Ex-VW-Chefdesigner Zyciora: „Chinas Stärke liegt im Tempo“

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ChangAn | Klaus Zyciora, Vice President Global Design bei ChangAn

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Klaus Zyciora, früherer Chefdesigner von Volkswagen und heute Vizepräsident der chinesischen Changan Automobile Group, hat sich nach 35 Jahren Konzernkarriere bewusst für einen Neuanfang in China entschieden – in einer Stadt, die in Deutschland kaum jemand kennt: Chongqing. Dort verantwortet er das globale Design des staatlichen Autobauers Changan und sieht China längst nicht mehr als Nachzügler, sondern als Innovationstreiber. „Changan ist dabei, ein globaler Player zu werden. Eigentlich sind wir das schon, nur eben in vielen Märkten, die in Deutschland nicht so auf dem Radar sind“, so Zyciora im Gespräch mit der FAZ. Gemeint sind etwa arabische Länder, in denen Changan unter den Importeuren Marktführer sei.

Der Designchef hebt vor allem das hohe Tempo und die konsequente Digitalisierung in China hervor. „Ich habe keinen Haustürschlüssel mehr und kein Bargeld. Man bezahlt alles per App, kommuniziert per App, die gesamte Unternehmenskommunikation ist App-basiert“, beschreibt Zyciora seinen Alltag. Das führe zu mehr Geschwindigkeit, Effizienz und Direktheit. Vorstandssitzungen seien „extrem strukturiert und datenbasiert“, Entscheidungen würden nicht aus dem Bauch getroffen. „Das ist mehr der Stil eines Techunternehmens. Mir gefällt das sehr“, betont er. Er sehe es als Ehre, als Deutscher in einem chinesischen Vorstand zu sitzen.

Dass Changan ein staatliches Unternehmen ist, spiele in seiner Arbeit keine Rolle. Kontakte zu Parteikadern habe er nicht: „Null, gar nicht.“ Der Empfang durch die lokalen Behörden sei stattdessen von Respekt geprägt gewesen. China, so Zyciora, begegne der europäischen Autokultur mit großer Wertschätzung – und dem Wunsch, von ihr zu lernen.

Europa-Einstieg mit realistischen Erwartungen

Derzeit bereitet Changan seinen Markteintritt in Europa vor – mit Bedacht. „Wir werden Europa nicht mit Produkten überschwemmen, sondern zuhören und schauen, wie unsere Produkte in den Märkten angenommen werden“, so Zyciora. Besonderes Augenmerk gelte dem Service, dem Wiederverkaufswert und „sehr kompetitiven Garantien“. Fehler, wie sie etwa BYD mit zu schnellem Markthochlauf und fehlendem Kundendienst gemacht habe, wolle man vermeiden. „Wenn deutsche Kunden ein Auto kaufen, erwarten sie entsprechenden Service und ein Qualitätsversprechen. Das braucht Vertrauensaufbau.“

Zyciora kündigt zudem an, dass Changan mittel- bis kurzfristig Produktionskapazitäten in Europa aufbauen will. Ob in Osteuropa oder Deutschland, sei noch offen – eine Entscheidung sei für 2026 oder sogar früher denkbar. „Wir setzen auf eine sichere, solide Strategie und gucken uns alles viermal an“, so der Ex-VW-Designer. Auf mögliche Gespräche mit Kommunen in Deutschland – etwa in Osnabrück oder Köln – geht er nicht direkt ein, bestätigt aber: „Der ein oder andere ruft schon mal an.“

Auch zur Debatte über chinesische Subventionen äußert sich Zyciora deutlich. Die Kritik sei aus seiner Sicht nicht gerechtfertigt. Vielmehr müsse Deutschland selbstkritischer werden: „Deutschland ist zu langsam, zu bürokratisch und überreguliert sich massiv.“ In China arbeite man effizienter und deutlich mehr. 70-Stunden-Wochen seien keine Seltenheit. „Man verschreibt sich, man arbeitet aus ganzer Kraft für das Unternehmen. Das ist der eigentliche Wettbewerbsvorteil.“

Den Vorwurf, die deutsche Autoindustrie zu verraten, weist Zyciora entschieden zurück. Er pflege ein gutes Verhältnis zu seinen früheren Kollegen, auch zu VW-Chef Oliver Blume. „Die langen Wellen der Autoindustrie gehen rauf und runter. Das heißt aber nicht, dass schon Abpfiff war.“ Er sehe in der chinesischen Dynamik und Kreativität vielmehr eine Chance – auch für die deutsche Industrie. Seine Empfehlung: „Ich kann jedem nur empfehlen, sich diese andere Seite des Planeten anzuschauen. Die Erfahrungen sind großartig.“

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung – „Deutschland ist ein Museum“

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Läubli:

Ob einem die Digitalisierung unserer Daten gefällt oder nicht, das ist doch schon längst völlig gleichgültig. Fakt ist, dass wir und davor nicht mehr drücken können. Bald wird es obligatorisch sein, dass auch unser Patientendossier nur noch online ist, der Pass, die ID …einfach alles wird online sein. Jeder Zugang zu durch eine Türe, ins Auto, aufs E-Bike und natürlich auch in den Supermarkt usw. wird alles digitalisiert werden. Das ist schlussendlich ganz egal, ob wir uns dagegen stellen oder nicht, ob es uns passt oder nicht. Die Zukunft kann niemand aufhalten… das war aber schon immer so. Entweder geht man mit oder kommt bald nicht mehr mit. Ich gehöre jedenfalls zu denen, die mitgehen!

