Die Elektromobilität ist der zentrale Baustein auf dem Weg zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors. Elektromobilität ist mehr als Technologie – sie steht für Verantwortung gegenüber Umwelt, Gesellschaft und den kommenden Generationen. Aber lokal CO₂-emissionsfreies Fahren allein genügt nicht. Auch das Laden muss effizient, intelligent und nachhaltig sein.
Daher arbeiten Autohersteller wie Mercedes‑Benz an innovativen Ladelösungen für zu Hause, den Arbeitsplatz und den öffentlichen Raum, um aktiv die Zukunft des Ladens zu gestalten. So brachte das Unternehmen 2021 als einer der ersten Automobilhersteller mit Plug & Charge eine Funktion auf den Markt, die Schnellladen so einfach wie nie zuvor machte.
Mit dem Fokus auf lokal CO₂-emissionsfreies Fahren, intelligentes Laden und ganzheitliche Ressourcenschonung setzt Mercedes‑Benz beim Experimental-Lade-Fahrzeug ELF nun ein weiteres Zeichen für nachhaltige Innovationen. Das ELF soll mehr als ein Fahrzeug sein, Mercedes spricht gar von einem „Symbol für den Aufbruch in eine neue Ära des Ladens“. Das rollende Ladelabor vereint ultraschnelles, bidirektionales, solares, induktives und konduktives Laden in einem ganzheitlichen Konzept, das die Grenzen des Machbaren neu ausloten soll.
Schnellladen an der Grenze des Machbaren
Schnellladen ist der Schlüssel für die Alltagstauglichkeit der Elektromobilität. Mit dem Experimentalfahrzeug ELF erforscht Mercedes‑Benz die Grenzen des technisch Machbaren – sowohl im Fahrzeug als auch an der Ladesäule. Dafür ist das Experimentalfahrzeug mit zwei Schnellladesystemen ausgestattet, die unterschiedliche Anwendungsfelder abdecken: Mit MCS (Megawatt Charging System), das ursprünglich für den Schwerlastverkehr entwickelt wurde und Ladeleistungen im Megawattbereich ermöglicht. Im ELF dient MCS als Forschungswerkzeug, um die thermische Belastbarkeit und Leistungsgrenzen von Hochvoltbatterien, Leistungselektronik, Ladekabel und weiteren Komponenten unter Extrembedingungen zu testen. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Entwicklung von Langstreckenfahrzeugen und Flottenlösungen mit kurzen Standzeiten ein.
Auch ein herkömmlicher CCS-Stecker (Combined Charging System) ist verbaut, um seriennahe Komponenten wie Kabel, Stecker, Kühlung und Ladesteuerung unter Alltagsbedingungen zu erproben. Mercedes‑Benz testet die technischen Grenzen von CCS aus, um die Voraussetzungen für noch höhere Ladeleistungen zu schaffen. Im ELF sind bis zu 900 kW Ladeleistung möglich. Damit können 100 kWh innerhalb von nur zehn Minuten geladen werden. Das Fahrzeug simuliert typische Ladeszenarien, wie sie auch im Kundenalltag auftreten, etwa an Schnellladestationen entlang von Autobahnen oder im urbanen Raum. Die eingesetzten Komponenten wie Batterie, Ladesteuerung und CCS-Hardware sind bereits seriennahe Entwicklungen und werden perspektivisch in kommende Mercedes‑Benz Modelle einfließen.

Mit der Kombination aus MCS und CCS verfolgt Mercedes‑Benz einen doppelten Forschungsansatz: Einerseits werden neue technologische Horizonte ausgelotet und die Technologie der Zukunft entwickelt. Andererseits soll die Serienreife bestehender Systeme und somit das Ladeerlebnis von heute verbessert werden. Ein Beispiel dafür, wie die gewonnenen Erkenntnisse direkt in die Entwicklung künftiger Serienmodelle einfließen, ist das Technologieprogramm Concept AMG GT XX. Das Konzeptfahrzeug setzt neue Maßstäbe im Bereich Hochleistungsladen. Es kann binnen fünf Minuten Energie für etwa 400 Kilometer Reichweite nachladen.
Das Concept AMG GT XX schafft eine sehr hohe Durchschnitts-Ladeleistung von 850 kW bei 1000 Ampere über einen großen Bereich der Ladekurve. Im Anschluss an seine Rekordfahrt in Nardò erreichte das Concept AMG GT XX beim Megawattladen sogar eine maximale Ladeleistung von 1041 kW, wovon Elektroauto-News-Herausgeber Sebastian Henßler sich vor Ort live überzeugen konnte.
