Für die zukünftige Ausrichtung des VW-Konzerns hat Konzernchef Oliver Blume, wie er in einem Interview äußerte, „klare Vorstellungen: Volkswagen soll zum weltweit führenden automobilen Technologiekonzern aufgebaut werden“, der die „besten Technologien und Services nachhaltig in die Gesellschaft“ bringen soll. Doch zuvor muss VW sich neu erfinden, und vor allem Kosten einsparen. Hierfür geht der Konzern nun konsequent die nächsten Schritte: Volkswagen habe den Haustarifvertrag mit seiner Belegschaft aufgelöst, wie die Automobilwoche berichtet. Damit wäre ein wichtiger Schritt hin zu möglichen betriebsbedingten Kündigungen getan.
Die seit über 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung im Unternehmen könnte damit enden. Der Betriebsrat zeigt sich alarmiert und spricht von einem „Tabubruch“. Für die Arbeitnehmervertreter steht ein „historisches Kräftemessen“ mit der Unternehmensführung bevor. Die Kündigung des Tarifvertrags wurde am Dienstag offiziell, als ein entsprechendes Schreiben bei der IG Metall in Hannover einging. Thorsten Gröger, der IG Metall-Bezirksleiter in Niedersachsen, sieht darin einen „beispiellosen Angriff auf das gemeinsame Tarifwerk“. Er betont, dass Volkswagen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf eine harte Probe stellt.
Zusätzlich zum Vertrag zur Beschäftigungssicherung, der betriebsbedingte Kündigungen bisher ausgeschlossen hatte, wurden auch mehrere weitere Vereinbarungen beendet. Dazu zählen die Übernahmegarantie für Auszubildende und die Regelungen zur Leiharbeit. Konzernkreisen zufolge hatte der Vorstand diese Entscheidung nach internen Beratungen getroffen und die Kündigung der Verträge beschlossen, wie das Manager Magazin ausführt.
Der Betriebsrat von Volkswagen kündigte an, sich gegen die Pläne des Managements zur Wehr zu setzen. Daniela Cavallo, die Vorsitzende des Betriebsrats, erklärt, dass es „mit uns keine betriebsbedingten Kündigungen geben“ werde. Diese Stellungnahme wurde in einer Sonderausgabe des Betriebsratsblatts „Mitbestimmen!“ veröffentlicht und an rund 130.000 Beschäftigte in Deutschland verschickt.
Heiko Lossie, Pressesprecher Konzernbetriebsrat Volkswagen AG, hat das ganze auf Linkedin wie folgt eingeordnet: „So ähnlich unsere Analyse, so unterschiedlich die Überzeugung, was hilft. Seit Montag 14.30 Uhr steht fest: Der Vorstand will den Weg freimachen für Werksschließungen, Massenentlassungen, Tarifeinschnitte. Allein eins dieser Vorhaben wäre schon ein historischer Tabubruch. Nun geht der Vorstand alle drei an. Und kündigt damit ein Jahr, bevor die Mitbestimmung bei VW 80 wird, die sozialpartnerschaftliche DNA auf, wonach Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung gleichrangige Unternehmensziele sind, an denen alle arbeiten.“
Trotz der deutlichen Kritik bleibe der Betriebsrat gesprächsbereit. Es gebe weiterhin die Bereitschaft, gemeinsam mit der IG Metall in Verhandlungen zu treten. Diese sollen noch im September beginnen, wie im Betriebsratsblatt gefordert wird. Beide Seiten drängen darauf, eine Lösung zu finden.
VW: Betriebsbedingte Kündigungen erst ab Mitte 2025 zu erwarten
Der Betriebsrat geht allerdings nicht davon aus, dass es kurzfristig zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Laut Tarifrecht bestehen Klauseln, die einen solchen Schritt zunächst verhindern. Nach der Kündigung des Haustarifvertrags zum Jahresende bleibt beiden Seiten ein Zeitraum von sechs Monaten, um eine neue Einigung zu erzielen. Erst ab Mitte 2025 könnten betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden.
Sollte es nicht zu einer Einigung kommen, könnte Volkswagen dennoch versuchen, betriebsbedingte Kündigungen durchzusetzen. Doch der Betriebsrat warnt: „Dann stehen aber noch lange nicht die ersten Kolleginnen und Kollegen auf der Straße.“ Das Unternehmen müsste zunächst Verhandlungen über einen Sozialplan führen, um die genauen Modalitäten der Kündigungen festzulegen. Die kommenden Monate werden also entscheidend dafür sein, wie sich die Situation für die Beschäftigten weiterentwickelt.
Dabei steht bekanntermaßen auch die Schließung einzelner Werke auf dem Plan. Laut aktuellen Gerüchten sollen zwei Standorte von VW in Deutschland schließen, besonders gefährdet sind demnach kleinere Standorte wie Dresden und Osnabrück. Blume sagt, darüber „nicht öffentlich spekulieren“ zu wollen. Die Volkswagen-Führungsriege rund um Blume und VW-Markenchef Thomas werde „sich die Zukunftsfähigkeit genau anschauen und zusammen mit den Arbeitnehmervertretern mögliche Maßnahmen besprechen.“
Quelle: Automobilwoche – VW kündigt Tarifvertrag und Beschäftigungssicherung / Manager Magazin – Volkswagen kündigt Tarifverträge