Microlino fühlt sich gegenüber Tesla benachteiligt

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Microlino

Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 3 min

Vor allem reine E-Auto-Hersteller wie Tesla verdienen in Europa viel Geld damit, dass sie CO2-Zertifikate an andere Hersteller verkaufen. Das Schweizer Unternehmen, das den Microlino als Isetta-Wiederbelebung neu als vollelektrische Version auf den Markt bringt, darf das nicht. Das empfindet Mitgründer Merlin Ouboter ungerecht, erzählte er der Handelszeitung (HZ) in einem Interview.

Das liege daran, dass Leichtfahrzeuge bei dieser Art des Emissionshandels bislang unberücksichtigt seien. Beim Microlino handelt es sich um einen kleinen Zweisitzer mit Türe an der Front. „Hier bemühen wir uns in Bern um eine Anpassung für Hersteller für Leichtfahrzeuge, wie wir es sind. Diese umweltfreundlichen Fahrzeuge gegenüber E-Autos zu benachteiligen, kann ja nicht im Sinne der Politik sein“, sagte Ouboter der HZ.

Ursprünglich produzierte das Unternehmen Tretroller, ehe es sich entschied, mit dem Microlino ein elektrisches Kleinstfahrzeug zu fertigen. „Im Durchschnitt sitzen nur 1,2 Personen in einem Fahrzeug, und die täglich zurückgelegt Distanz beträgt 30 bis 35 Kilometer. Dafür sind die heutigen Fahrzeuge völlig überdimensioniert“, sagt Ouboter in dem Interview. An diese mobilen Realitäten ist der Microlino angepasst. Im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen spare das kleine Fahrzeug in Produktion und Betrieb insgesamt 60 Prozent an CO2 ein.

„Vielleicht hätten wir es gelassen“

Dass die jungen Unternehmer sich ohne jegliches Know-how in der Automobilbranche an dieses Projekt gewagt haben, sei im Nachhinein vielleicht sogar ein Vorteil gewesen. „Wir waren richtige Grünschnäbel und sicherlich auch etwas naiv. Aber das war ein auch Vorteil: Hätten wir gewusst, was alles auf uns zukommt, hätten wir es vielleicht gelassen“, gab Ouboter gegenüber der HZ zu.

250 Fahrzeuge seien inzwischen an Kunden übergeben worden, derzeit vorwiegend in der Schweiz. Doch auch in Deutschland sollen demnächst die ersten Kunden ihren bestellten Microlino erhalten. „Schritt für Schritt werden weitere Märkte in Europa ausgerollt: Italien, Frankreich, die Niederlande, Spanien, Dänemark, Griechenland. Der Fokus liegt aktuell auf Europa“, führt der Gründer im Interview aus.

Derzeit würden in der Produktionsstätte in Turin täglich zehn Microlino zusammengesetzt, im Laufe des Jahres soll sich die Produktion um 150 Prozent bis auf 25 Stück am Tag erhöhen. Die Mitarbeiterzahl an der Produktionsstätte soll von 60 auf 100 steigen. Derzeit sei das Unternehmen noch zu hundert Prozent in Familienhand, das Hinzuholen eines Investors sei in der Zukunft aber nicht ausgeschlossen. Gewinn soll der Microlino in zwei Jahren abwerfen. In klassische Werbung investiere man derzeit nichts, allerdings träumt man im kleinen Unternehmen wohl insgeheim an einem prominenten Werbeträger wie die Schweizer Tennisikone Roger Federer.

Konkurrenz aus Deutschland

Zur deutschen Konkurrenz, die ein ganz ähnliches Produkt unter dem Namen „Evetta“ auf den Markt bringen will, sagt der Schweizer: „Ja, das ist im Prinzip eine Kopie unserer Idee, vom Nachfolgeunternehmen unseres ehemaligen Partners Artega.“ Gegen diesen hatte man zweimal geklagt, zweimal gewonnen – sich dann aber doch außergerichtlich geeinigt. Offenbar setzt man auf den Wettbewerbsvorteil, mit dem Microlino als erstes in die Produktion gestartet zu sein.

Das Leichtfahrzeug kostet als Pioneer-Sondermodel etwa 22.000 Euro – ein stolzer Preis für ein Fahrzeug, das aufgrund der Fahrzeugklasse auch nicht vom Umweltbonus profitieren darf. Das Basis-Modell ist ab etwa 14.500 Euro (in der Schweiz) zu haben. Ein 17-PS-Motor (12,5 kW) ermöglicht bis zu 90 Stundenkilometer – damit darf der Microlino auch auf die Autobahn. Ob der Fahrer sich das traut oder das kleine Gefährt lieber als das nutzt, was er ist – als wendigen Stadtflitzer – bleibt ihm natürlich selbst überlassen.

Quelle: Handelszeitung – „Microlino – Wir waren richtige Grünschnäbel“

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.
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O K:

Wieso sind Leichtfahrzeuge der Verkehrssicherheit nicht zuträglich? Propagierst Du ein Stadtpanzer-Wettrüsten? Wer das schwerste und größte Geschoss hat, überlebt! siehe: https://www.derbund.ch/der-suv-quetschte-ihren-kleinwagen-wie-eine-blechbuechse-zusammen-940402199543

O K:

Dass jeder ein Auto haben will, ist erstmal nur eine Hypothese.