Mercedes‑Benz hat gemeinsam mit Alpitronic, einem Marktführer im Bereich High-Power-Charging, für die Rekordfahrt des Concept AMG GT XX den Prototypen einer Hochleistungs-Ladesäule entwickelt. Sie kann erstmals über ein CCS-Kabel Ströme von bis zu 1000 Ampere übertragen – doppelt so viel wie bisher üblich. Möglich wurde das durch die Nutzung einer ursprünglich für Lkw ausgelegten MCS-Ladesäule, bei dem das Lkw-Kabel durch ein CCS-Kabel ersetzt wurde. Die Kühlleistung im Stecker und im Kabel bleibt dabei erhalten und ermöglicht die höheren Leistungen. Dieses Ladesystem wurde nicht separat, sondern gemeinsam mit dem Fahrzeug entwickelt. Auf einem Prüfstand in Stuttgart-Untertürkheim simulierte das Entwicklungsteam reale Ladeszenarien, bei denen Fahrzeugkomponenten und Ladesäule zusammen getestet und validiert wurden. Das zeigt den ganzheitlichen Entwicklungsansatz von Mercedes‑Benz.

Die Erkenntnisse aus der Prototypen-Ladesäule fließen direkt in die Entwicklung einer neuen Generation von High-Performance-Schnellladern ein, die an Mercedes‑Benz Ladeparks zum Einsatz kommen soll. Kundinnen und Kunden werden dadurch von enorm schnellen Ladevorgängen profitieren, bei denen sich Ladezeiten nur noch unwesentlich von herkömmlichen Tankvorgängen mit Kraftstoff unterscheiden. Kürzere Ladezeiten bedeuten mehr Flexibilität auf Reisen und einen deutlichen Komfortgewinn im Alltag. Damit unterstreicht Mercedes‑Benz seine Innovationskraft und möchte damit künftig neue Maßstäbe für das öffentliche Laden setzen.
Bidirektionales Laden: Energie zurückgeben, Zukunft gestalten
Bidirektionales Laden ist mehr als eine technologische Option – es ist ein strategischer Hebel für die Energiewende. Mit dem ELF erforscht Mercedes‑Benz das volle Potenzial dieser Schlüsseltechnologie: Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch ins Haus (Vehicle-to-Home, V2H), ins Netz (Vehicle-to-Grid, V2G) oder direkt an Bord an elektrische Geräte (Vehicle-to-Load, V2L) abgeben.
Damit können Elektroautos zum aktiven Bestandteil eines nachhaltigen Energiesystems werden. Künftig sollen sie Kundinnen und Kunden mehr Unabhängigkeit ermöglichen sowie Potenzial zur Kosteneinsparung bieten. Der ELF testet bidirektionales Laden in realen Szenarien. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen direkt in die Serienentwicklung kommender Modelle einfließen.
Das ELF ist sowohl AC- als auch DC-bidirektional ladefähig: AC (Wechselstrom) ermöglicht die Stromversorgung elektrischer Geräte (V2L) sowie die Rückspeisung über eine bidirektionale AC-Wallbox direkt ins Hausnetz – für Anwendungen wie Vehicle-to-Home (V2H), Vehicle-to-Building (V2B) oder ins öffentliche Stromnetz (V2G). Vorteil: Die Infrastruktur ist kostengünstiger. Nachteil: Die Standardisierung wird komplexer, da das Fahrzeug die Anforderungen verschiedener Stromnetze erfüllen muss.

DC (Gleichstrom) erlaubt eine direkte Rückspeisung mit einer bidirektionalen DC-Wallbox ins öffentliche Stromnetz (V2G) und direkt ins Haus- oder Gebäudenetz (V2H, V2B), je nach eingesetzter Infrastruktur. Vorteil: Hohe Effizienz insbesondere bei Einsatz eines Hybrid-Wechselrichters gemeinsam für bidirektionales Laden. Mit Photovoltaik und Heimspeicher, einfachere Erfüllung der Netzanforderungen. Ein möglicher Nachteil könnten die etwas höheren Investitionskosten für die Ladeinfrastruktur sein.
