Zeekr wächst in Europa – ohne Hast, aber mit Plan

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Zeekr | Zeekr 7X

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 6 min

Zeekr – eine der Elektroautomarke aus dem Geely-Konzern – ist in Europa angekommen. Mit dem Zeekr 7X bringt das Unternehmen nicht nur ein weiteres batterieelektrisches SUV auf den Markt, sondern verfolgt einen klaren strategischen Kurs: Technologie soll den Unterschied machen, Software die Produktentwicklung treiben und Europa nicht nur ein Absatzmarkt, sondern integraler Bestandteil der Marke sein. Dies konnten wir beim europäischen Fahrevent des Zeekr 7X aus erster Hand erfahren.

Zeekr: Zwischen Konzernstruktur und Start-up-Mentalität

„Wir sind ein junges Unternehmen mit der Power eines etablierten Konzerns – und mit einer europäischen Seele“, fasst Lothar Schupet, Acting CEO von Zeekr Europe, das Selbstverständnis der Marke zusammen. Damit positioniert sich Zeekr bewusst zwischen Start-up-Mentalität und industrieller Skalierung. Die Zahlen unterstreichen diesen Anspruch: Acht Modelle hat Zeekr weltweit bereits im Markt, 460.000 ausgelieferte Einheiten bis März 2025, Präsenz in über 40 Märkten, vier R&D-Zentren, zwei Designstudios und über 7000 Mitarbeitende in der Entwicklung und Forschung. Dazu kommen mehr als 5800 Patente – viele davon im Bereich Software, User Experience und Fahrzeugarchitektur.

Auch die Produktauswahl für die Erschließung weiterer europäischer Märkte ist kein Zufall. Der Zeekr 7X, ein vollelektrisches SUV im D-Segment, wurde vollständig in Europa gestaltet. „Wir wollten ein Auto schaffen, das europäische Erwartungen in Design, Proportionen und Raumkonzept trifft – ohne Kompromisse“, so Ignacio Fernández Miño, Senior Lead Exterior Designer. Das Ergebnis ist ein SUV mit kurzem Frontüberhang, muskulösem Heck, flachem Dach und einem durchgängigen LED-Lichtband an der Front. Der Designansatz, den Miño als „Hidden Energy“ beschreibt, soll Kraft subtil transportieren, ohne aggressiv zu wirken.

Neben der Formsprache war vor allem der Innenraum ein Schwerpunkt der Entwicklung. Zeekr hat viel Aufwand betrieben, um Raumgefühl und Nutzbarkeit zu vereinen: ein Frunk mit 66 Litern Volumen, Stauraum unter den Rücksitzen, eine flache Mittelkonsole, ein aufgeräumtes Interieur – alles mit Fokus auf Familienfreundlichkeit. „Uns war wichtig, dass sich Passagiere sicher und eingebettet fühlen, ohne dass es beengt wirkt“, so Fernández Miño. Unterstützt wird dieser Anspruch durch ein Panoramaglasdach, das den Innenraum lichtdurchflutet und optisch öffnet.

Die SEA-Plattform als digitales Produkt (weiter-)gedacht

Technologisch basiert der 7X auf der modularen SEA-Plattform, die ursprünglich in Europa entwickelt wurde, inzwischen aber vollständig industrialisiert ist. Alessandro Massimo, Head of SDV Product & Go to Market, betont: „Die Plattform ist nicht nur eine technische Basis. Sie ermöglicht es uns, die Autos als digitale Produkte zu denken – als SDVs, Software Defined Vehicles.“ Dabei geht es nicht nur um die Integration von digitalen Funktionen, sondern um die gesamte Logik der Produktentwicklung.

„Das Fahrzeug hört nach der Auslieferung nicht auf, sondern wird über die Nutzung weiterentwickelt“, so Massimo. Zeekr nutzt Datenströme, um das Fahrzeugverhalten zu analysieren und neue Funktionen einzuführen. „Ein klassischer Entwicklungszyklus endet mit der Serienreife. Bei uns beginnt dann die nächste Phase – die Co-Creation mit dem Nutzer.“ Dieser Ansatz zeigt sich im selbst entwickelten Navigationssystem, das innerhalb von fünf Monaten realisiert wurde – eine Reaktion auf das häufige Problem, bei Ladeplanung und Streckenführung auf wenig intuitive Lösungen zurückgreifen zu müssen.

Funktionale Software statt digitaler Spielerei

Das System wurde nicht nur optisch, sondern auch funktional auf Ladeverfügbarkeit und Stromkosten hin optimiert. Hinzu kommen individuell anpassbare Widgets, eine Schnellwahlleiste für häufig genutzte Funktionen und vordefinierte Fahrmodi, die auf konkrete Alltagsbedürfnisse zugeschnitten sind. Das Auto wird zur Plattform, zur Software-Umgebung – und verliert damit das starre, produktzentrierte Selbstverständnis der klassischen Autobranche.

