Conjoint-Studie: Wann netzdienliches Laden attraktiv wird

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Mit der Elektrifizierung des Individualverkehrs, insbesondere der Pkw, sowie dem gleichzeitigen Ausbau der neuen erneuerbaren Energien, verändert sich die Struktur des Stromnetzes: Die Elektrizität im Stromnetz wird nicht mehr länger nur von wenigen großen Kraftwerken produziert, sondern es findet eine Verschiebung hin zu vielen kleinen Kraftwerken statt. Da jedoch Photovoltaikanlagen und Windkraftwerke nicht immer gleich viel Leistung generieren, verschiebt sich der Stromnetzausgleich hin zu den kleineren Kraftwerken.

Gleichzeitig stehen mit steigender Anzahl Elektroautos immer mehr Batterien ungenutzt in Garagen und auf Parkplätzen. Diese Batterien können genutzt werden, um im Tageszyklus Strom zu speichern, bei Bedarf abzugeben oder bei Überproduktion aufzunehmen. Elektrofahrzeuge können also das Stromnetz stabilisieren. Das junge Unternehmen Sun2Wheel demonstriert dies in der Schweiz erfolgreich und stand für Inputs für die Forschungsarbeit zur Verfügung.

Die Studie untersucht die Bereitschaft zur Teilnahme am netzdienlichen Laden von Elektroautos in der Schweiz und in Deutschland mithilfe einer Choice-Based-Conjoint-Analyse. Der Fokus der Untersuchung liegt auf der monetären Vergütung, welche für Elektroautonutzende notwendig ist, damit ein Teil der Batterie für das netzdienliche Laden freigegeben wird.

Das Untersuchungsmodell basiert auf den theoretischen Grundlagen der Theory of Reasoned Action und Theory of Planned Behaviour, dem erweiterten Norm-Aktivations-Modell, der Prospect-Theory, und dem Technologie-Akzeptanzmodell. Es wurde eine standardisierte Online-Umfrage mit zehn Choice-Sets durchgeführt. Die Stichprobe beträgt 75 Teilnehmende. Durch die Analyse der Präferenzen von Elektroauto-Nutzer:innen hinsichtlich der Bereitstellung ihrer Batteriekapazität für die Netzstabilisierung identifiziert die Studie wesentliche Faktoren, die das Nutzungsverhalten beeinflussen.

Pascal Mühry-Städeli | Abbildung 2: Auszug aus der Conjoint-Analyse. Vier Attribute | 10 Choice-Sets | Vier Optionen plus None-Option

Die Ergebnisse zeigen, dass die monetären Anreize eine entscheidende Rolle für die Flexibilität spielen. Relevante Entscheidungsfaktoren umfassen zudem die mindestens eingesteckte Zeit an der Ladestation sowie den Anteil der Batterie, welcher dazu freigegeben werden muss. Würde den Nutzer:innen nur ein Angebot zur Auswahl gestellt mit den Ausprägungen 80 Prozent nutzbare Batteriekapazität, 10 Stunden eingesteckt pro Tag, 10 monatliche Deaktivierungen und 8 Euro Ertrag würden unter Berücksichtigung des 95-Prozent-Konfidenzintervalls 74 bis 88 Prozent das Angebot annehmen und 11 bis 26 Prozent das Angebot ablehnen.

Bei den gleichen Ausprägungen aber mit 20 Euro Ertrag würden das Angebot 87 bis 98 Prozent annehmen. Wären bei gleichen Ausprägungen statt 80 nur 60 Prozent der Batterie nutzbar, würden bei 20 Euro Ertrag 76 bis 90 Prozent das Angebot annehmen. Ohne monetäre Vergütung ist die Teilnahmewahrscheinlichkeit nur bei 25 bis 43 Prozent.

Pascal Mühry-Städeli | Die Grafik zeigt den anteilsmässigen Vorzug verschiedener Batteriekapazitäten je nach Vergütung. Die höchste Zustimmung erhält die Freigabe von 20 % der Batterie für die Flexibilität. Diese Menge an Batterie wird am liebsten für 20 EUR Ertrag freigegeben

 

Pascal Mühry-Städeli | Die Grafik zeigt den anteilsmässigen Vorzug verschiedener Anzahl eingesteckter Stunden pro Tag. Es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen 5 h oder 10 h, hingegen 15 h eingesteckt pro Tag stösst auf grössere Ablehnung als 5 h oder 10 h.

Limitierende Faktoren sind das Convenience-Sampling und die geringe Proband:innenzahl für die Conjoint-Analyse. Dies führte zu einem Stichproben-Bias, welche die Eigenschaft aufweist: ökologisch, jung, männlich, mit einem hohen Bildungsstand.

Die Erkenntnisse bieten Implikationen für die Gestaltung von Tarifsystemen und Marketingstrategien zur Förderung des netzdienlichen Ladens und nachhaltigen Integration von Elektroautos ins Stromnetz. Für Aggregatoren sind folgende Erkenntnisse interessant: Der finanzielle Ertrag ist ein zentraler Faktor, die Flexibilität darf nicht zu fest eingeschränkt werden, 15 Stunden eingesteckt pro Tag werden abgelehnt.

