„Die Verkehrswende ist eine Aufgabe für das gesamte Bundeskabinett“

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Michael Neißendorfer
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  —  Lesedauer 4 min

Mit Blick auf die bevorstehenden Koalitionsgespräche plädiert der Thinktank Agora Verkehrswende in einem Politikpapier dafür, klimaneutralen Verkehr als Zukunftsprojekt ressortübergreifend in der Regierungsarbeit zu verankern. Die Verkehrswende sei mehr als ein Klima- oder Verkehrsprojekt. Mit ihr lasse sich industrielle Wettbewerbsfähigkeit sichern und soziale Gerechtigkeit stärken. Das Papier zeige insbesondere für die Politikfelder Finanzen, Wirtschaft, Energie und Soziales, wie die Verkehrswende Mehrwert für die Gesellschaft schaffen kann.

„Die Verkehrswende ist eine Aufgabe für das gesamte Bundeskabinett“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Auf europäischer Ebene zeichnet sich mit dem Clean Industrial Deal bereits ab, dass Klima- und Industriepolitik eng zusammengeführt werden. Mit der Transformation zur Klimaneutralität lässt sich die Zukunft der Automobil- und Mobilitätswirtschaft in Deutschland am ehesten sichern. Umso wichtiger ist es, dass alle verantwortlichen Ministerien die Verkehrswende als Gemeinschaftswerk angehen.“

Dr. Wiebke Zimmer, Stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, verweist darauf, dass die Verkehrswende „Vorteile für die ganze Gesellschaft“ mit sich bringe: „Insbesondere für Menschen, die bisher auf ein Verbrennerfahrzeug angewiesen sind, wird es bei steigenden Preisen für Benzin und Diesel immer wichtiger, auf Elektroautos oder den öffentlichen Verkehr umsteigen zu können. Ein guter Zugang zu sauberer, sicherer und bezahlbarer Mobilität für alle trägt dazu bei, soziale Teilhabe zu ermöglichen, Gesundheit und Lebensqualität zu verbessern sowie Kosten und Chancen der Transformation gerecht zu verteilen.“

Industrielle Transformation stärken und Zukunftsinvestitionen ermöglichen

Für die erfolgreiche Transformation der Automobilindustrie kommt es nach Einschätzung von Agora Verkehrswende zunächst darauf an, dass die künftige Bundesregierung sich verbindlich zur Elektromobilität bekennt und dies auch mit wirkungsvollen Maßnahmen unterlegt. Bei regulatorischen Rahmenbedingungen wie den europäischen CO2-Flottengrenzwerten für Pkw gelte es, das Ambitionsniveau zu halten und die Industrie zu unterstützen, anstatt die Regulierung zu schwächen. Dazu gehöre zum Beispiel eine Strategie zur Ansiedlung neuer Wertschöpfungsbereiche wie der Batterieherstellung. CO2-Emissionen sollten entlang der Lieferketten erfasst, die Kreislaufwirtschaft zum High-Tech-Sektor weiterentwickelt und Qualifizierungs- und Weiterbildungsprogramme gefördert werden.

Zudem brauche es auch einen Aktionsplan zur Steigerung der Nachfrage nach Elektroautos. Neben einer Reform von Kfz-Steuer und Dienstwagenbesteuerung und Zielen für gewerbliche Flotten sei dabei auch ein nach Einkommen differenziertes Anschaffungsprogramm für elektrische Privat-Pkw wichtig. „Nur eine schnelle Transformation wird erfolgreich sein“, sagt Hochfeld. „Jegliches Verlangsamen wird die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland mittel- und langfristig schwächen.“

Zur Finanzierung der industriellen Transformation und einer zukunftsfähigen Verkehrsinfrastruktur mit leistungsfähiger Daseinsvorsorge im öffentlichen Verkehr schlägt Agora Verkehrswende drei Säulen vor: erstens den Abbau umweltschädlicher Subventionen und Privilegien; zweitens verursachergerechte Preise für die Nutzung von Verkehrswegen durch Lkw und Pkw kombiniert mit der konsequenten Anrechnung der Folgekosten von CO2-Emissionen. Drittens solle der Staat für Zukunftsinvestitionen im Verkehr zusätzliche Kredite aufnehmen können, zunächst in Form eines Sondervermögens, dann über eine strukturelle Reform der Schuldenbremse.

Darüber hinaus sollten Kommunen für die Verkehrswende mehr Mittel, Mitsprache und Entscheidungsbefugnisse erhalten. Eine reformierte Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplanung gewährleiste schließlich, dass alle Bedarfe und Klimaziele verkehrsträgerübergreifend berücksichtigt werden.

Bezahlbare, saubere und sichere Mobilität für alle

Durch die Elektrifizierung des Straßenverkehrs eröffnen sich nach dem Agora-Papier Chancen für das Energie- und das Verkehrssystem gleichermaßen. Die Bundesregierung könne die Entwicklung voranbringen, indem sie den Ausbau der Ladeinfrastruktur weiter koordiniert und dabei insbesondere schnelles Laden an Supermärkten und Einkaufszentren begünstigt.

Gleichzeitig sollte die neue Regierung das bidirektionale Laden vom Netz in die Batterie und von der Batterie ins Netz ermöglichen. Dafür brauche es intelligente Messsysteme, schnellere Netzanschlussverfahren und zeitvariable Netzentgelte. Damit ließen sich Netzkosten sparen und Ladepreise weiter senken. Beim Luft- und Seeverkehr müsse die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass weltweit die nachhaltige Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen schnell und umfangreich ausgebaut wird, allen voran die Produktion von strombasierten synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels).

Um möglichst allen Menschen in Deutschland ein Mindestangebot an öffentlich zugänglicher Mobilität zu garantieren, sieht Agora Verkehrswende vor allem im ländlichen Raum große Potenziale. Hier könnten perspektivisch geteilt genutzte autonome Fahrzeuge mit wenig Personalaufwand den Linienverkehr ergänzen oder sogar ersetzen. Ein weiterentwickeltes Recht auf Homeoffice und die Digitalisierung von Dienstleistungen könne manche Wege gänzlich überflüssig machen. Zusätzlich sei gerade für den ländlichen Raum eine Offensive für Elektromobilität notwendig, etwa durch gezielte Vergünstigungen zum Kauf oder Leasing von Elektroautos.

Die Bundesregierung habe es, so Agora Verkehrswende abschließend, in der Hand, Kommunen als Wegbereiter für klimaneutrale Mobilität finanziell und rechtlich zu stärken. Wichtige Hebel dafür seien das Straßenverkehrsrecht, Grundlagen für digitalisiertes Parkraummanagement, die Stärkung von Rad- und Fußverkehr und der Ausbau von Mobilitätsberatungen.

Quelle: Agora Verkehrswende – Pressemitteilung vom 26.02.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Kirk:

Verdutzt habe ich gesehen, dass diese Pressemitteilung von „Agora Verkehrswende“ tatsächlich nach der Bundestagswahl veröffentlicht wurde.

Wer so etwas (natürlich richtigerweise!) verfasst muss entweder grenzenlos optimistisch oder realitätsfern sein.

Wie „Voz“ richtg schreibt, geht es mit der ewig gestrigen CDU/CSU mit Vollgas und „Technologieoffenheit“ in die Vergangenheit und somit ins Verderben für den Klimaschutz.

Floofman:

Aber selbstverständlich mit Dieselmotoren aus deutscher Produktion.

Voz:

Mit der CDU geht es mit Tempo 250 zurück in die Vergangenheit!

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