BYD: Chinas Elektroauto-Riese korrigiert Kurs in Europa

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BYD

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Chinas größter Hersteller von Elektroautos will seine Position in Europa grundlegend verbessern. BYD hatte sich beim Start in Europa übernommen und ein paar Missgeschicke verursacht. Das Unternehmen unterschätzte die Vielfalt der Märkte, vernachlässigte lokale Besonderheiten, schlampte beim Marketing und setzte zu einseitig auf reine Elektroautos. Diese Fehler führten zu schleppenden Verkäufen und einer enttäuschenden Zwischenbilanz. Während BYD China rasant wuchs, blieb der Erfolg in Europa zunächst aus. Nun reagiert der Hersteller allumfassend, wie Reuters berichtet.

Der Konzern weitete sein Vertriebsnetz deutlich aus und verpflichtete mehrere erfahrene Manager aus der europäischen Autoindustrie. Besonders bei Stellantis bediente sich BYD großzügig. Unter den neuen Führungskräften finden sich bekannte Namen wie Maria Grazia Davino, die nun das Deutschland-Geschäft verantwortet, sowie Alessandro Grosso für Italien und Alberto De Aza für Spanien. Die Wechsel waren für Stellantis schmerzhaft, wie ein Insider sagt: „Das waren keine Leute, die wir gerne verloren haben.“

NEV, was sind NEV?, fragt man sich in Deutschland

Ein zentraler Fehler von BYD war die Annahme, Europa funktioniere wie ein einheitlicher Markt. Das Gegenteil ist der Fall: Kundenbedürfnisse, politische Rahmenbedingungen und Ladeinfrastruktur unterscheiden sich teils erheblich. Und in Deutschland kam die Botschaft der Marke nicht an. Die Bezeichnung „NEV“ – in China gängig für neue Antriebsarten – sorgte im Rahmen der Sponsoringkampagne bei der Fußball-EM 2024 eher für Verwirrung. Viele potenzielle Käufer wussten schlicht nicht, was damit gemeint war.

BYD setzte anfangs ausschließlich auf vollelektrische Modelle. Damit stieß das Unternehmen in vielen Regionen Europas auf Zurückhaltung. Zahlreiche Länder haben eine hohe Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor und tun sich schwer mit dem direkten Umstieg. Der Strategiewechsel kam daher auf Empfehlung eines neuen Beraters: Alfredo Altavilla, früher unter anderem bei Fiat-Chrysler tätig, riet dem BYD-Vorstand zur Einführung von Plug-in-Hybriden für Europa. Die Unternehmensleitung reagierte umgehend. Künftig sollen alle Modelle sowohl als Elektroauto als auch als Plug-in-Hybrid angeboten werden.

Die Bedeutung dieser Anpassung betonte Altavilla bei einer Veranstaltung in Italien. Er sprach offen davon, dass es unklug sei, an den Kundenbedürfnissen vorbeizuplanen. „Es braucht eine schrittweise Umstellung und Aufklärung der Kunden“, so Altavilla. Seine Einschätzung wurde schnell zur neuen Marschrichtung bei BYD.

Die Leitung der Europageschäfte übernahm inzwischen Stella Li, die zuvor weltweit die Nummer zwei im Konzern war. Sie ersetzt Michael Shu, der einst das Ziel formulierte, BYD bis 2030 zum führenden E-Auto-Anbieter Europas zu machen. Doch bis Ende 2024 lag der Marktanteil lediglich bei 2,8 Prozent. Rund 57.000 verkaufte Autos in Europa blieben weit hinter den Erwartungen zurück. In Deutschland waren es sogar nur etwa 2900 Einheiten.

