Ferry Franz: „Nicht nur auf eine Antriebstechnologie versteifen“

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Toyota Media

Felix Katz
Felix Katz
  —  Lesedauer 4 min

Dass der Verkehr auf Deutschlands Straßen kontinuierlich wächst, merken wir alle. Die steigende Zahl von Fahrzeugzulassungen und die zurückgelegten Kilometer pro Jahr zeichnen sich als Trend ab, der auf unvorhersehbare Zeit nicht nachlassen wird. Zudem kommt hinzu, dass die Autos in Deutschland immer größer, schwerer und leistungsstärker werden. Dies alles führe dazu, dass (…) „der Durchschnittsverbrauch in den vergangenen Jahren nicht so stark gesunken ist, wie es möglich und nötig wäre“. So sieht es unter anderem der BUND, welcher sich vorrangig für Klimaschutz und den Ausbau von regenerativen Energien verschrieben hat und auch als Berater der Bundesregierung dient. Das Auto – vermutlich weil es uns alle betrifft – ist längst zum Umweltsünder Nummer eins berufen wurde. Nicht zuletzt deshalb sieht das „Fit for 55“-Paket der Europäischen Kommission ein Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2030 vor. Dass genau das jedoch kritisch zu bewerten ist, erklärt jüngst Ferry M. M. Franz, Direktor Hydrogen Affairs Europe & Group Representative Office Berlin bei Toyota Motor Europe, in einem Interview mit „Has to be E-Mobility“, einem Anbieter für E-Mobilitätsservices.

Elektroautos und Hybride sollen Abhilfe schaffen, sind erste Vorzeigeprojekte der Industrie. Laut BUND puste immer allein der Pkw-Verkehr in Deutschland im Jahr rund 100 Millionen Tonnen CO² in die Luft. Leichtbau, ambitionierte CO2-Grenzwerte, generelle Tempolimits, Verkehrsvermeidung und -verlagerung, Reform der Kfz-Steuer und Abschaffung des Dienstwagenprivilegs sind einige Maßnahmen, die Abhilfe schaffen könnten. Das Thema des Mobilitätswandels hat in den vergangenen Monaten nicht nur an Fahrt, sondern auch an Ernsthaftigkeit gewonnen. Das sehe man laut Ferry M. M. Franz nicht zuletzt an den großen Investitionen, die darin getätigt werden: „(…) Natürlich auch, um zum Teil Strafzahlungen zu verhindern.“

Sehr kritisch sehe ich auch, dass man aktuell versucht, das Auto per se als den größten Umweltsünder in die Ecke zu stellen. Dabei redet beispielsweise niemand über die Schifffahrt, die erheblich mehr CO²-Emissionen produziert und hinterlässt. Wir werden, um emissionsfreie Mobilität anbieten zu können, in Zukunft sehr viel grünen Strom und Wasserstoff brauchen. Ich sehe aber aktuell nicht, dass wir überhaupt fähig wären, die Masse an Fahrzeugen mit „sauberen“ Strom und Wasserstoff zu versorgen. Dann habe ich also ein Fahrzeug, das während des Fahrens CO²-neutral, aber bei dem die Herstellung des „Kraftstoffs“ noch nicht grün ist“, so Franz.

Dennoch sieht der Toyota-Manager nicht nur eine reale Chance für das Elektroauto, sondern spricht ihm auch eine gewisse Notwendigkeit zu. Dass das Produktportfolio des japanischen Autoherstellers  von alternativen Antrieben von Hybrid über vollelektrisch bis hin zu Wasserstoff reicht, habe seinen Grund: „Es gibt Bereiche, da ist ein Hybrid oder ein vollelektrisches Fahrzeug die beste Lösung, dann wieder Anwendungen, bei denen Wasserstoff sehr vielversprechend ist. Innerstädtisch haben sicherlich kleine elektrische Fahrzeuge die Nase vorne. Wenn es um professionelles Fahren, Transportwesen, Langstrecke, Transport und Schwerlast geht, dann ist es in Zukunft auf jeden Fall Wasserstoff„, erklärt Franz.

Eine einseitige Konzentration auf die Elektromobilität kann zudem nicht zielführend sein, wenn man nicht über den Tellerrand hinaus schaue und nicht global denke, so der Experte weiter: „Wir hier in Europa mögen uns das leisten können, aber in weniger technologisierten und wirtschaftlich schwächeren Ländern werden dann in 10 bis 20 Jahren nur noch Verbrenner mit einer 20 Jahre alten Technologie unterwegs sein. Das kann nicht zielführend sein meiner Meinung nach und ich sehe diesen Alleingang der EU fast ein bisschen kontraproduktiv.“

Es könne nicht alles elektrisch sein, heißt es zudem. Das habe auch die Hochwasserkatastrophe in Deutschland gezeigt: „Es wäre schon sehr schwierig geworden, wären die Fahrzeuge der Einsatzorganisationen alle elektrifiziert gewesen. Und genau solche Situationen sollten uns noch einmal zum Nachdenken anregen“. Es wäre deshalb hilfreich (für die Zukunft), sich noch mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Antriebsarten wo und wie eingesetzt werden können und auch müssen.