Die Nutzenden können bereits sein, bis zu 20 Prozent der Batteriekapazität für das netzdienliche Laden zur Verfügung zu stellen. Für Energieversorger, Automobilhersteller und politische Entscheidungsträger ist die Erkenntnis wichtig, dass eine grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme am netzdienlichen Laden zu beobachten ist. Weiterer Forschungsbedarf besteht bezüglich des Einflusses möglicher monatlicher Deaktivierungen der Flexibilität sowie weiterer Einflussfaktoren auf die Bereitschaft zur Teilnahme am netzdienlichen Laden.


Zusammenfassender Artikel der Masterarbeit von Pascal Städeli, vorgelegt am 04.03.2024, geprüft von Prof. Dr. Lars Petersen und Prof. Dr. Stephan Hankammer

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Christian:

Zum Thema Smartmeter: das kommt so oder so verpflichtend. Deutschland ist hierbei in Europa absolutes Schlusslicht.
Ansonsten bin ich aber auch erst einmal an V2H interessiert.

Pedro G.:

Da kommt wo Mann hin muß und was im Akku noch drin ist !
So 100 km wären möglich wenn ich am Zielort ein Lademöglichkeit vorhanden ist !
Optimal wäre es von 50 % – 90 % der Akkukapazität ?

E. Wolf:

Mal unter der Annahme betrachtet das die DC-Bidi Technik implementiert ist. Warum soll der PV-Dachbesitzer in der Ferne (V2G) schweifen, wenn das Gute (V2H) liegt so nah ?
V2H:
– Kein sogenanntes Smartmeter (vulgo Datenschleuder) erforderlich !
– Keine Verträge mit Dritten (zB. Aggregatoren) erforderlich !
– Jetzt, wo die Tage bis April kürzer bleiben, ist der große eAutospeicher (>> 27 kWh) der ideale Heimspeicher !

V2G:
– Zunächst einmal werden die fossilen Kraftwerksbetreiber auf neue Gaskraftwerke (ca. 10 GW) bestehen.
– Die Zusatzkosten – gegenüber V2H – müssen eingepreist werden.
– Verträge und ggfs. zeitliche Verpflichtungen folgen: Was passiert, wenn der eWagen gerade liefert, ich aber spontan los muß ?

Es bleibt spannend – aber wer macht eigentlich Druck das die DC-BiDi Techink kommt ?

Philipp:

Ich halte die Analyse auch nicht wirklich geschickt. Die potentiellen Nutzer sind sich scheinbar nicht im Klaren, dass mal angenommen sie fahren zumindest 6 mal die Woche mit dem Auto, sie für grob 50c Rohrertrag jeweils immer einmal an- und abstöpseln müssen. Ich würde ja schon fast 50c zahlen, um das nicht machen zu müssen.
Degradation würde auch nicht angesprochen:
80% freie Kapazität der Batterie wäre jeden Tag 80% eines kompletten Ladehubs und bei NMC mit 4000 Ladezyklen sind das nur 13,7 Jahre bis die Batterie getauscht werden muss. So das allgemeine Verständnis zu NMC.
Durchschnittsalter bei Verschrottung eines Autos in Deutschland ist aber knapp 20 Jahre. In den 13,7 Jahren bekommt man dann Brutto zwischen 1644 (bei 10€) und 3288€ (bei 20€).
Und man hat dann noch keinen km gefahren…
Es wollen wieder viele viele mit verdienen, so dass beim Nutzer nichts übrigbleibt. Wie schon bei den Ladetarifen.

Broesel:

>“netzdienliches Laden” fängt doch viel früher an.
Bei dynamischen Tarifen und für 30€ Hardware/Software-Mehraufwand in der Wallbox.<

Ja, nur leider nicht die ganze Wahrheit … es ist nämlich an der jeweiligen Verteilung noch ein Internet-Anschluß! erforderlich — daran scheitert es wohl *fast* immer in Mehrfamilien-Häusern. Die Router der jew. Mieter in der Etage schaffen z.B. keine Verbindung zum Verteiler im Keller … so jedenfalls bisher die Auskunft aller Anbieter in meinem Fall :(

Gerd:

Speicher-Vermietung ist zwar ein interessantes, zusätzliches Geschäftsmodell, aber „netzdienliches Laden“ fängt doch viel früher an.
Bei dynamischen Tarifen und für 30€ Hardware/Software-Mehraufwand in der Wallbox.
Insofern hat unsere vielgescholtene Ampel, nach 20 Jahren Dornröschenschlaf der Vorgängerregierungen, mit den „Regelungen zur Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen“ und dem verpflichtenden Angebot dynamischer Strompreise schon vieles erreicht.
Was übrigens auch denen hilft, die keine eigene PV bauen können.

Wolfbrecht Gösebert:

Aus dem Artikel:
„Die Nutzenden können bereit[] sein, bis zu 20 Prozent der Batteriekapazität für das netzdienliche Laden zur Verfügung zu stellen.“
Um es mal (über)pointiert zu sagen: Diese Studie ist so nicht das Geld für den Strom wert, das die Bereithaltung des Artikels auf dem Server kostet …

Solange die Einmal-Kosten für die individuelle Investition in die Bidi-Fähigkeit des jeweiligen Fahrzeugs nicht bekannt sind bzw. für die Umfrage berücksichtigt werden, sind solche Teil-Ergebnisse eher wertlos.

Was soll es denn bringen, wenn einem monatlichen Ertrag von 20 EUR ein einmaliger Mehraufwand für generelle Bidi-AC-Fähigkeit (des Fahrzeugs bzw. der DC-Infrastruktur von z.B. mehreren Tausend EUR gegenüberstehen? Amortisation nach > 5 Jahren?

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