Bei der Fahrveranstaltung in Köln und im Bergischen Land Ende Juli konnte ich den neuen Renault R4 erstmals auf deutschen Straßen fahren. Die Region bot dafür den passenden Rahmen: enge Gassen, Landstraßen mit ordentlichem Höhenprofil und kurze Autobahnabschnitte machten schnell deutlich, wie vielseitig sich das Auto im Alltag schlagen soll.
Renault knüpft mit dem R4 bewusst an ein Kultmodell an, das in den 1960er- bis 1990er-Jahren Millionen Menschen mobil gemacht hat. Nun soll die Neuauflage nicht nur Nostalgie wecken, sondern der Marke auch eine starke Position im Segment der kompakten Elektro-SUVs sichern. Der gefahrene Testwagen kam in der auffälligen Farbe Kumulus-Blau mit schwarzem Dach und trat in der höchsten Ausstattungslinie Iconic 150 Comfort Range an – inklusive Vollausstattung mit adaptiven Assistenzsystemen, elektrische Heckklappe und Harman-Kardon-Soundsystem.
Renault R4: Moderner Stromer mit Retro-Inspiration
Optisch kombiniert der R4 Elemente der Vergangenheit mit einer klar modernen Formsprache. Die steile Front mit den Rundscheinwerfern zitiert das Original, setzt aber auf ein durchgehendes LED-Band und ein beleuchtetes Markenlogo. Am Heck greifen die aufrecht stehenden Leuchten und die glatte Klappe Retro-Anleihen auf, während Details wie die optionale Zweifarblackierung den Lifestyle-Anspruch unterstreichen. Mit seinen 4144 mm Länge, 1808 mm Breite und 1552 mm Höhe sowie einem Radstand von 2645 mm ist der R4 deutlich gewachsen und zeigt deutlich mehr Präsenz als der historische Klassiker.
Gleichzeitig hebt er sich mit seiner Statur vom R5 ab, der stärker in der urbanen Kompaktklasse verortet ist. Die 18,1 cm Bodenfreiheit geben dem R4 eine SUV-typische Haltung, erleichtern den Einstieg und schaffen ein Plus an Alltagstauglichkeit – gerade auf schlechteren Straßen oder bei leichten Offroad-Passagen, wie sie während der Testfahrten im Bergischen Land durchaus vorkamen.
Im Innenraum zeigt der R4, dass Renault den Spagat zwischen Retro-Charme und moderner Alltagstauglichkeit bewusst gesucht hat. Statt klassischer Lederpolster setzt die Marke auf einen Materialmix mit hohem Recyclinganteil: Denim-artige Stoffe, gesteppte Einsätze und farbige Kontrastnähte ziehen sich durch den Innenraum. Kleine Details wie die eingestickte französische Flagge oder ein dezentes R4-Logo auf der Armaturentafel unterstreichen die Herkunft und schaffen Eigenständigkeit. In der getesteten Iconic-Ausstattung war das Interieur hochwertig abgestimmt – mit beheizbarem Lenkrad, elektrischer Heckklappe und Soundsystem von Harman Kardon.
Das Cockpit ist stark an den R5 angelehnt, bleibt aber eigenständig genug. Zwei Displays dominieren das Armaturenbrett: ein digitales Kombiinstrument hinter dem Lenkrad und ein 10-Zoll-Touchscreen in der Mitte. Beide laufen auf Googles Android Automotive. Navigationsdaten, Sprachsteuerung und Apps wie Spotify sind so nahtlos integriert, dass Renault auf ein eigenes System verzichtet. Besonders praktisch: Updates erfolgen over-the-air, Ladeplanung und Echtzeit-Verkehrsdaten sind direkt in Google Maps integriert. Wer möchte, kann zusätzlich Apple CarPlay oder Android Auto kabellos einbinden.
