Microlino-Gründer: „An Mut fehlt es nicht“

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Andrea Zahler / CH Media | Microlino-Gründer: Oliver Ouboter (schwarzer Blazer) und Merlin Ouboter (grauer Blazer) – mit Vater Wim Ouboter

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Der Microlino gilt als Sympathieträger auf vier Rädern – kompakt, elektrisch, charmant. Doch auch neun Jahre nach der Gründung der Autosparte (Anm. d. Red.: im Ursprungsartikel wurde Auto mit Fahrzeug gleichgesetzt, wir haben dies übernommen) ist das Unternehmen nicht profitabel. Gründer Wim Ouboter nimmt das mit bemerkenswerter Gelassenheit. „Die Autosparte ist nicht profitabel – aber dafür floriert das Trottinettgeschäft (Anm. d. Red. bezieht sich auf Roller) nach wie vor“, erklärt er im Gespräch mit der Handelszeitung. Die Gewinne aus dem erfolgreichen Scooter-Business hätten über Jahre hinweg den Microlino finanziert: „Seit sechs Jahren habe ich auf die Micro-Scooter-Dividende verzichtet – und so den Microlino über Wasser gehalten.“

Für Ouboter ist der Microlino kein klassisches Fahrzeug, sondern eine urbane Mobilitätslösung. „Wer mit unserem Auto fährt, kommt überallhin, hat Spaß beim Fahren und wird immer einen Parkplatz finden“, sagt er. Der 2,5 Meter kurze Zweisitzer ist wettergeschützt, elektrisch und sieht mit seiner rundlichen Karosserie bewusst anders aus als die üblichen Kleinstwagen. Die neueste Variante, der Spider ohne Dach, richtet sich insbesondere an den US-Markt: „Das ist eine Microlino-Variante ohne Dach, mit seitlich ausgeschnittener Karosserie, damit auch etwas korpulentere Menschen einfach ein- und aussteigen können.“

Zielgruppe sind dabei keineswegs nur ältere Golfspieler. Vielmehr sieht Ouboter ein breites Potenzial in Neighbourhood Electric Vehicles – kleinen E-Autos für kurze Fahrten in Wohnanlagen oder urbanen Räumen. „Unsere Zielmärkte sind auch Ortschaften wie Peachtree im Bundesstaat Georgia – 13.000 Einwohnerinnen und Einwohner und 9000 Golf-Carts.“ Nun will Micro Mobility Systems in den USA durchstarten, bereits 2026 soll das dortige Geschäft mit Europa gleichziehen. Das langfristige Ziel ist ambitioniert: 100.000 produzierte Fahrzeuge pro Jahr bis 2030 – und mehr als eine Milliarde Franken Umsatz. Ouboter betont: „Auch wenn die Rechnung in den USA nicht aufgeht, machen wir zwar nicht so viel Geld dort, verlieren aber auch nicht Unsummen.“

Die Produktionsstrategie wurde jüngst neu justiert. Ursprünglich war ein zweites Werk in Indien geplant, nun soll China der neue Standort werden – neben der bestehenden Fertigung in Turin. Die Gründe liegen für Ouboter auf der Hand: niedrigere Kosten, industrielle Überkapazitäten und die Chance, ein neues Modell günstiger produzieren zu können. Denn: „Schon heute kommen viele Teile für den Microlino aus China, doch die Produktion in Europa ist grundsätzlich immer noch zu teuer.“

Design-Anpassungen des Microlino für den Preis-„Sweet Spot“ notwendig

In der China-Version soll der Microlino grundlegend überarbeitet werden – mit Seitentüren und gleichmäßigem Radstand. „Könnten wir noch einmal neu beginnen, würden wir zwei Dinge ändern: Die Fronttür ist zwar cool, aber auch sehr kostspielig. Dass wir hinten einen anderen Radstand als vorne haben, ist schlicht dumm.“ Ziel sei es, die Produktionskosten zu senken und den Preis unter die magische Marke von 15.000 Franken zu drücken: „Wir sind immer noch 5000 Franken zu teuer.“

Um weiteres Kapital und Know-how zu gewinnen, wird das Unternehmen derzeit in zwei Holdings aufgeteilt. Die profitable Trottinett-Sparte bleibt vollständig im Familienbesitz. Für den Microlino-Bereich ist man offen für strategische Partner. „Zusammen mit der Rothschild-Bank sind wir aktuell auf der Suche nach neuen Teilhabern“, sagt Ouboter. Gesucht werden Partner mit Industrieerfahrung, die bei Produktion und Weiterentwicklung unterstützen können. Parallel verhandelt Micro Mobility Systems mit möglichen Investoren in China.