Fakt ist: Eine flächendeckende Infrastruktur ist in jedem Fall die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Antriebswende. Hier aber bestehe bisweilen das Problem, dass industrielle Anbieter (noch) kein oder nur wenig Geld mit dem Ausbau der Infrastruktur, wie etwa Ladesäulen, verdienen. Es sei eine Zukunfts-Wette, welche zurzeit vorrangig die Automobilhersteller eingehen – das müsse sich ändern: „Für die Anlaufphase, aber auch nur für diese, ist eine staatliche Regulierung und vor allem Unterstützung nötig“.

Quelle: Interview von „Has to be E-Mobility“ mit Toyota-Manger Ferry M. M. Franz 

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Felix Katz

Felix Katz

Felix Katz liebt alles, was vier Räder und einen oder gleich mehrere Motoren hat. Nicht nur Verbrenner, sondern vor allem Elektroautos haben es ihm angetan. Als freiberuflicher Autojournalist stromert er nicht nur fast jeden Tag umher, sondern arbeitet seit über zehn Jahren für viele renommierte (Fach-)Medien und begleitet den Mobilitätswandel seit Tag eins mit.
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Norbert Seebach:

Schade um Toyota! Einst Vorreiter in Sachen Umwelt- und Klima-Schutz scheint der Konzern heute ebenso borniert wie BMW. Nachdem nach einhelliger Überzeugung aller Experten im PKW-Bereich dem BEV die Zukunft gehört (wofür auch unabhängig von unterschiedlichen Sichtweisen schlicht physikalische Tatsachen sprechen) kann man nur konstatieren: wer bei dem Thema immer noch die sog. „Technologieoffenheit“ beschwört, kann nicht ganz dicht sein. So wird nicht nur ohne Sinn und Verstand Geld verbrannt, sondern man lässt sich beim BEV technologisch abhängen und gerät bei der dann evtl. stattfindenden Aufholjagd schnell ins Hintertreffen. So haben sich meines Wissens japanische Ingenieure im Hinblick auf TESLA dahingehend geäußert, dass die ihnen mindestens um 5-6Jahre voraus seien. Ähnlich dürfte es übrigens in Europa aussehen. Wenn Sie nun meinen, dem weltgrößten Autobauer könnte das nicht passieren: erinnern Sie sich an Sony ….oder Nokia….oder Kodak? Ein paar gravierende Fehlentscheidungen und ein ehemaliger Weltkonzern findet sich im globalen Ranking „unter ferner Liefen“ wieder.

Alfons Argi:

Nicht zu vergessen: Holzvergaser gab’s auch. Spielte z. B. nach WW2 durchaus eine Zeit lang noch oder wieder eine Rolle

Birgitta Konih:

Oft wird ja den Plug-in-Fahrern unterstellt, dass sie rein oder vorwiegend wegen der staatlichen Förderung und aus steuerlichen Gründen die Technologie gewählt haben oder wählen. Mag teils zutreffen, klar.
Wir haben 2008 den ersten Prius (2. Generation) gekauft und 2017 dann den Plug-in der aktuellen Generation (Förderung spielte für uns keine entscheidende Rolle).
Summa summarum: Begeisterung über Marke und Technologie nun seit 13 Jahren. Bitte weiter so.

rabo:

Das Pferd heisst Pfährd, weil man damit fährt… und Autos – speziell die für ihre Verwendung meist total überdimensionierten SUVs – können gar nicht teuer genug sein; denn es gibt viel zu viele davon.

jomei:

…och, da kann man nostalisch werden und fortfahren: Video System 2000, Bildplatte, Schallplatte (bald auch die CD ersetzt durch Streaming oder Stick, wenn es denn ein Tonträger sein soll. Z.B. gibt es den kompletten Bach mit über 1100 Werken auf einem USB-Stick), Kodak und Fuji klammerten zu lange an der analogen Fotografie, Lochkarten-Buchungsmaschinen, Mechanische Rechenmaschinen von Olivetti oder Triumph, Schreibmaschinen (Typenhebel, zuletzt Kugelkopf mit Korrekturband), Cassettenrecorder, Tonbandgeräte, Stereoanlagen mit Kommodenfüllenden HiFi-Boxen (heute tut es ein Bluetooth-Kopfhörer, kabellos!), Radios von Graetz, Schaub-Lorenz, Philips, Telefunken, Blaupunkt, Bruns, Nokia baute auch mal Röhrenfernseher, und wer die Seite Kameramuseum. de anklickt, findet -zigtausende Exponate einer untergegangenen Technikwelt. Wer damals beim Umbruch zur digitalen Bild- und Tonübermittlung von Technologieoffenheit gefaselt hätte, wäre ein Fall für die Gummizelle gewesen. Warum sollte es der Autoindustrie anders gehen? Ich spekuliere mal: In zehn Jahren, wenn nach einer Laufleistung von 130Tkm die Brennstoffzelle getauscht werden muss und den Wasserstoffproduzenten die Stromkosten um die Ohren fliegen und die Preise versalzen, hat die Brennstoffzelle den gleichen musealen Wert wie vor 100 Jahren das dampfmaschinengetriebene Auto (gab es wirklich).

jomei:

Weil seine Intelligenz dazu wiederum anscheinend nicht ausreicht. Und wenn ich manche Unternehmer und Unternehmerverbandsvertreter in der Politik höre, bekomme ich den Eindruck eindimensionaler Intelligenz mit Tunnelblick.

Anonymous:

1+

R. D.:

Kennt noch jemand Betamax, HD-DVD oder MiniDisc? Alle diese Technologien konnten sich zu seiner Zeit nicht durchsetzen und wurden durch eine andere Technologie verdrängt. Bei keinem dieser Technologien habe ich eine ähnliche Diskussion nach Technologieoffenheit gefunden, durchgesetzt hat sich das was am Markt angenommen wurde. Heute wird der Begriff Technologieoffenheit von denen verwendet die an der Wand stehen. Durchsetzen wird sich auch hier die Technologie welche der Kunde annimmt, ganz einfach. Viele meinen ja Wasserstoff im PKW sei die Zukunft, ja wann denn? Spätestens bei den Kosten ist dann ganz schnell Schluss, kaum jemand ist sich den Nachteilen bewusst. Wasserstoff für den Transportsektor und die Industrie, im PKW ist das batterieelektrische Auto viel günstiger, das hat irgendwann jeder begriffen. Auch Japaner.

Farnsworth:

Wundert dich das ernsthaft nach all der Anti-BEV Propaganda die in den letzten Jahren verbreitet wurde? Fragwürdige CO2 Rucksack Berechnungen, fragwürdige Grenzstrom Annahmen wegen BEV, arme Kinder in Afrika die mit ihren Händen Kobalt aus der Erde für BEV buddeln, arme Bauern in den Anden ohne Wasser dank Lithium Förderung, Giftstoffe in Akkus, zu geringe Reichweiten, zu langes Laden, zu wenig Ladeplätze,… Da kann man sich doch nicht wundern wenn der uninformierte Otto Normal nicht für BEVs ist.

Ich will ja nicht leugnen dass es die oben genannten Probleme nicht gibt, aber sie werden künstlich soweit aufgebauscht und so getan als ob die Probleme nicht lösbar wären. Ist doch gut dass jemand Probleme aufzeigt und dann kann man an denen arbeiten. Es kann sich ja heute sowieso nicht jeder ein BEV kaufen. Das geben die aktuellen Produktionskapazitäten ja noch gar nicht her.

Farnsworth

Jens:

Der Witz an der Geschichte ist, und das haben die ganzen Schnarchnasen komplett verpennt, dass sich das öffentliche Meinungsbild derzeit rasant verändert. Menschen, die noch letztes Jahr voller Ressentiments waren, stehen der Sache heute völlig aufgeschlossen gegenüber. Alleine das immer häufigere Erlebnis, dass ein vorbei fahrendes Auto nicht mehr so elendig nerven muss wie ein Verbrenner, führt schon zu einem Denkanstoß. Die Mundpropaganda tut ihr übriges. Mittlerweile sind nur noch die zu hohen Preise Hinderungsgrund einer erdrutschartigen Marktumwälzung. Die Leute begreifen gerade in der Breite, dass BEV grundlegend besser und für die allermeisten Anwendungsfälle geeignet sind – und dass ein heute neu gekaufter Verbrenner eine maximal dumme Entscheidung sein könnte.

Dazu trägt übrigens auch der Anti-BEV-Furor der AfD-Freaks bei – denn wenn die eine Sache so abgrundtief verteufeln, kann das ja schonmal gar nicht so schlecht sein…

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