Die jüngsten Zahlen zeigen immerhin bereits einen positiven Trend. Im ersten Quartal des Jahres konnte BYD seine Verkäufe in Europa im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdreifachen. Mit über 37.000 Autos im Zeitraum Januar bis März sieht das Unternehmen nun erste Erfolge seines Neustarts. Besonders in Großbritannien und Südeuropa stieg die Nachfrage. Auch die Händlerstruktur wird überarbeitet. In Deutschland soll das Netz von bislang 27 Standorten auf 120 wachsen. Damit will BYD näher an die Kunden und auch in ländlichen Regionen präsenter sein. Denn die bisherigen Standorte konzentrierten sich zu stark auf große Städte. Dieser Ausbau ist ein zentraler Baustein der neuen Europa-Strategie.

Wettbewerb aus China kommt auch nach Europa

Hinter dem Druck zum schnellen Erfolg steht der Wettbewerb in China selbst. Dort liefern sich Dutzende Automobilhersteller einen harten Preiskampf, der die Margen drückt. Um langfristig profitabel zu bleiben, müssen chinesische Hersteller im Ausland wachsen. Das gilt nicht nur für BYD, sondern auch für Konkurrenten wie Nio oder Changan. Ein Vorteil von BYD ist die hohe Flexibilität in der Produktentwicklung. In China reagiert der Konzern schnell auf Kundenwünsche. Dieses Tempo soll nun auch in Europa Einzug halten. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung, die hauseigene Assistenzsystem-Technologie „God’s Eye“ serienmäßig auch in günstigen Modellen zu verbauen. In China kostet ein entsprechendes Auto teils unter 10.000 US-Dollar. Ob diese Strategie auch in Europa aufgeht, wird sich zeigen müssen.

Auf der Automesse in Shanghai präsentierte BYD kürzlich neue Modelle aus unterschiedlichen Preissegmenten. Darunter der günstige Seal 06, der rund 100.000 Yuan kosten soll, sowie der Sealion 06 für etwa 160.000 Yuan. Umgerechnet entspricht das rund 13.700 und 22.000 Euro. Neben diesen Einstiegsmodellen stellte BYD auch den Yangwang U8L vor – ein großer SUV mit drei Sitzreihen – und die Sportwagenstudie Denza Z.

Fachleute aus der Branche sehen die Maßnahmen von BYD als ernsthaften Versuch, die eigenen Fehler zu korrigieren. So betont der Leasinganbieter Ayvens, ein Partner von BYD in Europa: „Sie nehmen die Herausforderung an. Aber es wird Zeit brauchen.“ Der Chef des Unternehmens vergleicht die Situation mit westlichen Marken, die in China Fuß fassen wollten. Auch dort hätten viele erst lernen müssen, dass gewohnte Strategien nicht automatisch funktionieren. Europa bleibt für BYD ein Schlüsselmarkt. Wer langfristig zu den führenden Autoherstellern der Welt zählen will, muss hier bestehen. Die Grundlagen dafür werden derzeit gelegt. Doch erst die kommenden Monate werden zeigen, ob BYD aus den anfänglichen Fehlern wirklich gelernt hat.

Quelle: Reuters – Exclusive: China EV giant BYD reboots Europe operations after strategic stumbles, sources say

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Talis:

Ja verdammt, der VW-Konzern hat ja auch nur 7-8 BEVs in den Top10. Das ist wirklich katastrophal!

Norbert Mikscha:

BYD hat nichts gelernt.
Bringt den Sealion 07 ohne 800 Volt Technik, daher Ladeleistung Grottenschlecht.
Veraltete Navigation, der Seal hat schon per Update neuere Funktionen usw.
Warum muss man bei einem neuen Fahrzeug auf Updates warten um halbwegs auf den Stand vom Seal zu kommen???!!!
Ausstattung ist top warum nicht der Rest?
Kürzlich hat es auf YouTube einen Vergleich mit zwei anderen Fahrzeugen gegeben wo der Sealion 07 letzter wurde.
Warum nicht erster?!
Schwächen wurden schon beim Seal erkannt und durch Updates behoben.
Aber nach zwei Jahren im neuen Modell wieder eingeführt

Smartino:

„Wie schnell bekomme ich Ersatzteile/ welche Werkstatt traut sich an komplizierte Reparaturen…. falls es Reparatur“ überhaupt BRAUCHT?