Mercedes-Benz bringt hier nicht nur Forschung, sondern auch Erfahrung ein, wie durch die erfolgreiche Einführung des bidirektionalen Ladens in Japan mit dem Chademo-Standard. Auch für den CCS-Standard bereitet Mercedes‑Benz konkrete Kundenangebote vor. Der neue vollelektrische CLA und der neue GLC sind bereits technisch für bidirektionales Laden mit einer kompatiblen Gleichstrom (DC)-Wallbox vorbereitet. Im Laufe des Jahres 2026 will Mercedes‑Benz erste Services für bidirektionales Laden in Deutschland, Frankreich und Großbritannien starten, weitere Märkte sollen folgen.
Das Angebot MB.Charge Home kombiniert Fahrzeug, bidirektionale Wallbox, Ökostromtarif und Energiemarktzugang. Ziel ist es, Haushaltskosten zu senken und die Netzstabilität zu unterstützen. Über intelligente Steuerung und eine App können Fahrzeuge nicht nur kostenoptimiert laden, sondern auch Energie ins Hausnetz oder Stromnetz zurückspeisen. Damit werden Elektroautos zu aktiven Energiespeichern und leisten einen Beitrag zur Energiewende.
Allgemeine Kundenvorteile durch bidirektionales Laden
Für Kundinnen und Kunden eröffnet sich mit bidirektionalem Laden ein neues Maß an Unabhängigkeit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit:
- Autarkie und Notstromversorgung: Eine Hochvoltbatterie in einem Elektroauto mit 70 bis 100 kWh Kapazität kann einen durchschnittlichen Einfamilienhaushalt für zwei bis vier Tage vollständig mit Strom versorgen (V2H) – ideal bei Stromausfällen oder zur Ergänzung einer Photovoltaikanlage. Zudem kann das Fahrzeug über V2L (Vehicle-to-Load) auch als mobile Stromquelle für elektrische Geräte dienen und beispielsweise flexibel Werkzeuge oder Haushaltsgeräte mit Energie versorgen.
- CO₂-Fußabdruck verringern: Es wird gezielt Solarstrom genutzt. Überschüssiger Solarstrom kann in der Hochvoltbatterie für einen späteren Bedarf im eigenen Haus (V2H) zwischengespeichert werden. So lassen sich CO₂-Emissionen einsparen.
- Geringere Energiekosten: In Kombination mit einem intelligenten Energiemanagement lassen sich Stromkosten deutlich senken. Je nach Nutzungsszenario sind Einsparungen von rund 500 Euro pro Jahr und auch mehr möglich, was etwa 10.000 kostenlosen Kilometern entspricht.
Das Elektroauto als Schlüssel für die Energiewende: Bidirektionales Laden als Gamechanger
Elektroautos spielen eine zentrale Rolle für die Energiewende, nicht nur als lokal CO₂-emissionsfreie Fortbewegungsmittel, sondern auch als mobiler Speicher für erneuerbare Energie. Durch bidirektionales Laden (Vehicle-to-Grid, V2G) können sie überschüssige Energie aus Wind- und Solaranlagen aufnehmen und bei Bedarf wieder ins Stromnetz einspeisen. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Netzstabilität und Versorgungssicherheit sowie eine bessere Nutzung erneuerbarer Energiequellen.
Ein zukunftsweisender Ansatz im Kontext der zunehmenden Verzahnung von öffentlichem Laden und dem Laden zu Hause ist die Idee eines „Virtuellen Kontos für Energie“. Also der Möglichkeit, erzeugten Solarstrom nicht nur zu Hause, sondern auch unterwegs flexibel zu nutzen. Das Prinzip: Kundinnen und Kunden bekommen für überschüssigen Strom aus ihrer Photovoltaikanlage und für netzdienliches Laden und Entladen zu Hause ein Energie-Guthaben auf einem virtuellen Konto. Das angesammelte Guthaben könnte zu einem späteren Zeitpunkt flexibel eingesetzt werden, entweder zu Hause oder unterwegs an öffentlichen Ladesäulen.

Durch die Nutzung eines solchen virtuellen Kontos könnten Kundinnen und Kunden erzeugten Strom wirtschaftlich effizienter nutzen und ihre Abhängigkeit von schwankenden Strompreisen verringern. Technologische Voraussetzung wäre ein geschlossenes Ökosystem sowie eine tiefe Integration von Fahrzeug, Ladeinfrastruktur und Cloud-Plattform. Mit dem Lade-Ökosystem MB.Charge verfügt Mercedes‑Benz bereits über solch ein digitales Rückgrat: Es vernetzt Ladepunkte, Energieflüsse und Nutzerprofile und ermöglicht so eine intelligente Steuerung und Abrechnung unabhängig vom Ort des Ladevorgangs. Ziel dieser Vision ist es, Kunden maximale Flexibilität zu bieten und gleichzeitig das Stromnetz zu entlasten.
