Wolfgang Egger: Der Mann hinter BYDs Drachen-Design

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Denza

Vanessa Lisa Oelmann
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Seit rund zehn Jahren prägt Wolfgang Egger, einst Chefdesigner bei Lamborghini, Audi und Alfa Romeo, das Gesicht von BYD und damit auch das neue Gesicht chinesischer Automobilkultur. Im Rahmen der BYD E-Journey im chinesischen Zhengzhou erhielten wir die Gelegenheit, Egger unsere Fragen zu stellen. Ein Gespräch über das Spannungsfeld zwischen „China Speed“ und sorgfältig ausgeklügeltem Design, über kulturelle Unterschiede zwischen China und Europa und über die Entstehung jener Storylines, die BYDs Formensprache seit Eggers Eintritt ins Unternehmen definieren.

„Wir haben etwa sechs Monate Zeit, um ein neues Modell zu entwerfen“, erzählt Egger gleich zu Beginn. „Das war früher das ferne Ziel aller Designer, so schnell ein Fahrzeug auf die Räder zu stellen. Heutzutage schaffen wir das.“ Möglich gemacht wird dieser rasante Designprozess durch moderne Tools, erfahrene 3D-Artists und zunehmend auch künstliche Intelligenz, die Egger augenzwinkernd „unseren Sparringspartner“ nennt.

Trotzdem bleibt er Realist: „Kreativität kann man nicht hetzen. Manchmal kriegst du das Design in sechs Monaten hin, manchmal brauchst du zehn.“ Er kämpft, sagt er, seit jeher für mehr Freiheit im Designprozess. „Ein Unternehmen muss verstehen, dass Kreativität Raum braucht. Nur dann entsteht etwas Einzigartiges.“

Vom weißen Blatt zur ikonischen Storyline von Dynastien und Drachen

Als Egger vor einem Jahrzehnt zu BYD kam, gab es keine Historie, kein Erbe und keine gewachsene Designsprache. „Ich kam von Marken mit langer Geschichte und stand vor einem weißen Blatt Papier.“ Doch statt Furcht verspürte er Neugier: „Ich wollte diesen bekannten Designprozess umkehren. Eine Marke ohne Vergangenheit, dafür mit ganz viel Zukunft.“

So entstand die Idee der Dynasty-Serie, inspiriert von den großen chinesischen Dynastien Han und Tang. Es war ein Ansatz, der BYD erstmals eine kulturelle Identität verlieh. „Ich fragte mich: Wie sieht ein Auto aus, das von der uralten chinesischen Geschichte inspiriert ist?“ Die Antwort kam in Gestalt eines legendären Symbols: des Drachen.

Der Drache, betont Egger, sei in China nicht derselbe, wie er ihn aus seiner Heimat kenne. „In deutschen Märchen ist er der Bösewicht, das Monster, das die Prinzessin entführt und dann vom Helden bekämpft und besiegt wird. In China ist der Drache das genaue Gegenteil. Ein Glücksbringer, ein Symbol für Kraft und Güte. Eine unsichtbare, wohlwollende Energie. Also konnten wir ihn nicht einfach zeichnen, sondern mussten seine Essenz übertragen.“

Heraus kam eine Formensprache aus fließenden Linien, einer eleganten Silhouette, markanten „Drachenbart“-Elementen und verspielten Lichtbändern. „Wenn du nachts durch die Stadt fährst“, sagt Egger, „soll es wirken, als würde der Drache durch die Straßen gleiten.“ Das Konzept kam sehr gut an: Neu, chinesisch, selbstbewusst. Aus einer Skizze wurde ein Markenzeichen – und das, obwohl der Mann hinter der Storyline selbst nicht einmal aus China stammt.

