Porsche Taycan Turbo im Test: Der Schöne und das Biest

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer
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  —  Lesedauer 5 min

Allen Unkenrufen und E-Fuel-Fantasien zum Trotz wird die Sportwagenmarke Porsche zunehmend elektrisch. Bald kommt mit dem Macan das zweite vollelektrische Modell auf den Markt, nach und nach werden weitere folgen. Eine feste Größe im Portfolio ist inzwischen der Taycan als erstes ausschließlich elektrisches Modell von Porsche. Auch wenn der Autor grundsätzlich ein Freund kompakter und effizienter Elektroautos ist und sich sowohl aus finanziellen als auch persönlichen Gründen weit von einem Porschefahrertum entfernt sieht, durfte er nun den Taycan Turbo eine Woche lang testen.

Mit Launch Control und Overboost leisten die Elektromotoren des Taycan Turbo bis zu 500 kW (680 PS) und prügeln bis zu 850 Newtonmeter Drehmoment auf die Straße. Der Sportwagen ist knapp fünf Meter lang und knapp 2,4 Tonnen schwer – sucht aber in Sachen Agilität dennoch seinesgleichen. Was beim Test besonders aufgefallen ist:

Drei Pluspunkte zum Porsche Taycan Turbo

Die Sportlichkeit: Der Taycan Turbo bringt alles mit, was von einem Sportwagen erwartet wird – und sogar mehr als das. Die Beschleunigung ist brachialer Irrsinn: Mit Launch Control aus dem Stand schießt der Wagen wie mit der Schleuder losgeschossen davon. Mehrere Mitfahrer wollten dies innerhalb dieser Woche auch einmal erleben, entweder stiegen sie je nach Achterbahntauglichkeit mit sehr breitem Grinsen oder recht traumatisiert aus dem Porsche wieder aus. Wer diesen unfassbaren Schub nach vorne erlebt und dennoch von unemotionalen Elektroautos faselt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Doch der Taycan Turbo ist nicht nur eine Rakete im Geradeausfahren. Nicht zuletzt durch den schweren Akku liegt der Porsche wie ein Brett auf der Straße, es gibt auf Landstraßen nur schwerlich eine Kurve zu finden, die der Wagen nicht mit 100 Stundenkilometern schaffen würde – vorausgesetzt der Fahrer lenkt schnell genug. Die Lenkung ist aber wahnsinnig präzise, selbst bei mehr als 200 Stundenkilometern auf der Autobahn – 260 sind in der Spitze möglich – hat der Fahrer das Gefühl, den Taycan zentimetergenau navigieren zu können. Viel mehr Fahrspaß geht kaum!

Daniel Krenzer

Der Luxus: Neben der überbordenden Sportlichkeit und Kraft bietet der Taycan zudem jede Menge Luxus – vor allem natürlich im mit Extras nur so zugestopften Testfahrzeug. Hochwertige und sehr gut verarbeitete Materialien, außerordentlich bequeme Sitze mit gutem Seitenhalt und sehr gute Assistenzsysteme machen auch Langstreckenfahrten sehr angenehm. Praktisch sind auch Kleinigkeiten wie eine zweite Ladeklappe für das AC-Laden links (CCS gibt es nur rechts), die aus dem Taycan aber – anders als von aufmerksamen Beobachtern angenommen – nicht zum Plug-in-Hybriden macht.

Die Ladeperformance: Der Taycan lädt wie er fährt: 800-Volt-Technik und bis zu 270 kW Ladeleistung (im Test waren es um die 250 kW in der Spitze) sprechen für sich. Bei Verbrauchswerten von um die 25 kWh pro 100 Kilometer (oder bis zu 40 kWh bei besonders artgerechter Haltung) lässt sich gut Strecke machen, zumal der Akku in Windeseile wieder aufgeladen ist. Zudem ist die Ladeplanung sehr gut ausgefeilt und die Berechnung des Ladestands unterwegs sehr genau. So lässt es sich auch auf lange Strecken entspannt starten, ohne sich vorher irgendwelche Gedanken darüber machen zu müssen, wo man denn laden müsste. Besonders extravagant wäre dies freilich in der ersten Porsche Charging Lounge in Bingen möglich – einer Gated Loading Community für Taycan- und bald auch Macan-Fahrer.