Ludwig:

Wo kommen denn die over the Air Updates her. Funktionieren die Fahrassistenten noch nach Updates oder lenken einen die Chinesischen Algorithmen wieder mal ohne zu bremsen in eine Baustelle (SU7).
Wie schnell bekomme ich Ersatzteile/ welche Werkstatt traut sich an komplizierte Reparaturen…. falls es Reparatur Anleitung überhaupt gibt?

Michael D.:

Meiner Meinung nach fehlt ein attraktiver Leasingpreis für Unternehmen. Ich würde mir sofort einen Seal oder einen X6 holen, wenn ein Leasingfaktor von 0,8 angeboten werden würde. 30000KM / 5% Anzahlung. Wenn aber VW den ID7 zum gleichen Preis im Leasing anbietet, schau ich auf die Kosten. Tesla hat ja letztes Jahr das Model Y über Leasing rausgeschossen. Damit würden Sie ( BYD, Xpent & Co) sich Marktanteile kaufen, ohne den Listenpreis zu ramponieren. Ein Händler in 80 Km Entfernung ist halt ein Faktor, den es einzupreisen gilt. VW gibt es an „jeder Ecke“ Bezogen auf Serviceaufenthalt. Hol und Bringservice gibt es ja leider nicht.
Wenn Tesla CarPlay anbieten würde, könnte ich echt schwach werden. Assistenzsysteme hin oder her, Reichweite, Verbrauch und Laden können sie halt.

Peter:

Guter Kommentar und BYD kann auch locker durch VW ersetzt werden und ist genau so wahr.

Wurzelsepp:

Ja, von dem Technologievorsprung oder den günstigen Autos der Chinesen kann man bei den aktuell angebotenen Modellen nicht sprechen.

Steven B.:

Auch mit den Managern von Stellantis wird der breite Erfolg in Europa bis 2030 – 2035 fraglich. Diese Manager haben bisher verwaltet und nicht Strategien für Neukundensegmente kreiert, Manager in Europa haben diesen Biss schon lange verloren, der Kunde kauft, was gut und günstig ist. aber vor allen Dingen – was der Kunde kennt! Es ist Vertrauen, dass wird aber nicht durch Manager aus dem Stellantis Konzern vermittelt, dass wird über Arbeitsplätze, Werke, Zulieferer und dergleichen vermittelt. Man muss in Europa eine Historie haben, eine Geschichte im Automobilsport welche Emotionen verbindet und mit dem Käufern einhergeht. Sorry BYD auch das wird am Ende ein Griff ins Kl…o. Macht euer Ding in China und werdet glücklich, aber mit Blinki Winki Autos ala China könnt ihr europäische Kunden in der Breite nicht überzeugen! So siehts einfach aus!

Robert:

„einseitig auf reine Elektroautos. Diese Fehler führten zu schleppenden Verkäufen und einer enttäuschenden Zwischenbilanz.“
Nun ich halte das nicht für einen fehler. Das Problem ist einfach das die E-Autos von BYD viel zu teuer sind für das angebotene besonders wenn man isch die Preise für diese fahrzeug in China anschaut dazu eine sehr schlechte Ladeleistung dert Fahrzeuge. eigentlich dachte ich das gerade von einem so großen Konzern der auch noch die Batterien selber komplett fertigt hätte ich erwartet das ihre Fahtrzeuge billiger als die Konkurrenz sind und auch bei den Ladeleistungen der Konkurrenz zeigt wo der Hammer hängt sprich höhere Ladelesitungen als die Konkurrenz und was kam das genaue Gegenteil deshalb ist es auch kein Wunder das BYD der Erfolg versagt bleibt.

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