VW: „Wir wollen den MEB als Industriestandard etablieren“

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Volkswagen

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Die beiden Autohersteller Volkswagen und Ford vertiefen ihre strategische Allianz. In einem auf der Unternehmenswebsite veröffentlichten Interview erklärt Volkswagen CEO Herbert Diess welche drei strategischen Ziele der Konzern damit verfolgt.

Auf einen Blick – welche Ziele verfolgen Sie mit der Erweiterung der Ford Alliance?

Herbert Diess: Wir erweitern unsere Allianz mit Ford und haben dabei drei strategische Ziele im Blick. Zunächst einmal wollen wir den MEB als Industriestandard für Elektrofahrzeuge etablieren. Zweitens wollen wir Marktführer bei leichten Nutzfahrzeugen und mittleren Pickups werden. Und drittens wollen wir am schnell wachsenden Markt für Mobilitätsdienste teilnehmen. Wenn die Fahrzeuge erst einmal autonom fahren, eröffnen sich viele neue Geschäftsmöglichkeiten.

Zusammen haben Ford und Volkswagen im Jahr 2018 rund 16,7 Millionen Fahrzeuge verkauft. Das verschafft uns einen großen Hebel und signifikante Skalenvorteile. Und Größe macht einen Unterschied – sowohl bei der Elektromobilität als auch beim autonomen Fahren. Gemeinsam können wir globale Märkte nahtlos bedienen und unsere Automobilwerke besser nutzen, um die Lieferkette zu optimieren. Ford ist auch geostrategisch eine gute Ergänzung für uns. Wir stärken dadurch unsere Präsenz in den USA.

Wie wird Ford den MEB einsetzen und warum ist das so bedeutsam?

Ford wird die Elektrofahrzeugarchitektur und den modularen Elektrobaukasten von Volkswagen nutzen, um ab 2023 mindestens ein emissionsfreies Fahrzeug in Großserie in Europa für europäische Kunden herzustellen. Wir haben uns auf die Lieferung von 600.000 MEB-Plattformsystemen einschließlich der Batteriepacks und weiteren Komponenten geeinigt. Darüber hinaus befinden wir uns derzeit in Gesprächen über einen komplett neuen Liefervertrag für ein zweites Fahrzeug. Dann könnte sich die Lieferung unserer MEB-Plattformen an Ford fast verdoppeln.

Dies hilft uns beim noch schnelleren Ausbau der Elektromobilität. Allein bei Volkswagen wollen wir in den nächsten zehn Jahren rund 15 Millionen Fahrzeuge auf dem MEB produzieren. Volkswagen entwickelt und produziert bereits in der ersten Welle 27 verschiedene Modelle auf der MEB-Plattform. Bis 2028 werden es fast 70 Modelle sein.

Was sind die Vorteile der Allianz im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge und Pickups?

Unsere Allianz macht uns zum Marktführer bei leichten Nutzfahrzeugen und Pickups – mit erheblichen Skaleneffekten. Allein aus dieser Zusammenarbeit ergeben sich Synergien von mehreren hundert Millionen Euro. Wir liegen gut im Zeitplan, ab 2022 kommerzielle Transporter und Pickups für beide Marken zu entwickeln.

Warum diese Bündelung von Kräften für das autonome Fahren?

Gerade bei selbstfahrenden Systemen steht die gesamte Branche vor den gleichen Herausforderungen: hohe Entwicklungskosten, fehlende globale Standards, Notwendigkeit einer qualitativ hochwertigen Sensorik, Antizipieren von Kundenwünschen und der Suche nach Talenten, um das Ganze überhaupt zu ermöglichen.

Wenn wir die nötigen Investitionen teilen, können wir die hohen Kosten für die Entwicklung der Soft- und Hardware für autonome Fahrzeuge besser bewältigen. Wir erwarten Synergieeffekte von mehreren hundert Millionen Dollar.

Unsere Kooperation wird auch die Entwicklung gemeinsamer Prüfkriterien und globaler Standards für autonome Fahrzeuge sowie die Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden weltweit erleichtern. Das wird unsere Chance verbessern, unseren „SDS“-Kit („Self-Driving-System“) als eine der führenden technischen Lösungen der Zukunft zu etablieren.

Wie hoch ist die Investition, und was genau bringt Argo AI ein?

Mit der gemeinsamen Investition in Argo AI sichern wir uns überlegene Ingenieurskompetenz. Wir erhalten Zugang zu einem erstklassigen Talentpool von SDS-Entwicklern und geistigem Eigentum, während Argo AI die benötigten finanziellen Mittel erhält, um die technologische Führung bei selbstfahrenden Systemen voranzutreiben.

Im Gegenzug für unsere Anteilsübernahme erhält Argo AI 500 Millionen US-Dollar in bar, was der vorherigen Investitionssumme von Ford entspricht. Außerdem haben wir eine weitere Finanzierung von 1 Milliarde US-Dollar zugesagt und bringen die bereits bestehende Audi-Einheit Autonomous Intelligent Driving (AID) in Argo AI ein. Ford und Volkswagen werden dann jedoch unabhängige Pläne zur Markteinführung des autonomen Fahrens verfolgen und jeweils eigenen Fahrzeuge herstellen.

Was erwarten Sie im Gegenzug?

Auch hier rechnen wir mit signifikanten Skaleneffekten. Unsere Investition verkürzt die Time-to-Market und vergrößert das Marktpotenzial von Argo AI erheblich. Der CEO von Argo AI, Bryan Salesky ist ein ehemaliger Google-Manager. Er hat ein leistungsstarkes Team von SDS-Entwicklern aufgebaut, die uns bei der Bewältigung der Herausforderungen des autonomen Fahrens helfen werden. Die Expertise von Argo AI umfasst Robotik, maschinelles Lernen, Computervision, Sensoren, Computer- und Fahrzeugintegration. Außerdem haben sie die nötige Erfahrung für die Kommerzialisierung. Es passt hervorragend.

Mit den Softwareentwicklern von Argo AI werden wir die erforderlichen riesigen Datenmengen analysieren, um regionalspezifisches Fahrverhalten, Straßenobjekte und die einzigartigen Bedingungen in verschiedenen Orten zu verstehen. Dadurch werden wir regionalspezifische Marktlösungen entwickeln können. Argo AI testet derzeit in fünf Städten: Detroit, Palo Alto, Pittsburgh, Washington D.C. und Miami. Es ist geplant, dieses Jahr noch eine weitere US-Stadt aufzunehmen und im nächsten Jahr nach Europa zu expandieren.

Doch all das ist nur der Anfang! Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam zuverlässige, sichere und komfortable Dienstleistungen für das autonome Fahren anbieten können. Intelligente Dienste, die Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen nutzen wollen, um Menschen und Waren zu bewegen. Das Potenzial ist vielversprechend!

Quelle: Volkswagen – Pressemitteilung vom 12.07.2019

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Rene:

Ist Herr Diess auch schon ein Tesla Model 3 und S gefahren und wie beurteilt diese und die Vision von Elon, würde mich mal brennend interessieren.

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