Nio ist halt das zusammenrücken bzw. das auseinader treiben in politischen Fragen. Hier wird sich aber China nicht selber in eine Sitution bringen wie es andere getan haben.

Otto Gilnhammer:

Ich glaube nicht an die Zukunft von Wechsel-Akkus bei PKW. Vielleicht ist es für LKWs eine sinnvolle Lösung.
Wie wird der Preis bei Wechsel-Akkus bemessen? Die verbrauchten Akkus sind ja nicht leer. Berechnungsgrundlage müsste demnach die Speicher-Differenz der beiden Akkus in KWh sein? Wie hoch ist der Preis für eine KWh im Vergleich zu den Ladestationen?

Wolfbrecht Gösebert:

@ Daniel W.:

„Wechselakkus sehe ich eher bei Pedelecs, L6e- und L7e-Fahrzeugen.“

Ja, jedenfalls überall da, wo die Akkus händisch – also z.B. auch zuhause/in der Firma/zwischen eigenen Fahrzeugen/o.ä. – gewechselt werden können und damit eben nicht auf das (ggf. kilometerweite) Anfahren einer besonderen, maschinellen Wechselstation angewiesen sind!
Das erlaubt nebenbei auch enorme Freiheiten bei der Unterbringung im Fahrzeug.

Philipp:

Keine Frage, die Akkutechnologie wird sich weiterentwickeln. Und ich weiß was ich sage, weil ich eGolf fahre.

Aber wie soll das Geschäftsprinzip von z.B. Nio aussehen, wenn man alten Autos neue Akkus zur Verfügung stellt? Was passiert mit den Alten? Wer bezahlt das?

Entweder NIO zahlt enorm drauf (weil es auf den Kosten des Alten sitzenbleibt) oder der Kunde muss nochmal deutlich nachschiessen (für ein dann gebrauchtes Auto macht das kaum einer).

Ich würde in meinen gebrauchten eGolf nicht mehrere 1000€ investieren. Mal davon abgesehen, dass das BMS neue Akkus überhaupt erst einmal unterstützen muss.
Wird NIO für schon längst verkaufte Autos ein BMS Update nachliefern, das garantiert, dass neue Batterien lauffähig sind? Wo ist da der Anreiz für NIO?

Ich sehe das Argument nicht.
Ich sehe alte NIOs mit alten Batterien solange fahren, bis die alte Akkutechnologie aus den Wechselzentren rausgenommen wird und man diese dann nur noch in Werkstätten wechseln kann.
Aber ich lasse mich gerne positiv überraschen.

Roman L.:

Tatsache.. und statt einem „Danke für die Info, wird berücksichtigt..“ bekommt man Daumen runter für korrekte Angaben gg.. mimimiii..
Redakteure können nicht bei jedem Thema, alles zu 100% wissen. Wissen teilen und gemeinsam schlauer werden.

Läubli:

Wir wissen nicht was noch kommt, aber so einfach ist China nicht zu sanktionieren wie Russland. Von China sind wir Europäer noch ziemlich abhängig… ohne die Chinesen kannst auch dein Handy abmelden und noch viele andere Elektronische Geräte kannst du dann vergessen. Die Chinesen und die Europäer wissen das sehr wohl. Da geht es dann nicht mehr nur um Gas und Metall, sondern um unser ganzes, gewohntes Luxus Leben!

Niko8888:

:-)
so langsam werden die nervös, die immer alles besser wissen, bei denen neue Ideen nichts bringen oder zu teuer sind oder oder

Ähnliche Artikel

Cover Image for MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

Michael Neißendorfer  —  

Auf einer 800-Volt-Plattform aufbauend, versprechen die Elektroautos nicht nur flotte Ladezeiten sondern auch hohe Reichweiten und viel Leistung.

Cover Image for Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Sebastian Henßler  —  

Für härteste Einsätze gemacht: Munros elektrischer 4×4 bietet Nutzlast, Zugkraft und drei Aufbauformen – wartungsarm, geländetauglich und alltagstauglich.

Cover Image for Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Michael Neißendorfer  —  

Ein entscheidender Gamechanger in der Elektromobilität spielt sich nicht auf der Straße ab – sondern in der Einfahrt, wie Zahlen von Ford zeigen.

Cover Image for Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Sebastian Henßler  —  

Vier Motoren, 1625 Nm Drehmoment und Launch Cam: Rivian stattet R1T und R1S mit verbesserter Technik für Alltag und Offroad aus.

Cover Image for Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Michael Neißendorfer  —  

Mit der Serienproduktion der Batterien für den vollelektrischen CLA setzt die Mercedes-Benz Tochter Accumotive in Kamenz einen großen Meilenstein.

Cover Image for Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Sebastian Henßler  —  

Ultra Violet trifft auf Flaming Red: Der ID.3 GTX Fire + Ice erinnert an den Golf-Klassiker von 1990 – jetzt mit Elektroantrieb, Design von Bogner und 240 kW Power.