Daniel W.:

Das bisherige 2-Tonnen-Straßenpanzer-Wettrüsten kann auch nicht die Zukunft des Straßenverkehrs sein, die Autos müssen wieder kleiner, leichter und resourceschonender werden – zur Not auch mit einem Verbot von großen Autos in den Innenstädten.

Das Problem der kleinen Autos ist für mich nicht das Fehlen von 1,5 Tonnen an Stahl, Aluminium, Kunststoffen, Akkupacks und seltener Erden, sondern der hohe Preis. Denn für 22.000 Euro können die großen Hersteller auch ein E-Auto mit 4 Sitzen produzieren – wenn sie wollten.

Wenn in Zukunft 100 Mitarbeiter 25 Microlino am Tag produzieren, dann sind das 4 Mitarbeiter pro Fahrzeug. Wenn man 8 Stunden großzügig mit 100 Euro/Stunde berechnet, dann wären das (4x8x100) 3.200 Euro pro Fahrzeug in der Montage.

Meine kleine Rechnung:

VW ID4 ab rund 40.000 Euro mit knapp 2 Tonnen Gewicht.

Theoretisch sind 4 Microlinos ein VW ID4 vom Gewicht her.

1/4 VW ID4 ab 10.000 Euro von den Resourcen (Lohnkostenanteil geschenkt)
Plus großzügige 3.200 Euro für Mitarbeiter in der Microlino-Produktion
Also insgesamt 13.200 Euro für einen Microlino im VW-Autowerk

Nach meiner Einschätzung könnte VW den Microlino bzw. ähnliche Fahrzeuge für 15.000 Euro anbieten und jeder andere Autohersteller in Deutschland auch, sogar mit Gewinn.

Silverbeard:

Solche Leichtfahrzeuge könnten den Zweitwagen ersetzen. Mit dem Microlino könnte man täglich ca. 20 km einfach zur Abeit pendeln.
Dagegen spricht natürlich der Preis, solange noch Kleinwagen mit Verbrenner verkauft werden.

Silverbeard:

Ein Microlino ist bis auf das Dach ähnlich ‚praktisch‘ wie eine Motorrad. Ich gehe deshalb nicht davon aus, dass so ein Leichtfahrzeug mehr Verbreitung als Zweitfahrzeug zum PKW findet als ein Motorrad. Ich vermute eher, das Leichtfahrzeuge die Winterfahrzeuge überzeugter Motorradfahrer werden. Ausser bei Erben, die wirklich nicht mehr wissen, wohin mit dem ganzen Profit.

Marc:

Das ist eine Definitionssache, welche Fahrzeugklasse man für welche Förderung berücksichtigt.

Es haben verschiedene Leute geschafft, S-Pedelecs für die THG-Quote zu qualifizieren. Insofern würde ich zumindest nicht ausschließen, dass später diese Leichtfahrzeuge inkludiert werden. Da haben Hersteller und Branchenverband geschlafen.

Bezüglich der BAFA-Förderung hat niemand geschlafen, da wollte man Leichtfahrzeuge bewusst nicht fördern. Das dürfte durchaus zum Schutz der Umwelt gewesen sein. Dann machen wir uns nichts vor – wenige hätten ihr Familienauto durch so ein Gefährt ersetzt, viel mehr wäre die Quote der Zweit- und Drittfahrzeuge sprunghaft angestiegen, wenn so ein Auto mit Förderung für vierstelliges Geld zu haben gewesen wäre. Im Verkehr benötigt ein kleines Fahrzeug quasi dieselbe Verkehrsfläche wie ein normales Fahrzeug. Das resultiert aus dem Sicherheitsabstand beim fahren und aus genormten Parkbuchten beim stehen. Auch für die Verkehrssicherheit ist es zuträglich, Leichtfahrzeuge nicht zu fördern.

Andersherum, wären Leichtfahrzeuge voll förderfähig, gäbe es definitiv Angebote der großen Hersteller, die solchen Kleinfirmen keine Chance lassen. Insofern kann der Anbieter froh sein, dass er alleine seine Nische bearbeiten kann.

MMM:

Da ist für manche Menschen sicher etwas dran, und grundsätzlich sollte man sich das näher anschauen.
Aber man muss dann auch sehen, ob dieses Fahrzeug tatsächlich ein Auto ersetzt. Das wird manchmal so sein, das wird aber auch bei einem eBike ab und zu so sein – nur halt nicht immer. Und dann ist es nicht ein Auto weniger, sondern ein Leichtfahrzeug mehr. Das produziert dann immer noch weniger Emissionen auf dem Arbeitsweg als ein Auto, aber es muss auch ein zusätzlicher CO-Rucksack getilgt werden. Das ist komplex und kann nicht über einen Kamm geschert werden.

Bei Autos ist das einfacher: da will jeder eins haben, aber abgesehen von Gutverdienern, die sich gerne mal noch eins dazustellen, weil es so schick ist, können die meisten Menschen nur eins kaufen. Die oft teuren BEV sind oft auch nur bezahlbar, weil die Unterhaltskosten über die Haltedauer geringer sind. Da wird eher darauf geachtet, dass das eine Auto einen Vorgänger ersetzt, nicht ergänzt.

Das ist mit einem Microlino bei vielen Menschen sicher schwierig.

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