Die Bedienung erweist sich als alltagstauglich. Direkt unter dem Touchscreen sitzen klassische Tasten für die Klimasteuerung – ein Pluspunkt gegenüber rein digitalen Konzepten. Hinter dem Lenkrad finden sich Schaltwippen, die allerdings nicht zum Gangwechsel, sondern zur Einstellung der Rekuperation genutzt werden. In der stärksten Stufe ist sogar ein One-Pedal-Drive möglich, das den R4 bis zum Stillstand abbremst.
Vorn überzeugt die Sitzposition mit guter Übersicht, auch weil die erhöhte Bodenfreiheit einen angenehm aufrechten Einstieg erlaubt. Im Fond zeigt sich dagegen die Schattenseite der Plattform: Für Erwachsene ab 1,85 m wird es eng – sowohl bei der Kopffreiheit als auch im Beinraum. Für Familien mit kleineren Kindern oder für den alltäglichen Pendelverkehr reicht der Platz aber aus.
Das bietet der Renault R4 technisch
Unter der Haube setzt Renault beim R4 auf bekannte Technik aus dem R5, bietet aber zwei klar voneinander abgegrenzte Varianten. In der Basis arbeitet ein 90-kW-Motor (122 PS) zusammen mit einer 40-kWh-Batterie, die nach WLTP für rund 305 Kilometer reicht. In der Comfort-Range-Version, wie beim gefahrenen Testwagen, übernimmt ein 110-kW-Motor (150 PS) den Antrieb, kombiniert mit einer 52-kWh-Batterie. Hier gibt Renault eine Reichweite von bis zu 409 Kilometern an. Beide Versionen treiben die Vorderräder an, das maximale Drehmoment liegt bei 225 bzw. 245 Nm. Auf Tempo 100 beschleunigt der R4 je nach Ausführung in 8,2 bis 9,2 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit ist auf selbst für Autobahnen absolut ausreichende 150 km/h begrenzt.
Beim Laden bleibt der R4 im soliden Mittelfeld: Mit 11 kW AC ist eine Vollladung über Nacht an der Wallbox problemlos möglich, an Schnellladern fließen je nach Akkugröße 80 oder 100 kW DC. Renault spricht von rund 30 Minuten für den Sprung von 15 auf 80 Prozent. Neu ist die Möglichkeit, den Akku auch als Stromquelle zu nutzen. Über Vehicle-to-Load lässt sich externe Elektronik mit Energie versorgen, perspektivisch auch Vehicle-to-Grid für die Rückspeisung ins Netz.
Auf der Straße vermittelt der R4 einen ausgewogenen Eindruck. Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt, gleicht Unebenheiten zuverlässig aus, wirkt aber nicht schwammig. Gerade auf den kurvigen Straßen im Bergischen Land zeigte sich die direkte Lenkung als Pluspunkt: Der Wagen ließ sich präzise führen und blieb auch bei schnellen Wechselkurven spurtreu. Positiv fiel zudem das One-Pedal-Driving auf, das innerorts für entspanntes Fahren sorgt.
Ein wichtiges Detail: Während Renault offiziell von einem WLTP-Verbrauch um die 15 kWh/100 km spricht, lag der reale Wert auf Stadt- und Landstraßen im Test zwischen 13,5 und 13,9 kWh/100 km. Damit bestätigt sich der effiziente Charakter des R4 im Alltag. Auf der Autobahn steigt der Verbrauch dagegen spürbar an – bei konstant 130 km/h sind Werte über 20 kWh/100 km realistisch. Hinzu kommen ab etwa 110 km/h deutliche Windgeräusche, die im Vergleich zur Konkurrenz stärker wahrnehmbar sind.
