Wahlkampf auf dem Rücken der Automobilindustrie

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 3 min

Ein Kommentar von Daniel Krenzer

Immer mehr Parteien entdecken das Thema „Verbrennerverbot“ im Wahlkampf zur Europawahl für sich – und kündigen an, selbiges (das es ja de facto gar nicht gibt) rückgängig machen zu wollen. Für alle potentiellen Wähler, die wegen des Geldes, aus Furcht vor Neuem, wegen der persönlichen Freiheit oder grundsätzlich spätpubertären Mag-ich-nicht-Verhaltens gegen den Hochlauf der Elektromobilität sind, klingt das freilich attraktiv. Doch sind dies politische Ankündigungen, die im besseren Fall gar nicht mehr umzusetzen sind – oder wahlweise die europäische Automobilindustrie in eine bislang ungekannte Krise stürzen könnten.

Ab 2035 sollen in der EU keine Fahrzeuge mehr zugelassen werden dürfen, die CO2-Emissionen ausstoßen. Dabei wird aktuell der nicht zuletzt auch gesundheitlich relevante Ausstoß des Fahrzeuges „direkt am Auspuff“ gemessen. Angestoßen von der deutschen Bundesregierung wird auf europäischer Ebene allerdings geprüft, ob es für im gesamten Kreislauf klimaneutrale Treibstoffe (wie E-Fuels, HVO, BioCNG und Co.) Ausnahmen geben sollte. Während nur sehr wenige Parteien mit Scheuklappen die angestrebte Klimaneutralität des Verkehrs gänzlich ablehnen, ist für nahezu alle demokratische Parteien Konsens, dass das Verbrennen von fossilen Energieträgern in Fahrzeugen aufhören muss – zumal diese ohnehin nur in endlicher Menge zur Verfügung stehen.

Zwar sind klimafreundliche Alternativen für den Treibstoffe verbrennenden Fahrzeugbestand so zeitnah wie möglich begrüßenswert. Was die Neuzulassungen angeht, ist die EU aber gut beraten, am aktuellen Kurs festzuhalten. Die Autobauer planen schließlich nicht kurz-, sondern mitunter sehr langfristig. Und nahezu alle europäischen Hersteller haben die Weichen längst fest auf die Elektromobilität umgestellt und Milliardenbeträge investiert.

Selbst wenn sich weitere Nischenlösungen neben der Elektromobilität durchsetzen werden, wird das batterieelektrische Fahren zumindest im Pkw-Bereich zunehmend zum Standard werden. Und wenn sich die europäischen Autohersteller nicht voll darauf konzentrieren können, werden ihnen die asiatischen Autobauer – und allen voran die chinesischen – zunehmend den Rang ablaufen.

Autohersteller warnen vor Kehrtwende

So warnen nach den politischen Ankündigungen aus verschiedenen Richtungen bereits mehrere Hersteller davor, am eingeschlagenen Weg des Green Deal zu rütteln. Stellantis-Chef Carlos Tavares drängt darauf, am Verbrenner-Aus 2035 festzuhalten. Auch VW-Chef Oliver Blume sagte, er wünsche sich endlich Klarheit und ein Ende der Diskussionen. Das Hin und Her schadet den Autobauern aktuell massiv, denn die Kunden sind verunsichert – und beim Kauf von Elektroautos zunehmend zurückhaltend. Selbst wenn manche dieser Parteien wirklich an die Automobilindustrie anstatt den Stimmenfang denken würden, leisten sie bereits jetzt selbiger einen Bärendienst.

Freilich gibt es auch Autohersteller, die eine Technologieoffenheit und Entscheidungsgewalt des Marktes befürworten. Doch wer genau hinschaut, wird feststellen, dass dies vor allem die Hersteller von höherwertigen Fahrzeugen sind. Das hat einen einfachen Grund: Einige Kunden von BMW, Porsche und Co. werden es sich auch in Zukunft leisten können, besonders teure (und dann nicht-elektrische) Antriebsarten für ihren Pkw wählen zu können. Eben diese wenigen Kunden wollen diese Hersteller damit bedienen können. Das Gros der Bevölkerung wird sich das jedoch nicht leisten können – auch wenn ihnen derzeit politisch etwas anderes vorgegaukelt wird.

Anfang Juni wird in der EU gewählt. Danach dürfte dieser Spuk erst einmal vorüber sein. Es bleibt zu hoffen, dass es im europäischen Parlament abermals zu Mehrheiten der Vernunft kommen wird. Anderenfalls droht der europäischen Automobilindustrie (und damit vor allem im Autoland Deutschland der gesamten Wirtschaft) ein furchtbares Schlamassel. Die letzten Umfragen lassen jedoch Schlimmes befürchten.

Hintergrund: Automobilwoche – „Verbrenner-Aus 2035: Neue Debatte in der Autoindustrie“

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.
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pionierska:

Risiko/Nutzen-Abwägung führt je nach Fall zu verschiedenen Massnahmen, auch zu Verboten. Das ist ganz OK und reflektiert die fortschreitende Technologie und das damit einhergehende Wissen. Es gäbe eine lange Liste weiterer Beispiele aus Pharma, Agrar, Lebensmittel und industriellen Prozessen. Auf der anderen Seite sollten meiner Meinung nach Verbote nur die ultima ratio sein, wenn einem nichts besseres mehr einfällt, sei es in der Erziehung oder in der Politik.

