Ein Kommentar von Sebastian Henßler
Friedrich Merz hat auf der IAA Mobility betont, die Bundesregierung stehe „an der Seite der Automobilindustrie“. Zugleich pochte der Bundeskanzler auf Flexibilität und Technologieoffenheit beim Umstieg zur Elektromobilität. Das klingt pragmatisch, birgt aber Risiken: Wer alle Pfade offenhalten will, verwässert die Klimaziele und bindet Ressourcen an ineffiziente Technologien.
Es geht dabei nicht nur um den schrittweisen Hochlauf der E-Mobilität, sondern um die Einhaltung des EU-Beschlusses, ab 2035 nur noch klimaneutrale Neuwagen zuzulassen. Wer hier Schlupflöcher offenhält – sei es über E-Fuels, Hybride oder verlängerte Verbrennerlaufzeiten – gefährdet die Glaubwürdigkeit dieses Ziels.
Eine aktuelle Analyse des Center Automotive Research zeigt: E-Fuels im Pkw-Bereich erreichen nur 13 bis 15 Prozent Wirkungsgrad. Der Rest der Energie geht verloren. Volkswirtschaftlich würden selbst moderate Literpreise von 1,75 Euro Importkosten von mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr verursachen – allein für den Restbestand an Verbrennern im Jahr 2045. Im Vergleich: Elektroautos kommen auf 70 bis 75 Prozent Wirkungsgrad und senken die Importabhängigkeit von Brennstoffen. Studien des ICCT bestätigen zudem: E-Autos stoßen über ihren Lebenszyklus rund 73 Prozent weniger Emissionen aus als Benziner und gleichen den Produktionsnachteil schon nach nur etwa 17.000 Kilometern aus.
Während Merz und Söder über „Flexibilität“ sprechen, haben die Hersteller auf der IAA gezeigt, dass sie längst klar auf Elektromobilität setzen. BMW präsentierte mit dem iX3 das erste Modell der „Neuen Klasse“: über 800 Kilometer Reichweite, ultraschnelles Laden mit bis zu 400 kW und ein neues digitales Bedienkonzept mit Panoramic Vision. Mercedes-Benz stellte den elektrischen GLC vor, ausgestattet mit MB.OS, Hyperscreen, bis zu 713 Kilometern Reichweite und technischer Vorbereitung für bidirektionales Laden. Volkswagen wiederum präsentierte die neue Electric Urban Car Family mit ID. Polo und ID. Cross – erschwingliche Modelle ab 25.000 Euro, die E-Mobilität in den Massenmarkt tragen sollen.
Diese Premieren unterstreichen: Die Industrie braucht keinen politischen Schutzschirm. Sie liefert längst Lösungen für die Dekarbonisierung und koppelt die Autos aktiv an die Energiewende. Bidirektionales Laden – von BMW mit Eon, Mercedes mit MB.Charge oder Volkswagen mit Elli – macht E-Autos zu Speichern für erneuerbare Energien. Laut Eon könnten schon heute 225.000 bidi-fähige Autos in Deutschland abends Strom für bis zu 4,2 Millionen Haushalte bereitstellen. Das spart Erdgas und CO₂, stabilisiert Netze und zeigt, welchen Hebel Elektromobilität jenseits der Straße entfalten kann.
Die Zulassungszahlen stützen diesen Kurs: Im August erreichten Elektroautos fast 20 Prozent Marktanteil in Deutschland, Hybride schrumpfen in ihrer Bedeutung, während reine Verbrenner weiter zurückfallen. Parallel wächst das Angebot chinesischer Marken, die mit wettbewerbsfähigen Preisen nach Europa drängen. Deutsche Hersteller haben also doppelten Druck – und reagieren mit klarer Ausrichtung.
Die eigentliche Aufgabe der Politik wäre es daher, Planungssicherheit zu schaffen: konsequenter Ausbau der Ladeinfrastruktur, verlässliche Förderkulissen, klare Rahmenbedingungen. Technologieoffenheit als Schlagwort verschleiert, dass Klimaschutz nur funktioniert, wenn die effizienteste Technologie priorisiert wird. Und die heißt im Pkw-Bereich ganz klar: Elektroauto.