ADAC: E-Autos aus China auf Augenhöhe mit etablierten Herstellern

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ADAC / Test und Technik

Michael Neißendorfer
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  —  Lesedauer 3 min

Autos von chinesischen Herstellern machen in der Öffentlichkeit immer häufiger von sich reden. Ihr Marktanteil ist vor allem im E-Auto-Segment in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen. Knapp neun Prozent der batterieelektrischen Fahrzeuge in Deutschland kommen von Nio, BYD, MG und Co. „Für uns ist es deshalb umso wichtiger, auch diesen neuen Marken genauso gründlich auf die Finger zu schauen – sei es im Rahmen von Euro NCAP oder unseren eigenen Verbraucherschutz-Tests“, betont ADAC Technik-Präsident Karsten Schulze, der das Thema auch auf der kommenden Hauptversammlung des Clubs (am 4. Mai in Bremen) auf die Agenda setzen werde.

Die ADAC Autotest-Ergebnisse von 13 Modellen aus den letzten drei Jahren zeichnen ein klares Bild, so der Automobilclub: Chinesische Fahrzeuge sind demnach ernstzunehmende Konkurrenten und überzeugen in vielen der Testkategorien. Bis auf zwei Ausnahmen erreichten alle Pkw fünf von fünf Sternen im Euro NCAP-Crashtest. Auch im Ausweichtest, bei dem das Sicherheitsverhalten und insbesondere das ordnungsgemäße Funktionieren des ESP überprüft werden, gaben sich die Testkandidaten keine Blöße. Viele Fahrzeuge europäischer Hersteller fuhren laut ADAC schlechtere Ergebnisse ein.

Die ADAC Experten erkannten zudem größtenteils gute Materialqualität und versierte Verarbeitung von Karosserien und Innenräumen. „Unsere Tests zeigen: Die chinesischen Hersteller haben in den vergangenen Jahren stark aufgeholt und können mit etablierten Marken inzwischen mithalten“, so ADAC Technikpräsident Schulze.

Ein wiederkehrendes Manko sah der Mobilitätsclub hingegen bei den Assistenzsystemen. Verkehrszeichenerkennung, Spurhalte- und Abstandssysteme funktionierten oftmals nur unzuverlässig. Hier profitieren europäische Hersteller von ihrer jahrzehntelangen Erfahrung mit diesen in der Abstimmung hochkomplexen Systemen. Allerdings sehe man auch, wie schnell chinesische Hersteller auf Kritik reagieren: In neueren Modellen etwa von Nio zeigten sich die Systeme schon deutlich verbessert.

Auch bei der Bedienung laufe nicht immer alles reibungslos, was vor allem an der starken Fokussierung auf Touchscreens liege. Komplexe Menüstrukturen in Kombination mit teils träge reagierenden Displays, Softwarefehlern und falschen Übersetzungen sorgen immer wieder für Probleme bei der Steuerung von Klimaanlage, Navigation oder Entertainment.

Preislich unterbieten chinesische Modelle europäische Hersteller beinahe immer, oft um mehrere tausend Euro. Allerdings könnte sich ein Auto mit günstigem Anschaffungspreis später doch als teurer herausstellen, etwa durch unerwartet hohen Wertverlust oder Reparaturkosten. Außerdem ist das Händlernetz teilweise noch nicht so dicht wie bei der etablierten Konkurrenz. Während BYD, Maxus und MG breit aufgestellt sind, ist es z.B. bei Aiways aktuell unklar, wie ein Neufahrzeug ausgeliefert wird. Für Wartungen und Reparaturen kooperieren die chinesischen Hersteller häufig mit Anbietern wie ATU und Euromaster. Einen eigenen Weg geht hier Nio, die wie Tesla auf mobile Servicepartner setzen.

Dem medial oft vermittelten Bild von einer „Überschwemmung des europäischen Marktes“ widerspricht Florian Hördegen, Leiter Fahrzeugtechnik im ADAC Technikzentrum Landsberg: „Gemessen an den gesamten Verkäufen machen chinesische Pkw in Deutschland aktuell weniger als zwei Prozent aus.“ Allerdings sei die Grenze zwischen europäischen und chinesischen Herstellern ohnehin nicht mehr so eindeutig wie noch vor einigen Jahrzehnten. BMW und Citroën etwa lassen manche ihrer Modelle komplett in China fertigen und die Marke Smart ist in einem Joint Venture von Mercedes-Benz und Geely neu aufgegangen.

Quelle: ADAC – Pressemitteilung vom 19.04.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Groß:

Was ist an Volvo und seinem Tochterunternehmen europäisch?
Nichts.

Raymond_NL:

Auf Augenhöhe, mag wohl sein, aber Fakt ist dass momentan mehrere Tausende Chinesische BEV, wovon manche bereits über seit einem Jahr, im Hafen von Zeebrugge stehen, in Wetter, Kälte und Seewind, weil die Logistik ins Hinterland nicht gut organisiert ist und die Chinesische Fabriken weiterhin BEV ausspucken ohne Planung und Absatz in Europa zu berücksichtigen.

Also aufgepasst wenn man ein Schnäppchen machen kann mit solch ein BEV.

Joerg:

Was ist denn an MG europäisch außer dem Namen?

Niko8888:

Klar ist Wettbewerb unbequem und knallhart. Aber wer in China über Jahrzehnte Milliardengeschäfte gemacht hat und weiter machen will, der muss auch offen für chinesische Produkte sein, so einfach ist das.

Spiritogre:

Die Medien, nicht nur in Deutschland, stehen voll darauf chinesische Autos zu promoten. Da ist irgendwo ein Propaganda-Apparat schwer am Arbeiten.
Bei den Kommentaren zieht es dann immer, bei Australiern auch, weil dort die chinesischen Autos nur 1,5x so teuer sind wie in China und nicht 2x, wie hier.
Und einige Leute hierzulande lassen sich dann nicht nur begeistern sondern kaufen trotz des hohen Preises für das Gebotene einer NoName Marke dann tatsächlich einen Chinesen. Bisher zum Glück aber nur ganz vereinzelt.

Es wird aber schwierig, es wird nämlich argumentiert, dass 30 Prozent aller in Europa verkauften Elektroautos aus China kommen. Vergessen wird dann zu sagen, dass Tesla Model 3 und Dacia Spring eben auch daher kommen. Und der Rest halt großteils alte europäische Marken sind wie Volvo, MG, Polestar, oder halb-chinesische Marken wie Smart. Während reine chinesische Marken in Europa nur ein paar Dutzend bis ein paar Tausend im Jahr absetzen.

Gastschreiber:

Das interessante an dem Artikel ist die Überschrift. Sie suggeriert etwas komplett anderes als es der Fließtext im Detail dann wiedergibt.
I wievielen Ländern würde der Titel, heimische Autobauer noch führend oder so heißen?
Ich sehe die Medien mit einem großen Anteil am verhaltenen Umsatz bei der Elektromobilität.
Warum nicht einmal versuchen die Dinge positiv formulieren um die hiesige Wirtschaft zu promoten?

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