Im Bereich Antriebstechnik setzt Zeekr auf ein 800-Volt-System, das Ladeleistungen von bis zu 480 kW erlaubt. Realistisch sind in Europa Ladezeiten von 13 bis 16 Minuten (10 bis 80 Prozent SoC) – abhängig von der gewählten Version – sowie der zur Verfügung stehenden Ladeinfrastruktur. Angeboten werden drei Varianten: die Core-Version mit 75-kWh-LFP-Akku und 310 kW Leistung, eine Long Range-Version mit 100-kWh-NMC-Akku und die allradgetriebene Privilege-Variante mit 470 kW. Die Reichweiten liegen zwischen 480 und 615 Kilometern (WLTP), die Höchstgeschwindigkeit beträgt in allen Varianten 210 km/h. Die Topversion sprintet in 3,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h – Werte, die auf ein leistungsorientiertes Setup schließen lassen, aber nicht vordergründig kommuniziert werden.

Marktstart mit Bedacht – und ein wenig Spielraum für Deutschland

Zeekr verzichtet bewusst auf Lautstärke. Auch beim Markthochlauf bleibt man vorsichtig. Nach dem Start in den Niederlanden und Schweden im Jahr 2023 folgte Norwegen. Im Sommer 2025 will man Belgien, die Schweiz, Dänemark und Griechenland erschließen. Die großen Märkte – Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich – sind wohl frühestens für 2026 vorgesehen, so unsere Einschätzung. „Wir wollen vorbereitet sein“, so Schupet. Es gehe nicht um Tempo, sondern um Substanz: Netzwerke, Ladeinfrastruktur, Servicekompetenz und Markenbekanntheit sollen parallel wachsen.

Hinter den Kulissen deuteten Zeekr-Mitarbeitende allerdings an, dass ein früherer Deutschlandstart nicht ausgeschlossen sei. „Wir wollen es jetzt nicht vorausnehmen, aber es kann schon sein, dass wir Deutschland auch ein wenig vorziehen“, so diese im Gespräch. Das hänge jedoch stark von den verfügbaren Ressourcen, organisatorischen Kapazitäten und der weiteren Modellplanung ab. Würde zeitlich wohl auch ganz gut zur IAA 2025 in München passen, für einen entsprechenden Deutschland-Aufschlag. Dieser Gedanke unsererseits blieb jedoch von Seiten der Marke unkommentiert.

Europa als Prüfstein für ein neues Markenverständnis

Was man festhalten kann: Europa ist für Zeekr mehr als nur ein weiterer Absatzmarkt. Es ist ein Prüfstein für ein anderes Verständnis von Marke, Produktentwicklung und Kundenzugang. Die Herausforderung liegt dabei nicht allein in regulatorischen Hürden oder Marktmechanismen, sondern in kulturellen Unterschieden: Während der chinesische Heimatmarkt innovationsgetrieben, schnell und stark technologisch geprägt ist, erwarten europäische Käufer:innen neben technischer Qualität auch emotionale Glaubwürdigkeit, nachvollziehbare Markenwerte und ein konsistentes Ökosystem aus Service, Infrastruktur und Kommunikation.

Zeekr will zeigen, dass Elektromobilität mit starkem Software-Fokus, eigenständigem Design und technischer Tiefe auch jenseits des Heimatmarkts bestehen kann – auf Augenhöhe mit etablierten Premiumherstellern, die in Europa teils über Jahrzehnte gewachsen sind. Dabei verzichtet das Unternehmen bewusst auf aufgeladene Markenversprechen oder Lifestyle-Rhetorik. Stattdessen setzt man auf strukturelle Klarheit, kurze Entwicklungszyklen und eine Plattformarchitektur, die stetig weiterentwickelt wird – leise, aber konsequent.

„Wir setzen auf Co-Creation, nicht auf Vermarktung von Standards“, bringt es Alessandro Massimo auf den Punkt. Doch gerade hier liegt ein möglicher Spannungsbogen: Europäische Märkte ticken weniger technikzentriert und weniger feedbackbasiert als asiatische Nutzergruppen. Die Frage wird sein, ob Kund:innen bereit sind, ein Auto als digitale Plattform mitzudenken – und sich aktiv am Entwicklungsprozess zu beteiligen. Zeekr betrachtet Nutzer:innen als Partner – nicht als finale Abnehmer eines fertigen Produkts. In dieser Haltung spiegelt sich der eigentliche Bruch mit klassischen Autoherstellerlogiken. Ob dieser Ansatz in Europa auf Resonanz stößt, bleibt offen – ist aber zentral für den langfristigen Erfolg der Marke.


Disclaimer: Zeekr hat zum Kennenlernen der Marke und des Zeekr 7X nach Lissabon, Portugal eingeladen und hierfür die Reisekosten übernommen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Gastschreiber:

Man liest wenig über die Makre, die Videos von Bjön Nyland zeigen noch manche Herausforderung. Ist das damit gemeint, wenn man von Start-Up redet?
Der Artikel liest sich für mich so, dass man für alle Kritik gewappnet ist, da wird von Co-Creation geschrieben, für mich übersetzt, Bananenprodukt.
Der Artikel selber sagt leider wenig über die Verteilung der Marke außerhalb von China.
Naja, mal sehen wann hierzulande das Modell erscheint oder ob der Mutterkonzern die Alternativmarken hier eher vermarkten will.
Ein SUV im D-Segment, das hat hierzulande große Mitbewerber.

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