Fahrbericht – VW ID.7: Wolfsburgs ganzer Elektro-Stolz

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Wolfgang Plank

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Beharrlich sind sie bei Volkswagen, das muss man ihnen lassen. Immer und immer wieder haben sie oberhalb des ebenso wunderbar praktischen wie langweiligen Passat wahre Größe gesucht. Nach dem 15 Jahre währenden Phaeton-Untergang legten sie 2017 mit dem Arteon erneut ein imposantes Projekt auf – schwungvoll, ambitioniert, aber wieder mit überschaubarem Erfolg. Dem Trend gehorchend, macht sich VW nun für die E-Mobilität lang, und kürt (vom hochbeinigen Touareg mal abgesehen) den ID.7 zum neuen Flaggschiff. Mit Start-Erfolg immerhin: Den Titel „German Car of the Year 2024“ hat der neue Wolfsburger Elektro-Stolz schon mal eingeheimst.

Knappe fünf Meter misst die Limousine der oberen Mittelklasse, fast drei Meter beträgt allein der Radstand. So ist das eben, wenn man im modularen Elektrobaukasten ganz am Rand arbeitet. Dennoch kommt der ID.7 deutlich schicker daher als die technisch weitgehend baugleichen, aber deutlich plumperen SUV der Marke. Immerhin ist er nicht nur das längste Mitglied der ID.-Familie, sondern gleichzeitig das flachste. Das schwungvolle Design bugsiert den Fahrtwind so gut es irgend geht um Karosserie und Räder herum. Am Ende stehen ein cW-Wert von 0,23, bis zu 621 Kilometer Aktionsradius – und die Erkenntnis: Schick kommt weiter.

Den Auftakt macht der für die Plattform übliche Heckantrieb (ab 56.995 Euro). Allerdings ist die Leistung der magneterregten Synchronmaschine um satte 60 auf 210 kW gestiegen. Für Vergleichbares im Wolfsburger Verbrenner-Segment müsste man schon die Clubsport-Version des GTI wählen oder sich bei Modellen umsehen, die ein R im Namen tragen. Eine auskömmliche Motorisierung samt ordentlichem Drehmoment ist in der Fünf-Meter-Klasse aber nun mal Voraussetzung – und dass der Leistungszuwachs mit gerade mal vier Kilo Mehrgewicht zum bisherigen Motor einherfährt, darauf sind sie bei VW dann doch schon ein klein wenig stolz.

Die Energie holt sich der Motor aus einem Stromspeicher zwischen den Achsen. Dem zum Marktstart verfügbaren ID.7 Pro hat VW die altbekannte 77-kWh-Batterie (brutto: 82 kW) spendiert. Im später folgenden ID.7 Pro S kommt ein Akku mit 86 kWh (brutto: 91 kWh) zum Einsatz. In dieser Version steigt obendrein die Gleichstrom-Ladeleistung von 175 auf 200 kW. Beide Batterien lassen sich bei aktiver Zielführung auf dem Weg zur Ladesäule automatisch vorkonditionieren und nehmen in nur zehn Minuten Strom für bis zu 204 Kilometer an Bord. An der heimischen Wallbox (11 kW) dauert die volle Ladung acht Stunden.

Praktisch für Vielfahrer ist die Multistopp-Routenplanung. Dabei hat das Navi die Karte im Auge, die am Ziel gewünschte Restreichweite und die Power der Säulen. Gut möglich, dass es statt eines langen Ladevorgangs zwei kurze Stopps mit hoher Leistung empfiehlt – und so Zeit spart. Übrigens: Zur Schonung des Akkus gibt es den „Care Mode“. Er beschränkt den Ladestand nach oben auf 80 Prozent, lässt sich aber bei Bedarf übersteuern.

Auch innen tut VW viel, um lange Distanzen angenehm zu machen. Der ID.7 bietet nicht bloß viel Platz, sondern optional eine neue Generation Sitze. Bis zu 14-fach verstellbar, vor allem aber klimatisiert. Sensoren für Temperatur und Feuchtigkeit erkennen, was Rücken und Po gerade brauchen – und regeln entsprechend. Auf Wunsch werden Vielfahrer sogar massiert. Von der „Aktion Gesunder Rücken“ gibt’s dafür das AGR-Gütesiegel. Auch hübsch: Die gewaltige Überkopf-Verglasung lässt sich elektrisch zwischen klar und blickdicht dimmen.

Derart verwöhnt, erwartet den Fahrer in gut gemachtem Ambiente eine neue Cockpit-Philosophie, bei der die Instrumente auf das gesetzlich Notwendige reduziert sind. Alles sonst Wichtige projiziert das serienmäßige Head-up-Display virtuell vors Auge – schwirrende Richtungspfeile für die Navigation inklusive. Das ist im Wortsinn großes Kino. Als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine dient ein freistehender 15-Zoll-Touchscreen mit neuer Menüführung – und wer mag, kann mit dem ID.7 selbstverständlich sprechen. Schade nur, dass VW nicht von den wenig komfortablen Touchslidern lassen wollte.