Achim Ropp:

Er hatte und hat ja offenbar auch privat seinen zweiten Frühling, der für ihn schon zu VW-Zeiten und mit Wechsel des Nachnamens vor einigen Jahren begann.
Sei jejönnt.
China sich freilich als Vorbild nehmen, sehe ich nur mit Vorsicht, denn in vieler Hinsicht wollen und werden wir das sicher nicht tun. Das können insb. jene Menschen bestätigen, die aus Europa kommend selbst mal längere Zeit vor Ort dort gelebt und gearbeitet haben. Gilt im übrigen auch etwa für Taiwan, Südkorea und Japan, wenn auch teils aus jeweils anderen Gründen.

Egon_meier:

Die Kritik an Deutschland ist bestimmt teilweise gerechtfertigt aber bestimmt in andere Teilen heftig übertrieben. Seine Haltung ist natürlich gespeist von seinem traurigen Abgang bei VW und den dort seinerzeit herrschenden Strukturen.
Menschlich veständlich.

Seine Arbeit dort war durchaus ok – das Design der MEB-Modell von VW gefällt mir deutlich besser als das was die Töchter so fabrizieren. Leider wurde sein klares Design verdeckt durch die technischen Anfangsprobleme der neuen Plattform.
Design sehr gut – Technik hakelig. Dafür konnte er nun mal nix ..

schade um den Mann.

Christoph R.:

„Ich habe keinen Haustürschlüssel mehr und kein Bargeld. Man bezahlt alles per App, kommuniziert per App, die gesamte Unternehmenskommunikation ist App-basiert“ Das ist verdammt gruselig und klingt nicht nach Luxus oder ähnlichem. Wenn das Internet ausfällt kommt der Typ nicht mal mehr zu sich nach Hause! Und mit der App meint er mit Sicherheit WeChat, die Allround-App der chinesischen Regierung. Über diese App wir alles gemacht was man auf einem Handy so macht, sodass man gegenüber der App und damit gegenüber der Regierung transparent ist. Es ist doch schon schlimm genug, dass Google, Meta und Co verdammt viel über uns wissen, aber würde man all diese Daten zusammenfügen, hätte man ein vollständiges Puzzle. Und das scheint Klaus Zyciora ja zu gefallen, sonst würde er nicht so positiv darüber sprechen.

EffEll:

Und deshalb gibt man >5 Jahre Neuwagengarantie?! Dein Kommentar besteht aus Vorurteilen, die vor ~10 Jahren vielleicht noch stimmten. Aber heutzutage ist es eher so, dass ein BEV, welches in China gerade mal 20.000$ kostet, oft bessere Materialanmutung und -qualität hat, wie ein europäischer Mitbewerber für 40.000€. Traurig aber wahr

EffEll:

Die Schnelligkeit bezieht sich auf die Entwicklungszeit neuer Modelle, die erheblich kürzer ist als bei allen europäischen Herstellern. Auch bedeutet das nicht, dass Modelle schneller abgelöst werden und das zu „veralteten Produkten führt“. Da, wo man sich alles „viermal anschaut“ und „vorsichtig ist“, bezieht man sich auf die Produktionsstandortsuche und Aufbau von Wartungs- / Händlernetz in Europa. Da gibt es keinerlei Diskrepanz. Man muss den Artikel nur aufmerksam lesen. Beim Thema Datensicherheit erinnere ich nur mal an den Volkswagen Leak. Ob das Vertrauen da per se höher ist, darf durchaus bezweifelt werden…

Sascha:

Weiß ja nicht, ob man bei einer 70 Std Woche von Effizienz sprechen kann oder sollte…

ID.alist:

„… hat sich nach 35 Jahren Konzernkarriere bewusst für einen Neuanfang in China entschieden….“
Der Satz ist ein guter Witz. Jemand der als Designer nur durch seine Fehlgriffe im Volkswagen Konzern erinnert wird, geht nicht sondern wird gegangen.

ID.alist:

Wenn ich mir den Interview „Batterie mit Klebeband: Werkstatt-Realität in China“ anhöre, dann sehen die Chinesische Hersteller das Auto als Ein-weg-Produkt. Die Autos brauchen nicht lange zu halten, und jedes Jahr bringt man neue „Fähigkeiten“ beim Auto. Aber der Smartphone ist schon ein bisschen weiter, und man sieht, am Ende gibt es keine neue „Fähigkeiten“ mehr.
Noch ein mal zeigt sich, dass China überhaupt kein Interesse an Umwelt und Nachhaltigkeit haben, aber viele wollen es in Europa nicht verstehen, denn billige, und nicht günstige, Autos scheint wohl für viele das wichtigste zu sein.

Gastschreiber:

Der Artikel wirkt für mich sehr widersprüchlich. Da wird vom Vorteil gesprochen, dass man schnell ist, innovativ ist etc. dann sieht man sich alles viermal an ist vorsichtig etc.
Auch wird m.E. vergessen dass es eine Kehrseite jeder Medaille gibt, Schnelligkeit führt schnell zu veralteten Produkten, das ist schlecht für den Restwert, Innovation ist kritisch was Datensicherheit betrifft. Solche Punkte wirken siich auf Käuferentscheidungen aus.

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