Bis zur vollen Umsetzung vergingen allerdings zwei bis drei Jahre. Die ersten Modelle, Tang und Han, markierten zwei Evolutionsstufen der neuen Designphilosophie: Der Tang mit großem Kühlergrill, noch stark vom Verbrenner geprägt, und der Han als erste New-Energy-Vehicle-Silhouette. Klarer, reduzierter, futuristischer. Und während die Dynasty-Serie vom Drachen erzählt, folgt Denza beispielsweise einer ganz anderen Metapher: der fließenden Seide. Sanft, leicht, elegant. „Denza ist wie ein Stück Stoff, das sich im Wind bewegt“, erklärt Egger. „Ganz anders als die kraftvolle Präsenz des Drachen.“

Zwischen zwei Kulturen – und vielen Geschmäckern

Wie aber gestaltet man ein Auto, das in China und Europa gleichermaßen funktioniert? „Das ist die große Frage“, sagt Egger. „Was ist denn eigentlich chinesischer Geschmack, was europäischer?“ Seine Antwort ist diplomatisch und poetisch zugleich: „Mode ist lokal – aber Schönheit ist global.“ In China bewege sich der Trend hin zu klaren Formen, maximaler Reduktion, purem Design.

Europa hingegen liebe noch stärker das Komplexe, Skulpturale. Deshalb entwickelt BYD für manche Modelle tatsächlich zwei Varianten, angepasst an Markt und Mentalität. „Aber das geht nur im Volumen- oder Premiumsegment, nicht bei Luxusmarken.“ Das Ziel bleibe stets, Formen zu schaffen, die „zeitlos schön sind, unabhängig von Ort und Trend“.

Als Tesla-Chef Elon Musk im Jahr 2011 auf Nachfrage hin, was er von BYD hielt, spöttisch höhnte: „Have you seen their car?“, da war BYD noch weit entfernt von ästhetischer Eigenständigkeit. Egger grinst, als das Zitat fällt. „Nein, ich habe bei der Entwicklung der BYD-Storylines nicht an Elon gedacht“, lacht er – aber die Episode illustriere, wie Design einst BYDs Schwachpunkt war.

„Vor sechs, sieben Jahren wollten Designer gar nicht zu BYD kommen. Die Marke galt nicht als designstark. Stattdessen sind wir an Universitäten und Kunsthochschulen gegangen und haben junge, kreative Köpfe an Bord geholt. Unser Team wuchs von 80 auf 120 Designer, alle mit einer unglaublichen Energie.“ Die Storylines – Dynastie, Drache, Seide – hätten BYD eine ästhetische Identität gegeben, die zuvor fehlte. „Die Zeiten haben sich dadurch komplett verändert.“

Vier Marken, vier Emotionen

Und wie genau unterscheidet man denn nun BYD, Denza, Yangwang und Fangchengbao? „Jede Marke hat ihren eigenen Charakter“, sagt Egger. „Wir erzählen unterschiedliche Geschichten, erzeugen unterschiedliche Emotionen durch Silhouette, Materialien, Atmosphäre.“ Die Arbeit an dieser Differenzierung sei noch jung, muss er aber selbst zugeben.

„Manche der Marken sind erst seit zwei Jahren auf dem Markt. Nicht alle Kunden können jetzt schon sagen: ‚Schau mal, das ist typisch Yangwang‘, weil es bisher erst drei Yangwang-Modelle gibt – aber das wird mit der Zeit kommen.“ Was zählt, sei Geduld und Haltung. „Die Geschichten dieser Marken beginnen gerade erst – und Sie können sich darauf freuen, was die Zukunft in dieser Hinsicht bereithält.“

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Vanessa Lisa Oelmann

Vanessa Lisa Oelmann

Vanessa Lisa Oelmann ist 27 Jahre alt und seit 2019 vollelektrisch mit ihrem BMW i3 unterwegs. Nach ihrem abgeschlossenen International Business Studium ist sie nun als freiberufliche Automobiljournalistin tätig und engagiert sich nebenher im sozialen Bereich. Zudem hat sie ein großes Faible für Luxusgüter und Fotografie. Wenn sie nicht gerade versucht, ihre Freunde und Familie zum Elektromobilistendasein zu konvertieren, ist sie meist in diversen Autohäusern oder auf Meet-Ups mit anderen (elektro)autobegeisterten Leuten anzutreffen.

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