Elektroauto-Industrie: Von der Euphorie zur Krise

Cover Image for Elektroauto-Industrie: Von der Euphorie zur Krise
Copyright ©

North Monaco / Shutterstock.com

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Vor nicht allzu langer Zeit waren die Höfe der Autohändler leer, die Produktion stockte und die Kunden standen Schlange, besonders für Elektroautos. In Deutschland, wo Elektroautos mit bis zu 9000 Euro gefördert werden, gab es teils absurde Wartezeiten. Ein Audi Q4 e-tron? Verfügbar, aber erst in 18 Monaten. Wobei sich dieses Bild durch alle Automobilhersteller gezogen hat.

Heute ist das Bild anders, wie das Manager Magazin berichtet. „Bei Audi steht das Lager voll“, sagt ein Händler, „und bei uns sieht es nicht anders aus.“ Die Hersteller haben in den vergangenen Monaten viele Autos auf den Hof gestellt. Doch die Nachfrage nach Elektroautos ist eingebrochen. VW-Markenchef Thomas Schäfer sprach vor seinem Management von einem „letzten Weckruf“. „Unser Fahrzeuggeschäft ist krank“, zitierten Teilnehmer der Sitzung Schäfers Finanzchef Patrik Andreas Mayer.

Halbleiterkrise adé, Elektrokrise ahoi

Von der Halbleiterkrise, die sich durch das vergangene Jahr gezogen hat, ist nicht mehr allzu viel zu spüren. Die Situation am Markt entspannt sich ein wenig, wodurch die Hersteller auch wieder in der Lage sind, entsprechend E-Autos zu produzieren. Doch die Zurückhaltung der Käufer:innen ist spürbar. Aus der Euphorie für Elektromobilität ist eine richtige Elektrokrise geworden.

Für Hersteller führt dies dazu, dass diese zu Mitteln greifen müssen, von denen man sich bislang abgewandt hatte: Rabatte. Wer den Markt beobachtet hat, dem ist aufgefallen, dass die Preise in den vergangenen Jahren außergewöhnlich stabil waren. Auch deshalb verdienten viele Automobilhersteller zuletzt glänzend. Den neuen Trend zum Discount sieht man bei den meisten Marken zwar nicht an der unverbindlichen Preisempfehlungen. Doch die Rabatte kommen zurück, versteckt in Bonus- und Zinsmodellen, Restwertanpassungen und ähnlichen Maßnahmen.

Losgetreten wurde diese Rabattschlacht durch Tesla. Die Preise für deren Model 3 und Model Y wurden seit Jahresbeginn immer wieder gesenkt. Was dazu geführt hat, dass Tesla die Absätze steigern konnte, im gleichen Zug aber auf Marge verzichten musste. Dies scheint zumindest hinnehmbar für den us-amerikanischen Automobilhersteller.

Deutsche Hersteller hingegen haben bislang auf die Hilfe der Politik gesetzt. Lange hat die Bundesregierung geholfen mit Prämien; doch die staatliche Förderung für Elektroautos wird nach und nach reduziert. Im September folgt die nächste Stufe, dann läuft der „Umweltbonus“ für Firmenkunden komplett aus. Die Hersteller und auch der Branchenverband VDA bemühten sich in Berlin bereits um neue Förderimpulse, berichten Insider – doch bislang ohne Ergebnis.

Die Zukunft der Elektroauto-Industrie

In der Szene werden derzeit bereits Horrorszenarien gemalt: „Bei Privatkunden ist die E-Auto-Nachfrage wegen all der wirtschaftlichen Unsicherheiten praktisch bei null“, sagt ein Škoda-Händler. „Im Flottenbereich geht es noch. Aber das wird sich ab September wohl auch erledigen.“ Bei Audi reagiert man darauf mit einer sogenannten „Stay-Prämie“ für Firmenkunden, die einen Q4 e-tron bestellt haben. Die garantiert auch dann 4500 Euro Nachlass, wenn die Autos erst zwischen September 2023 und Ende März 2024 ausgeliefert werden.

Audi-Händlern werden zudem entsprechende Möglichkeiten für Rabatte eingeräumt. So sollen die Konditionen etwa für das große E-SUV Q8 e-tron angepasst worden sein. Eine Audi-Sprecherin entgegnete auf Nachfrage des Manager Magazins, Audi setze auf „einen langfristigen Premium-Preispfad“. Um die Elektromobilität weiter hochzufahren, „versuchen wir marktgerechte Kundenangebote in den Markt zu geben“. Im Detail müssten die aber die Handelspartner kalkulieren.

