HVO-Lobbyskandal: Deutsche Umwelthilfe verklagt FDP-Verkehrsminister Wissing

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Michael Neißendorfer
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Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen das von FDP-Verkehrsminister Wissing geführte Verkehrsministerium erhoben. Der Grund ist dessen Weigerung, Abgasmessungen zum Lobbyskandal-Kraftstoff HVO100 zu veröffentlichen, wie die DUH in einer aktuellen Mitteilung erklärt.

Zur Einführung des Kraftstoffes Ende Mai 2024 hatten sich Volker Wissing und sein Staatssekretär Oliver Luksic (gleichzeitig Schirmherr der Lobby-Kampagne der Ölindustrie für HVO100) über den angeblich „besonders nachhaltigen und hochwertigen“ HVO100-Kraftstoff ungewöhnlich einseitig geäußert, so die DUH. Im offiziellen Internetauftritt des Ministeriums sei zu lesen, HVO100 verbrenne im Vergleich zu konventionellem Diesel sauberer und geruchsärmer, wodurch die lokale Umweltbelastung in Städten und Kommunen reduziert werde.

Bereits Mitte Juni 2024 informierte die DUH das Verkehrsministerium über Hinweise auf deutlich erhöhte Stickoxid-Emissionen bei bestimmten Dieselfahrzeugen und erste Abgastests des DUH-eigenen Emissions-Kontroll-Instituts im realen Straßenbetrieb, die bei einem VW Touareg Euro 5 sogar um 20 Prozent erhöhte Stickoxid-Werte zeigten.

Allein wegen der hohen Stickstoffdioxidwerte in der Atemluft sterben jedes Jahr über 23.000 Menschen in Deutschland vorzeitig. Statt Scheinlösungen wie HVO100 brauchen wir eine echte und ehrliche Lösung der seit neun Jahren in Deutschland vom Bundesverkehrsministerium behinderten technischen Nachrüstung der immer noch circa acht Millionen Dieselfahrzeuge mit illegalen Abschalteinrichtungen und extrem hohen Stickoxidemissionen“, kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Verkehrsminister Wissing müsse „aufhören, HVO100 mit falschen Behauptungen zu bewerben und stattdessen seinen Einsatz für die kurzfristige Durchsetzung einer wirklich Sauberen Luft in unseren Städten durch eine Stilllegung oder Nachrüstung schmutziger Dieselfahrzeuge erhöhen.“

In einem Gespräch mit der zuständigen Abteilungsleiterin erbat die DUH die Aushändigung der dem Verkehrsministerium vorliegenden Messwerte von Diesel-Pkw wie auch -Nutzfahrzeugen bei Verwendung von HVO100. Leider weigerte sich das Ministerium, vorliegende Daten und Messungen zu veröffentlichen, so die DUH in ihrer Mitteilung. Daraufhin stellte die DUH am 14. Juni 2024 einen formalen Antrag auf Basis des Umweltinformationsgesetzes (UIG) und forderte das Ministerium auf, bis zum 12. Juli 2024 alle vorliegenden relevanten Dokumente (Abgasmessungen, Prüfprotokolle mit Einzelwerten, Prüfberichte, Studienergebnisse und fachliche Stellungnahmen, Schriftwechsel und Aktennotizen zu Besprechungen) zu übersenden, die mit dem Emissionsverhalten bei Verwendung von HVO100 verbunden sind. Eine gleichlautende UIG-Anfrage richtete die DUH auch an das Kraftfahrt-Bundesamt.

Wie sauber ist HVO wirklich?

Nachdem auch eine gesetzte Nachfrist erfolglos verstrich, beschreitet die DUH nun den Klageweg. Zumal der Sachverhalt nach einem in dieser Woche bekanntgewordenen Vorwurf der Käuflichkeit nochmals an Brisanz gewonnen hat. DUH-Chef Resch hierzu: „Die von ZDF frontal aufgedeckte skandalöse Zusammenarbeit von Verkehrsminister Wissing und seinem Staatssekretär Luksic mit der Lobby-Kampagne der Ölindustrie für HVO100 steigert unsere Neugierde auf die vom Ministerium verweigerten Messergebnisse und Prüfprotokolle.“

Der neue Dieselkraftstoff HVO100 soll die „lokale Umweltbelastung in Städten und Kommunen“ reduzieren – so wirbt Bundesverkehrsminister Wissing für diesen Kraftstoff. Erste Messungen der DUH an einem Euro-5-Diesel-Pkw hätten jedoch gezeigt, dass HVO100 sogar noch gesundheitsschädlicher sein soll als herkömmlicher Diesel. Beim Dieselabgasgift NOx zeigten am 27. Juni 2024 in einer Pressekonferenz vorgestellte Messungen des Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) bei einem Euro 5 Diesel VW Touareg einen Anstieg der Stickoxid-Emissionen um 20 Prozent bei der Verwendung von HVO100 im Vergleich zu konventionellem Diesel.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe – Pressemitteilung vom 18.07.2024

 

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Walter Gutmann:

Seid nicht so unverschämt zu Herrn Wissing, er möchte doch nur einen gut bezahlten Job nach seinem Abgang spätestens im Herbst 2025 in der Automobilbranche, so wie seine ganzen Vorgänger…;-)

Roland Wagenknecht:

So wird das nichts mit der Zukunft. Entscheidungsträger verhalten sich nur nach Machterhalt und/oder mehr Geld.

Lothar Hespe:

Ich würde sagen, unter 0,5 %, da gehören die hin. Ach ja, Herr Wissing in den Knast…

Daniel W.:

Es bleibt zu hoffen, dass die FDP bei der Bundestagswahl unter 5% bleibt, damit sie keiner Regierung mehr ins Handwerk pfuschen kann, egal welcher.

Gregor:

im Sinne einer sauberen Zukunft ist das alles so ekelhaft. CO2 Sektorenziele auflösen und den Dreck und Schmutz durch Verbrennen von anderem Zeug salonfähig halten. Das ist so ekelhaft.

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