Induktives Laden: Kabellos in die Zukunft
Mit dem ELF erprobt Mercedes‑Benz zudem das Laden ganz ohne Kabel per Induktion. Dabei wird elektrische Energie über ein im Boden integriertes Ladesystem kontaktlos auf das Fahrzeug übertragen. Diese Technologie bietet besonders zu Hause und für Flottenanwendungen großes Potenzial, da sie das Laden komfortabler und nahezu unsichtbar macht.
Das ELF ist mit einem induktiven Ladesystem ausgestattet, das auf dem Prinzip der magnetischen Resonanz basiert. Die Ladeleistung liegt aktuell bei 11 kW Wechselstrom, was einer typischen Wallbox entspricht. Die Technologie wird im Rahmen des Projekts auf Alltagstauglichkeit, Wirkungsgrad und Kompatibilität mit verschiedenen Fahrzeughöhen und -positionierungen getestet für unterschiedliche Mobilitätskonzepte wie Premiumfahrzeuge, Robotaxi-Ansätze oder Flottenlösungen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Nutzerfreundlichkeit und internationalen Skalierbarkeit. In Märkten wie Asien oder Südafrika stößt das Thema „hands-free charging“ auf besonders großes Interesse. Dort wird induktives Laden als komfortable Lösung für beengte oder unsichere Ladeumgebungen gesehen. Der neue Elektro-Cayenne von Porsche kann bereits ab Werk mit induktiver Ladelösung geordert werden.

Konduktives Laden: Für eine effiziente Energieübertragung
Das automatisierte konduktive Laden über den Fahrzeugboden stellt eine weitere innovative Methode dar, um Elektroautos komfortabel und effizient zu laden. Beim konduktiven Laden werden spezielle Ladeplatten im Boden genutzt, die mit dem Fahrzeug kommunizieren. Sie helfen dem Fahrer oder dem Park Assist, das Fahrzeug korrekt einzuparken und den Ladevorgang einzuleiten. Die Energieübertragung erfolgt durch eine direkte physische Verbindung über einen sogenannten Connector im Fahrzeugboden. Die Ladeleistung liegt aktuell bei 11 kW AC. Besonderes Augenmerk beim ELF liegt auf der Installation des Connectors im Fahrzeugboden und den Positionierungsanforderungen: Das Fahrzeug muss in einem bestimmten Bereich über der Ladeplatte positioniert werden, um den Ladevorgang zu starten, was zielgerichtetes Parken erfordert.
Das automatische konduktive Laden am Unterboden bietet wie das induktive Laden zahlreiche Vorteile: Fahrerinnen und Fahrer müssen keine Kabel anschließen oder trennen, was den Komfort und die Benutzerfreundlichkeit deutlich steigert. Zudem wird das Risiko von Kabelverschleiß und möglichen elektrischen Gefahren minimiert. Gerade für barrierefreie Anwendungen oder enge Parkräume ist das konduktive Laden besonders geeignet. Ein weiterer Vorteil ist die ästhetische Integration der Ladeinfrastruktur in den Boden, was zu einem aufgeräumten Erscheinungsbild führt und weniger Platz benötigt als traditionelle Ladestationen. Hinzu kommt: Der Wirkungskrad entspricht dem von kabelgebundenen Systemen und ist etwas besser als bei induktiven Lösungen.
Automatisiertes Laden: Infrastruktur mit Robotik neu gedacht
Zusätzlich zur Steigerung der Ladeleistung rückt auch die Automatisierung des Ladevorgangs per Robotik zunehmend in den Fokus. Besonders im Bereich des Schnellladens, wo hohe Ströme und große Kabelquerschnitte eingesetzt werden, bietet robotergestütztes Laden eine vielversprechende Lösung. Mercedes‑Benz erforscht deshalb automatisierte Ladesysteme, die es ermöglichen, Fahrzeuge präzise, sicher und ganz ohne manuelles Zutun mit der Ladeinfrastruktur zu verbinden. Ein interessanter Schritt insbesondere für Flottenbetriebe, barrierefreie Mobilitätskonzepte und das Premiumsegment.
Quelle: Mercedes-Benz – Pressemitteilung vom 09.10.2025