Mancher Audi-Händler dreht bereits an der Preisschraube und bietet „sofort“ verfügbare Modelle im Leasing für weniger als 500 Euro an. Das ist noch kein Tesla-Model-Y-Niveau, aber eine erste Annäherung. „In den nächsten Monaten werden wir vom Hersteller aber sicher noch mehr Stützen bekommen„, sagt der Verkaufsleiter eines Audi-Partners. „Den Vorgänger des Q8, den Audi e-tron, konnten wir einst für 399 Euro monatlich anbieten. Da müssen wir wieder hin.“

Auch andere Volkswagen-Marken reagieren. Den Škoda Enyaq etwa findet man auf Händler-Websites schon mal für rund 250 Euro im Monat, den Cupra Born für weniger als 200 Euro. Die Lage bei VW ist komplex, zumindest bei den Elektroautos. In China wurden zuletzt abgespeckte Varianten des ID.3 für massive Preisnachlässe platziert. Es bleibt spannend am Elektroauto-Markt.

Quelle: Manager-Magazin – Wie die ersten Hersteller heimlich in den Preiskampf mit Tesla einsteigen

worthy pixel img
Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Manfred:

Warum sollten die Reichweiten rauf? Die durchschnittliche Tagesreichweite beträgt 40 km. Höhere Reichweite bedeutet größerer Akku und noch mehr Verbrauch von teurer Energie und knappen, teuren Rohstoffen. Allein die Rohstoffgewinnung in der dritten Welt zerstört die Lebensgrundlagen vieler Menschen. Das bedeutet noch mehr Kriege und noch mehr Flüchtlinge. Wollen wir das wirklich?

Bei den Preisen bin ich radikaler. Die würde ich halbieren bei kleineren Fahrzeugen, weniger Reichweite und weniger Motorleistung. Nur so kommen wir voran mit der Klima- und Energiewende.

Matthias Geiger:

Die Firmenwagen, Ministerien, Flotten, Zweit- und Drittwagen sind abgeschöpft. Der „gemeine“ Bürger wäre jetzt dran. Der kauft sich kein E-Auto über 50.000 Euro oder einen E-SUV über 100.000 Euro. Die Preise müssen um 30 % runter und die Reichweiten um 30 % hoch. Auch der Ladestrom sollte unter 30 ct/kWh kosten. Also Tripple -30 %.

Zettmaster:

Blaupunkt Löwe etc..

Thomas Jevsevar:

Es wären schon einige bereit, für einen kompakten Kombi Geld zu zahlen.
War auch am ID3 interessiert, bis klar war, das es keine brauchbare AHK
für den Brennholztransport gibt.
Von da an habe ich im Oktober 2020 den Skoda Enyaq vorbestellt,
übrigens das erste Auto, das ich bestellt habe, ohne es in Natura gesehen zu haben.
Sie haben einerseits ja ganz recht, mit Hausfrauen Panzer, aber es gibt einfach keinen BEV Kombi mit AHK.
Bin auf eine solche angewiesen, da ich keinen Traktor, oder ähnliches habe.
Mfg

Manfred:

Im großen und ganzen einverstanden. Eine kleine physikalische Anmerkung trotzdem. Durch die Rekuperation wird nur die Energie zurück gewonnen, die vorher reingesteckt wurde. Die Bewegungsenergie ist proportional zur Masse und zum Quadrat der Geschwindigkeit. Besser ist es diese Energie erst gar nicht aufzuwenden als sie mit Verlusten zurück zu wandeln. Mit dem Wirkungsgrad Kennlinien der E-Motoren kenne ich mich nicht aus. Hier müsste man wohl Mal betrachten wie sich die klassischen Motoren von den Reaktanzmotoren unterscheiden.

EinfachNurKlarDenken:

Bitte nicht vergessen, eine hohe Peakleistung beim BEV bedeutet keinen hohen Verbrauch wie beim Verbrenner. Ganz im Gegenteil, eine hohe Motorleistung in Verbindung mit entsprechenden Akku(-technologie) bringt eine hohe Rekuperation.
Oder warum komme ich auf meiner persönlichen Teststrecke unter vergleichbaren Bedingungen beim Tesla M3P mit ca. 530 PS auf einen Minimalverbrauch von 11,5kWh, während der Cupra Born dort mindestens seine 16,8 kWh benötigt mit „milden“ 204 PS !?!?! Gut der i3s schafft es mit 11,8 kWh auf dieser Strecke mit 184 PS, obwohl ein Leichtgewicht, dessen „geringes“ Gewicht kontraproduktiv zur Rekuperation steht.
Aber ganz klar hast Du recht, immer größer immer schwerer und immer mehr Leistung führt zwangsläufig zum Aus der bisherigen Konzepte. Die Natur zeigt es seit Millionen von Jahren ganz offensichtlich, das Sparen ist das Erfolgskonzept um zu überleben, nicht das Verschwenden. Aber wie überzeugt man einen Narzissten, sich von seinem Statuskokon abzuwenden hin zum ökologischen fahrbaren Untersatz ?! Bestimmt nicht mit Logik, denn dieser giert immer nach einem Auto, das er nicht benötigt, welches mit Geld bezahlt wird das er nicht hat, um Leute zu beeindrucken, die er nicht mag. Bis dato hat die hiesig Automobilindustrie prächtig damit verdient, denn warum mutieren seit Jahren sportliche oder Sportwagenhersteller hin zum LKW-Hersteller wenn man sich deren Produktportfolie betrachtet ?!? Berlin als Stadt verstopft mit PKW, dadurch verschwinden Lebensräume und in Anbetracht der Umkehr wählt primär aus den außerhalb des eigentlich Stadtkerns liegen Bezirke eine Partei, die wieder mehr PKW in die verstopfte Stadt lassen und Radwege abbauen lassen will ?! Da wo andere europäische Städte eine viel rigidere Verkehrspolitik eben mit Verpflichtungen verfolgen (müssen) !? Der Mensch hinter seiner Maske des individuellen Fortbewegungsmittel ist nicht so zu überzeugen oder abzuholen, denn er ist disfunktional entwickelt.