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Drei Minuspunkte zum Porsche Taycan Turbo

Der Preis: Der Taycan ist kein Volkswagen, aber das will er ja auch gar nicht sein. Der vollausgestattete Testwagen bringt es auf mehr als 193.000 Euro Listenpreis. Der Standard-Taycan ohne allzu viel Chichi ist immerhin für weniger als 100.000 Euro zu haben. Damit bleibt der Taycan für die meisten Fans von Elektroautos ein Traumauto – aber ein rundum begehrenswertes. Natürlich kann man die Frage stellen, ob ein Elektroauto – also ein Fahrzeug mit an sich besonders effizienter Antriebsform – derart performant und unvernünftig sein muss. Doch es gibt gerade in Deutschland einen Markt für besonders sportliche und besonders luxuriöse Fahrzeuge – daran wird auch die Mobilitätswende so schnell nichts ändern. Und da ist ein Taycan Turbo immer noch die deutlich klimaschonendere Wahl als ein vergleichbares Biest mit Verbrennungsmotor – wobei die abnorme Beschleunigungswucht ohnehin nicht mit Verbrenner-Sportlern vergleichbar ist.

Die Verbrennertugenden: Porsche hat viel dafür getan, dass sich auch eingefleischte Verbrennerfans im Taycan wohl fühlen. So gibt es einen Soundgenerator, der den klassischen und für viele mit solchen Fahrtugenden verbundenen Verbrennersound in ein durchaus stimmiges Raumschiffgeräusch umkomponiert. Auch One Pedal Drive, wie es viele Elektroauto-Fans mögen, ist im Taycan nicht zu finden. Gebremst wird allein mit der Bremse – und wenn es sein muss, dann mit der selben organbewegenden Brachialität wie der Taycan beschleunigt – wohlgemerkt bei voller Rekuperation. Das mag manchen gefallen, als Elektroauto-Fan würde man sich aber zumindest optional auch etwas mehr typisch elektrische Tugenden wünschen. Aber immerhin der Soundgenerator lässt sich auch abschalten.

Der Preis: Wurde bereits auf den Preis hingewiesen? Knapp 200.000 Euro! Da gibt es in zugegebenermaßen etwas abgelegeneren Teilen Deutschlands ganze Häuser für. Wem der Taycan Turbo in Sachen Wucht (und Preis) immer noch zu wenig ist, der findet mit dem Turbo S sogar noch eine leistungsstärkere Variante im Porsche-Portfolio. Da gehen die Preise ohne all dem Chichi aber schon bei knapp 200.000 Euro los.

Fazit

Der Porsche Taycan Turbo ist ein elektrisches Traumauto, das sich nur wenige werden leisten können – und er ist der Schöne und das Biest zugleich. Aber es ist ein Fahrzeug, das eindrucksvoll zeigt, dass selbst die sportlichsten Fahrzeuge aus der Verbrennerwelt problemlos vollelektrisch ersetzt werden können. Jeder, der Elektroautos als langweilig bezeichnet, sollte gezwungen werden, einmal einen Taycan zu fahren – die Heilung ist nahezu gewiss.

Disclaimer: Das Testfahrzeug wurde von Porsche für eine Woche kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein erster ausführlicher Testbericht ist bereits in der Fuldaer Zeitung erschienen.

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.
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Marc:

OPD ist eine Krücke aus der Zeit, in der Elektroautos noch keine ausreichend starke Rekuperationsleistung hatten. Man zwingt den Fahrer nahe am Geschehen zu bleiben, um durch „Gaswegnahme“ eine moderate Rekuperation zu erzielen. Denn das Bremspedal kann kein Brake Blending, weil für einen sinnvollen Mix die Rekuperationsleistung nicht ausreicht. Heute ist das nur noch bei Tesla der Fall. Die haben sich technisch nie verbessert, selbst der nagelneue Highland wurde am Wochenende am Nürburgring mit maximal 75 kW Rekuperationsleistung gemessen. Zum Vergleich: Der i4 kann 113 kW-195 kW, der Taycan 290 kW.

Gastschreiber:

Ich weiß nicht, warum OnePedalDriving eine elektrische Tugend sein sollte. Es ist eine interessante Umsetzung der Rekuperation, eine Alternative. Manch einer gewöhnt sich derart daran nur noch per OPD zu fahren, dass er ganz vergisst, wie man richtig bremst. Selbst mehrfach erlebt bei den Fahrern entsprechender Fahrzeuge im Rahmen von Fahrsicherheitstrainings. Sehr wenige haben es geschafft auf Anhieb eine Vollbremsung zu schaffen. Beim ADAC hat man mehrere Versuche, in der realen Welt manchmal nur einen und dann ist es gut, wenn man bremsen nicht verlernt hat.
Persönlich probiere ich es immer mal wieder aus, wenn ich entsprechende Autos fahre, gechillter finde ich segeln und gezieltes bremsen incl. Rekuperation.
Den Porsche fuhr ich noch nicht, den ähnlichen kleinen Konzernbruder Audi e-tron GT schon und es war für mich das, was ein GT sein soll, komfortabel und doch kann man Kurven zirkeln und Leistung war auch genug vorhanden, dabei konnte man das Auto auch noch relativ sparsam fahren, viele Autos in Einem, der Porsche scheint das noch veredelt zu haben.