Für den Verbrennungsmotor sehe ich keinen Handlungsbedarf für ein Verbot in der Zukunft wenn man nur die wirtschaftlichen Stellschrauben nutzt, die wissenschaftlichen sowie industriellen Aktivitäten zur Optimierung der Batterien nicht behindert und für ausreichend Lademöglichkeiten sorgt (hatte ich im ersten Kommentar vergessen). Dann wird bald keiner mehr den Verbrenner vermissen.

Aus gesundheitlichen Gründen und der Umwelt wegen müsste man eigentlich den motorisierten Individualverkehr auf Grund des Abriebs von Reifen und Bremsen generell verbieten, in erster Näherung unabhängig vom Energieträger wenn auch BEVs im Vorteil sind bezüglich der Bremsen.

Sledge:

Zum Thema low hanging fruits. Wir sind ja nicht einmal bereit ein Tempolimit einzuführen. Kostet nichts und bringt viel.
Alle anderen Ziele sind schon schwieriger zu erreichen. Ich bin da sehr skeptisch was die Klimaneutralität 2045 angeht … leider.

Philipp:

Mit diesem Ansatz hätten wir wohl auch heute noch Kühlschränke mit FCKW, Baustoffe mit Asbest oder Insektizide mit DDT.
Alle hätten ökonomische Vorteile gehabt.

Die Umwelt gehört allen, vor allem allen Kindern in der Zukunft.

Manchmal ist ein Verbot einfacher, effizienter, effektiver und für die absolute Mehrheit nachvollziehbarer, als wenn einzelnen Gruppen nur wegen ihres Geldes Ausnahmen erlaubt werden.

pionierska:

„Niemand hat die Absicht, Verbrennungsmotoren zu verbieten.“

Eine überflüssige Diskussion zu einer nicht notwendigen Einmischung der EU in den Markt. Verbrenner werden bald obsolet sein wenn ökonomische Randbedingungen (CO2 Preis, Malus) richtig gesetzt und Verbesserungen in der Batterietechnologie (Skalierung/Kosten, Leistung) realisiert sind.

Frank:

Europäer bauen weiter Verbrenner für den Rest der Welt und für die EU sind genügend Ressourcen vorhanden, war auch meine Aussage, warum haben alle soviel Angst, wenn doch alles so gut läuft. Wir können doch einfach auf Dein Wissen verlassen, dass genug Geld da ist und uns der Planet, die Energiewende nicht übel nimmt.

Philipp:

Das sind aber auch immer die Argumente gegen die Details und nicht die Ursache der Massnahme. In der Diskussion um das GEG habe ich (mal von den undemokratischen Parteien abgesehen) keine Argumente gegen die Neutralität selbst gesehen.
Das GEG ist aber auch unglaublich komplexer als ein Verbrennerverbot.

Ziele sind erst einmal festzusetzen, auch wenn sie ambitioniert sind. Wenn man sie aufweicht, dann wird man auch die leichteren Ziele nicht erreichen.

Philipp:

1. Europäer dürfen noch Verbrenner bauen, nur man darf sie nicht mehr in der EU verkaufen.

2. Wenn ein Europäer in einem anderem Land als der EU fahren will und vor Ort nicht laden kann, dann kann er sich auch vor Ort auch einen Verbrenner mieten. Keine Notwendigkeit homöopatische Mengen für alle in der EU als Ausnahme zu erlauben.

3. „dafür reichen unsere Rohstoffe und unser Geld nicht“. Wir wollen „unser“ Geld auch nicht in Ladeinfrastruktur im Ausland investieren, nein?
Für innerhalb der EU sind sowohl genug Geld als auch genügend Ressourcen vorhanden.

4. „die ganze Welt mitmacht“. Fast die ganze Welt macht mit, die einen früher, die anderen später. Oder sind die Abkommen zur CO2 Neutralität nicht passiert?
Und ganz ehrlich: Wir als Europäer haben unsere Athmosphäre mit dem meisten CO2 bereits gefüllt. Was ist der Grund dass wir mehr CO2 abgeben dürfen als z.B. Afrikaner oder Asiaten?

5. „Es wird auch 2035 Länder geben, die noch mit fossilen Energieträger Strom Herstellen müssen, da macht das auch keinen Sinn einen BEV zu fahren.“
Ein BEV hält 20 Jahre+ durch. „Heute“ ist kein guter Ratgeber für die nächsten 20 Jahre.
Außerdem: Nie, wirklich nie ist es so dass jeder Wochentag, jeder Feiertag die ganzen 24h am aller Strom zu 100% aus fossilen Brennstoffen entsteht. Es ist die Frage wann man lädt.

Daumen runter gibt es für die von Dir genannten Stammtischargumente, die ich in den 5 Punkten angegangen bin.

Sledge:

oder man stellt die Klimaneutralität selbst in Frage

das ist imho der nächste logische Schritt. Schau dir doch nur den Kampf um das Gebäude Energie Gesetz an.
Auch da werden wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nicht erreichen.

Philipp:

„Was ja auch vollkommen verständlich und gerechtfertigt ist.“.
Verstehe ich nicht ganz. Neben der CO2-Freiheit emittieren diese Autos noch zusätzliche andere giftige Verbrennungsprodukte und Lärm.

Wir könnten es aber noch teurer machen, damit diese Personengruppen mit der Nutzung dieser Privilegien die Gemeinschaft entschädigen.

Philipp:

Das Verbrennerverbot ist nur die Folge der Forderung nach Klimaneutralität in 2045.

Auch wenn irgendeiner das Verbrennerverbot nach der Wahl neu aufbringen will, muss er damit auch die Klimaneutralität erreichen können.

Daran wird jeder scheitern oder man stellt die Klimaneutralität selbst in Frage, was sich von den demokratischen Parteien bisher keiner traut.

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