Diet:

Ich bin erfreut über die vielen vernünftigen Diskussionsbeiträge, die die Schwachpunkte
auf den Punkt bringen. Überteuert, zu groß, zu schwer, intransparentes Strompreis Durcheinander, Ladeprobleme usw. Die arroganten sogenannten Premiumhersteller sollten
Ihre Verantwortung endlich Ernst nehmen.

Raymond_NL:

Grundig, Telefunken und Nordmende.

Nick8888:

„Taschen voll machen“, „abzocke“ ich kann es nicht mehr hören.
Wer hohe Risiken geht und einem knallharten internationalen Wettbewerb ausgeliefert ist, der hat nichts zu verschenken. Niemand ist gezwungen, ein Produkt zu kaufen.
wer Leistung bringt darf auch was verdienen. Und Leute in der deutschen Autoindustrie verdienen- zum Glück – (noch) sehr gut

panib:

Jetzt ist das Gejammere groß. Aber vorher den potentiellen Umsteiger auf E-Mobilität verarschen- immer dickere, immer teurere Autos, mit denen sich Geld verdienen lässt, Auto-Normalo aber vergessen. Dazu die Abzockerei durch die Stromgeier, die bei absoluten Tiefpreisen an der Elektrobörse die Preise immer noch nicht merklich senken, nachdem sie angesichts der sich abzeichnenden rasanten Steigerung des E-Auto Absatzes das dicke Geschäft gewittert hatten.
Ich denke, jetzt sind wir mal wieder am Zug. Wer bis jetzt noch nicht den Fehler gemacht hat, sich ein E-Auto zuzulegen (Softwarekapriolen, Abrechnungschaos, fehlende Preisübersicht an den Ladesäulen, oft ungenügende Filtermöglichkeiten in den Ladeapps und in den Autos…), sollte jetzt seinen Verbrenner weiter fahren und auf die ersten Gebrauchtwagen warten. Bis dahin haben auch diese Autos vermutlich keine SW Probleme mehr, die Ladeinfrastruktur wird sich weiter verbessert haben und bezahlbare deutsche Autos werden auf den Markt kommen, wir der ID2all.

Ähnliche Artikel

Cover Image for MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

Michael Neißendorfer  —  

Auf einer 800-Volt-Plattform aufbauend, versprechen die Elektroautos nicht nur flotte Ladezeiten sondern auch hohe Reichweiten und viel Leistung.

Cover Image for Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Sebastian Henßler  —  

Für härteste Einsätze gemacht: Munros elektrischer 4×4 bietet Nutzlast, Zugkraft und drei Aufbauformen – wartungsarm, geländetauglich und alltagstauglich.

Cover Image for Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Michael Neißendorfer  —  

Ein entscheidender Gamechanger in der Elektromobilität spielt sich nicht auf der Straße ab – sondern in der Einfahrt, wie Zahlen von Ford zeigen.

Cover Image for Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Sebastian Henßler  —  

Vier Motoren, 1625 Nm Drehmoment und Launch Cam: Rivian stattet R1T und R1S mit verbesserter Technik für Alltag und Offroad aus.

Cover Image for Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Michael Neißendorfer  —  

Mit der Serienproduktion der Batterien für den vollelektrischen CLA setzt die Mercedes-Benz Tochter Accumotive in Kamenz einen großen Meilenstein.

Cover Image for Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Sebastian Henßler  —  

Ultra Violet trifft auf Flaming Red: Der ID.3 GTX Fire + Ice erinnert an den Golf-Klassiker von 1990 – jetzt mit Elektroantrieb, Design von Bogner und 240 kW Power.