Marc:

Da stimme ich dir zu, aber ich denke, du weißt, wie es gemeint ist: nicht absolut, sondern gefühlt.

Marc:

Der Wagen ist aktuell ohne Konkurrenz.

Denn die Sportwagen-Natur ist nicht durch Abstimmung entstanden, sondern durch Konstruktion. So hat man sich bewusst für eine Achsgeometrie entschieden, die eine perfekte Lenkung bei sportlicher Fahrt garantiert, aber in Kauf genommen, dass der Lenkdifferenzwinkel bei großem Lenkeinschlag, wie beim Rangieren, nicht mehr stimmt. Ebenso hat man die Sitzposition vom 911 kopiert, nicht vom Panamera, obwohl letzteres sich angeboten hätte. Auch nimmt man in Kauf, zu Beginn einer Fahrt bei moderaten Geschwindigkeiten für sensible Füße keinen gleichmäßigen Bremsdruck zu gewährleisten, weil der Wagen die mächtige Bremsanlage konsequent reinigt und pflegt. Zudem ist der Wagen unfassbar breit, was man auch im Innenraum merkt. Wenn man sich morgens reinsetzt, rangiert und die ersten Meter fährt, kann man den Eindruck haben, es ist ein mühsam gezähmter Supersportwagen.

Andererseits ist das Fahrpedal auf den ersten Zentimetern Weg sehr sanft abgestimmt, der Wagen hat nicht die spitze Charakteristik manch anderer Elektroautos. Die Rekuperation erfolgt im Standard über das Bremspedal, genial für Umsteiger und für sportliches Fahren – aber auch gut zum Energie sparen: Coasting ist effizienter als One Pedal Driving. Das hat der Bloch mal gut in einem Video erklärt. Wenn man allerdings permanente Rekuperation benötigt, zum Beispiel auf der Großglocknerstraße bergab, kann man sie per echter Taste links auf dem Lenkrad einschalten. Diese Reparation scheint mir adaptiv zu sein, weil sie genau das richtige Maß an „Motorbremse“ im Bereich zwischen fünf und 12 % Descent bereitstellt. Ebenso ist die Federung erstaunlich komfortabel und das Geräuschniveau ist extrem gering. In diesem Zusammenhang sollte man sagen, das künstliche Fahrgeräusche muss man aktiv einschalten, im Standard ist es deaktiviert. Auch sind die Platzverhältnisse viel großzügiger, als man sich das vorstellen kann. Mit Frau und zwei Töchtern, alle überdurchschnittlich groß, sind die Sitzverhältnisse mehr als großzügig.

Der Preis ist sicher hoch. Unter klar sechsstelligem Geld ist es nicht möglich, zu bestellen. Denn der große Akku muss auch bei kleineren Modellen unbedingt dazu gewählt werden. Neben der größeren Kapazität ist nur mit ihm die höhere Ladegeschwindigkeit und eine deutlich höhere Leistung des Fahrzeugs möglich. Der Unterschied beträgt beim Basismodell 40 kWp Ladeleistung und 68 PS! Ebenso fehlt den Basismodellen andere erforderliche Ausstattung und es fehlen allen Taycan einige Extras, die man haben muss. Das ist kein Mangel, sondern reine Freude, sich so ein Fahrzeug nach seinen speziellen Wünschen zusammenzustellen. Zumal man schon im Konfigurator fast jede Farbe bestellen kann, dann gibt es noch Porsche Exklusive Manufaktur mit erweitertem Angebot, wo u.a. jede Farbe innen und außen sowie erweiterte Materialien zur Verfügung stehen. Wer ganz spezielle Wünsche hat, bestellt mit voller Werksgarantie bei der Porsche Tochter Techart. Dort ist alles möglich. Das ist auch eine spezielle Alleinstellung des Taycan: Zusammen mit Rimac und Spectre, zwei Fahrzeugen mit deutlich höherem Preis, ist es der einzige Elektrowagen, den man bespoke bestellen kann.

Euer Testwagen ist von Porsche, meiner Meinung nach, ausgezeichnet zusammengestellt worden. Farbe ähnlich der Studie Mission-E. Dazu hat er die wunderbaren Mission-E Sonderräder mit 305/30 hinten und die Double-Bubble der GT3 RS statt des schweren und sinnlosen Glasdachs.

Philipp:

„die der Wagen nicht mit 100 Stundenkilometern schaffen würde“

Als (ehemaliger) Motorradfahrer kenne ich so einige fussrastenschleifende Kurven und Kehren, wo ich diese Aussage streng anzweifeln würde :-)

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