Fahren kann der ID.7 selbstredend auch. Und sogar überraschend gut. Für ein Fünf-Meter-Teil erweist er sich sogar als ausgesprochen agil. Auch ohne Mithilfe der Hinterachse. Das liegt natürlich mit daran, dass die Räder vorne bloß lenken, aber nicht treiben und so einen engen Einschlag erlauben. Bei dem in guter GTX-Tradition demnächst folgenden Allrad-Modell dürfte der Wendekreis wohl etwas größer geraten als 10,90 Meter. Lobenswert: Die neu kalibrierte Lenkung erlaubt punktgenaue Peilungen Richtung Scheitelpunkt.

Zusammen mit dem DCC-Fahrwerk, bei dem die Dämpfer für jedes Rad dutzendfach binnen eines Wimpernschlages auf Veränderung reagieren, und einer neuen Hinterachs-Lagerung stellt sich jede Menge Komfort ein. Sogar eine Art Wankausgleich bekommt der ID.7 geregelt. Wem diese Grundabstimmung dann doch etwas sehr sänftig geraten sein sollte, dem bleibt der spürbar straffere Sport-Modus, bei dem sich die elektronischen Helfer deutlich länger im Hintergrund halten. Übertreiben sollte man die beherzte Kurvenfahrt dennoch nicht. Knappe 2,2 Tonnen schieben halt auch.

Apropos: An Assistenz wird aufgeboten, was die Konzernregale hergeben. So hält der ID.7 die Spur, wahrt Tempo und Abstand, späht in tote Winkel und bremst im Notfall automatisch. Der „Travel Assist“ arbeitet mit Schwarmdaten und unterstützt auch den begleiteten Spurwechsel auf der Autobahn. Sogar Parken kann der ID.7 selbstständig. Hübscher Kollateralnutzen der neuen Software: Sie speichert nach einmaligem Abfahren bis zu fünf Park-Routen über eine Distanz von bis zu 50 Metern. Hilft gegen randsteinbewehrte Hinterhöfe genauso wie beim Säulen-Slalom in der Tiefgarage. Und sollte es gar zu eng werden: Die Überwachung funktioniert über das Smartphone auch von außen.

Legt man es darauf an, lässt sich der ID.7 in 6,5 Sekunden zur dreistelligen Tachoanzeige treiben – und weiter bis Tempo 180. Nachhaltiger indes ist das Gegenteil: Möglichst oft Fuß vom Pedal und per Rekuperation Strom gewinnen. Wäre doch schade um jedes Watt, das man per schnöder Reibung in Wärme wandeln müsste. Apropos Bremse: Hinten sitzen Trommeln wie einst im Käfer. Hört sich im Wortsinn altbacken an, bringt aber Vorteile bei Gewicht, Platz – und die Beläge halten ein Autoleben lang, versprechen sie bei VW.

Wer übrigens lieber Last als Leute transportiert: Im Kofferraum packt der in Emden gebaute ID.7 532 Liter weg, maximal kommen dachhoch knapp 1,6 Kubikmeter Ladung unter. Nicht ganz so üppig fällt die Anhängelast aus. Zumindest in der Basisversion ist bei 1,2 Tonnen Schluss. Allerdings könnte sich ein wenig Geduld durchaus lohnen. Schließlich war bei den Testfahrten auch schon der deutlich geräumigere und nur noch wenig getarnte „Tourer“ zu sehen. Der kann dann so richtig einpacken.

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.
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EricU:

Was hat der eine Zuladung, Gewicht? Ist ja oft ein Schwachpunkt an Elektrofahrzeugen. Voll besetzt darf dann kaum mehr was in den Kofferraum.

Harald Tiersp:

Stellantis bringt in seiner STLA Medium Architektur ja sogar bis 98 kWh unter.
Klar, man kann verschiedener Meinung sein, ob der Kilowattstundenwettbewerb nötig und zielführend ist. Aber als Kaufargument „schadet‘s“ sicher nicht.
Ich freu mich jedenfalls über all die Modelle in jener Fahrzeugklasse – ob aus dem VW-Konzern, von Stellantis oder anderen. Go!

Ragnar Bartell:

.. mit Ihnen auch?

Tom 1:

Innen und außen eher na ja,früher so ab 1975 waren vier VW Modelle mein eigen, jetzt geht’s mit VW stetig abwärts.

Marc:

Die Optik der Limousine ist jetzt nicht so ganz meins. Aber es wird ja zeitnahe einen Kombi geben und die Technik und die Ausstattung sowie der Verbrauch und die Reichweite zeigen einfach, dass VW Elektromobilität beherrscht. Vor allem werden die Fahrzeuge stets weiterentwickelt. Mit dem 86er Akku ist man schon auf einem Level angekommen, wo auch ein Vertriebsmitarbeiter mit engem Terminkalender seinen Tag so gestalten kann wie zu Verbrennerzeiten. Beeindruckend!

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