Kritik übt Ouboter an der Schweizer Bundesregierung: „Wir schrieben dem Bundesrat einen Brief und baten darum, so wie Tesla in das Programm der CO₂-Anrechnung reinzukommen. Die Antwort war aber, dass der Microlino gemäß EU kein Personenwagen sei.“ Gleichzeitig werde das Modell aber beim Import als E-Auto besteuert – eine widersprüchliche Haltung, die Ouboter verärgert. „Der Bundesrat richtet es sich, wie er es braucht.“ Trotz aller Herausforderungen glaubt Ouboter an die Strahlkraft seines Produkts – auch gegen mögliche Nachahmer aus China. „Entscheidend ist der starke Brand.“ Zu den ersten Microlino-Kunden zählten der CEO von Gucci und der Chef von Rolex. „Wir sind nicht ein gesichtsloser chinesischer Kleinstwagen, sondern wir positionieren uns als ‚Next Bella Figura‘.“

Für ihn ist der aktuelle Microlino das ikonische Aushängeschild – vergleichbar mit dem Porsche 911. Das neue Modell mit Seitentüren sei eher wie der Macan: massentauglicher, aber dennoch mit Charakter. Der Microlino ist für Ouboter kein Ersatz für das klassische Auto, sondern eine ideale Lösung für kurze Strecken. „Ein Wagen für Leute, denen sogar der Mini Cooper noch zu groß ist.“ Bei größeren Transportbedarfen oder längeren Fahrten setzt er auf den Mix mit ÖPNV oder Sharing-Fahrzeugen. Konkurrenz sieht er eher in der Vespa als im Tesla: „Aber mit uns fährt man wettergeschützt.“

Quelle: Handelszeitung – „Manchmal hatte ich mehr Mut als Verstand“

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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Wolfbrecht Gösebert:

Erstmal zum Artikel von Sebastian:

Das „Nachschreiben“ aus anderen Quellen sollte doch eher genügend Zeit dafür lassen, den Text auch aufmerksam zu lesen :) Gemeint ist hier v.a. der Wim Ouboter zugeschriebene Satz »Dass wir hinten einen anderen Radstand als vorne haben, ist schlicht dumm.« Speziell ‚dumm‘ an diesem Satz ist genaugenommen aber, dass es sich dabei gar nicht um den RADSTAND sondern tatsächlich um die SPURWEITE handelt :P

Den Radstand kann es (vom »Auto-Karussell« auf dem Jahrmarkt mal ganz abgesehen :) beim üblichen vierrädrigen Fahrzeug doch de facto nur ‚einmal‘ geben … während die SPURWEITE an der VR- zur HR-Achse bei div. Fahrzeugen ja durchaus differiert – wenn auch eher nicht SO stark wie beim Mirolino, gell?!

Aber generell zur Marktsituation und Zukunft des Microlino (früher hier gern „Knutschsemmel“ genannt :)
Da sehe ich ja eher DUNKELgrau:

➜ Die für eine Preissenkung notwendigen Microlino-Produktionszahlen werden aktuell nicht erreicht und ohne DIE läßt sich der Preis nicht um die ca. notwendigen 5.000 € senken … jedenfalls nicht bei EU-Produktion.

➜ Die für akzeptable Fahrerfahrungen *minimal* notwendigen Verbesserungen zu Fahrgeräusch, Federungskomfort und minimaler Reichweite/Ladeleistung müßten dennoch wohl DRINGEND in Angriff genommen werden.

Dalan:

Schon das Fahrzeugkonzept ist eine Totgeburt. Beim Kleinsten Auffahrunfall sitzt du wie in der Rattenfalle fest, weil die einzige Fronttür sich nicht öffnen lässt.

Oliver:

Wie schaut es aus dann mit Fahrrädern, Mofas und Motorräder aus, die müssen dann auch verboten werden, da sie auch keine AIRBAGS etc. pp. haben. Es gibt Menschen die gehen mit Sturzhelm ins Bett, aus Sicherheit

Steven B.:

„Schon heute kommen viele Teile für den Microlino aus China, doch die Produktion in Europa ist grundsätzlich immer noch zu teuer.“ das nennt sich aber auch eine Wertschöpfung europäischer Produkte auf dem Kontinent schützen!!! Lieber Herr Ouboter, wie sollen den die finanzkräftigen Schweizer und Europäer ihr Leben sichern, wenn sie nicht auch hier Lohn erhalten? Die Denke ist einfach nicht richtig angestellt. ich werde keinen Microlino kaufen der in China produziert wird, da können Sie lange warten und ich wohne in der Schweiz und meine Tochter könnte eine potentielle Käuferin sein, aber so nicht!

Jörg Brinkmann:

Dies Fahrzeug ist eine unvorstellbare Knaterkiste. So laut war mein R4 damals nicht. Aber vielleicht ist das nur Retro und ich habe eine falsche Vorstellung von E-Mobilität.

Daniel W.:

Mit „Made in China“ gäbe es das Fahrzeug sogar als 4-Sitzer und auch noch preiswerter.

Bei günstigen E-Kleinwagen dürfte kein Weg an einer Produktion in Fernost vorbeiführen.

Die Hochlohnländer werden da in Zukunft höchstens noch ihre Markennamen beisteuern.

Gastschreiber:

Der nächste Bericht über tote Pferde, die weiter geritten werden. Warum geht man nicht die Kritikpunkte dieses Fahrzeugskonzeptes, bei dem Preis an. Nur eine putzige Schale scheint zu wenig zu sein um erfolgreich zu werden. Wenn es um ein urbanes Konzept geht und mit Autos verglichen wird, wo sind die Dinge wie ABS, ESP, Airbag, Totwinkelwarner, Notbremsassistent, Dinge, die im Verkehrsgetümmel Leben schützen und retten.

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