So schlägt sich der R4 im Alltag
Im Alltag zeigt der R4, dass Renault das Konzept bewusst praktisch ausgelegt hat. Mit einem Kofferraumvolumen von 420 Litern liegt er über dem R5 und auch über einigen Konkurrenten seiner Klasse. Die Ladekante ist niedrig, das Fach tief und leicht beladbar. Unter dem doppelten Ladeboden findet sich zusätzlicher Stauraum für Ladekabel oder kleinere Gegenstände. Wer mehr Platz benötigt, kann die Rücksitze geteilt umklappen – dann entsteht zwar eine Stufe, aber mit umgelegtem Beifahrersitz lässt sich eine durchgehende Ladefläche von über zwei Metern nutzen. Damit werden auch sperrige Baumarkt-Einkäufe oder Sportgeräte problemlos verstaut.
Ein Pluspunkt ist die optionale elektrische Heckklappe mit Fußsensor, die im Testwagen verbaut war. Sie erleichtert den Zugang, gerade wenn beide Hände voll sind. Praktisch ist auch die Anhängelast von 750 Kilogramm, mit der sich kleine Anhänger oder ein Fahrradträger nutzen lassen – keine Selbstverständlichkeit in dieser Klasse.
Weniger überzeugend fällt das Platzangebot im Fond aus. Erwachsene über 1,85 Meter stoßen schnell an Grenzen: Die Kopffreiheit reicht knapp, die Beinfreiheit ist eingeschränkt. Für Kinder oder mittelgroße Passagiere ist das Platzangebot ausreichend, auch Isofix-Halterungen sind gut integriert. Insgesamt eignet sich der R4 damit eher für Familien mit kleineren Kindern oder als vielseitiges Zweitauto, weniger als vollwertiger Fünfsitzer für lange Reisen.
Dafür punktet er mit Alltagstauglichkeit im Detail. USB-C-Anschlüsse vorn und hinten, induktives Ladepad, eine Vielzahl an Ablagen und die gute Übersicht durch die erhöhte Sitzposition erleichtern das tägliche Fahren. Wer häufig in engen Verhältnissen unterwegs ist, profitiert außerdem vom kompakten Wendekreis von 10,8 Metern, der das Rangieren spürbar erleichtert.
Was muss man preislich für den Renault R4 auf den Tisch legen?
Preislich positioniert Renault den R4 über dem R5, aber klar unterhalb größerer Kompakt-SUVs. Der Einstieg liegt bei rund 29.400 Euro für die Basisversion Evolution. Diese ist auf das Wesentliche reduziert, bringt aber bereits 18-Zoll-Räder, eine Wärmepumpe und das Google-basierte Infotainment mit. Der größere Akku ist hier optional. Die mittlere Ausstattung Techno startet bei etwa 34.400 Euro. Sie ist ausschließlich mit der großen Batterie kombinierbar und bringt zusätzliche Komfortelemente wie das große Display, hochwertige Bezüge und mehr Assistenzsysteme. Darüber rangiert die getestete Topversion Iconic, die bei 36.400 Euro beginnt. In ihr sind unter anderem elektrische Heckklappe, Bi-Color-Lackierungen und ein erweiterter Materialmix Serie.
Doch auch im Iconic bleibt Renaults Preispolitik spürbar: Wichtige Features wie das erweiterte Assistenzpaket oder das Harman-Kardon-Soundsystem kosten extra. Mit diesen Optionen lag der gefahrene Testwagen bei 38.850 Euro. Wer zusätzlich das Stoffdach „Plein Air“ wählt, muss nochmals rund 1500 Euro einplanen. Damit nähert sich der R4 preislich der 40.000-Euro-Marke – ein Bereich, in dem bereits stärkere Konkurrenzmodelle mit größerem Akku und höherer Ladeleistung zu finden sind.
Unterm Strich positioniert sich der R4 damit als stylischer, alltagstauglicher Stromer mit eigenständigem Retro-Charakter, solider Technik und guter Effizienz, aber auch mit Einschränkungen bei Raumangebot, Ladegeschwindigkeit und Preisgestaltung.
Disclaimer: Renault hat zum Kennenlernen des Renault R4 und R5 nach Köln eingeladen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.