Studie: Europas Lithium-Lücke wird zur Herausforderung

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Sebastian Henßler
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  —  Lesedauer 3 min

Der weltweite Umstieg auf Elektroautos bringt eine neue Herausforderung mit sich: Es könnte künftig an Lithium fehlen. Das Metall ist ein zentraler Bestandteil der Batterien, die E-Autos antreiben. Bis 2030 könnte es deutlich schwieriger werden, ausreichend davon zu beschaffen – insbesondere in Europa. Die Produktion von Lithium soll zwar in vielen Regionen deutlich wachsen. Doch dieser Zuwachs reiche nicht aus, um mit dem steigenden Bedarf Schritt zu halten, so eine aktuelle Studie.

In Europa ist die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage besonders groß. Während dort bis 2030 etwa 325.000 Tonnen Lithiumcarbonat-Äquivalent pro Jahr produziert werden könnten, liegt der erwartete Bedarf bei rund 792.000 Tonnen. Nur etwas mehr als 40 Prozent der benötigten Menge wären damit verfügbar. Auch China und die USA haben ehrgeizige Pläne, mehr eigenes Lithium zu fördern. In den optimistischen Szenarien könnten die USA ihren Bedarf zu fast 90 Prozent decken, China immerhin zu etwa 85 Prozent. Dennoch bleibt auch dort ein Importbedarf. Kein großer Markt wird ohne Lieferungen aus dem Ausland auskommen.

Die Studie der East China Normal University und der Universität Lund in Schweden simulierte 16 Szenarien, in denen sich Nachfrage und Angebot je nach Markt und Technologiewahl unterschiedlich entwickeln. Ein Ergebnis zieht sich durch alle Berechnungen: Die Nachfrage übertrifft die verfügbaren Mengen deutlich, selbst wenn neue Minen wie geplant ans Netz gehen.

Schon heute hängt Europa stark von Importen ab. Der größte Teil des Lithiums stammt aus Chile, Australien oder China. Die Lieferbeziehungen sind komplex, aber instabil. In Australien etwa wird fast das gesamte geförderte Lithiumkonzentrat nach China geliefert, wo es weiterverarbeitet wird. Das verschafft China Vorteile auf dem Weltmarkt – und macht andere Regionen abhängig.

Die Konkurrenz um diese Rohstoffe wird sich voraussichtlich verschärfen. Denn wenn ein Land mehr importiert, bleibt für andere weniger übrig. Die Studie zeigt, dass sich Handelsbeziehungen nur langsam ändern lassen. Wer heute wenig importiert, hat es schwer, morgen mehr zu bekommen. Der Spielraum für neue Bezugsquellen ist begrenzt, weil es weltweit nur wenige große Exporteure gibt.

Maximale Steigerung von Lithium-Importen reicht für Europa nicht aus

Für Europa bedeutet das selbst bei maximaler Steigerung der Importe könnten manche Nachfrageszenarien nicht erfüllt werden. Selbst wenn alle Bezugsquellen optimal ausgeschöpft werden, bleibt eine Lücke. In Szenarien mit großen Akkus und niedriger eigener Förderung müsste Europa die Importe fast verzwölffachen. Das ist kaum realistisch.

Neue Technologien könnten helfen, den Druck zu mindern. Akkus auf Basis von Natrium statt Lithium etwa benötigen weniger seltene Rohstoffe. Erste Modelle mit solchen Batterien werden bereits in China erprobt. In Europa arbeiten Hersteller wie Stellantis ebenfalls daran. Allerdings ist die Energiedichte solcher Akkus geringer – sie speichern weniger Strom. Für Kleinwagen mit kurzer Reichweite könnten sie dennoch eine Alternative sein.

Auch auf Recycling setzen manche Hoffnungen. Doch bis 2030 wird dieser Anteil gering bleiben. Die Lebensdauer von Akkus ist hoch, viele landen nach dem Autoeinsatz noch in stationären Speichern. Das verzögert das Recycling. Bis dahin bleibt der Aufbau neuer Minen die zentrale Strategie – verbunden mit Herausforderungen beim Genehmigungsverfahren, bei der Akzeptanz in der Bevölkerung und beim Umweltschutz.

Die Versorgungslage bleibt angespannt. Selbst optimistische Szenarien reichen nicht aus, um den steigenden Bedarf vollständig zu decken. Die Nachfrage nach Lithium wächst schneller als das Angebot. In dieser Situation konkurrieren China, Europa und die USA nicht nur um Ressourcen, sondern auch um politischen Einfluss auf die Lieferketten. Ob die Energiewende gelingt, hängt auch davon ab, wie fair und effizient der weltweite Lithiumhandel organisiert wird.

Quelle: CellReports Sustainability – Long on expectations, short on supply: Regional lithium imbalances and the effects of trade allocations by China, the EU, and the USA / Spiegel – Lithium für E-Autos könnte knapp werden / T-Online.de – Lithium für Autobatterien könnte bald knapp werden

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Sebastian Henßler:

Worauf beziehst du dich genau?

Christoph R.:

Es gibt doch ein großes Lithium Projekt in Serbien, was den Großteil des EU-Bedarfs decken soll.
Wieso wird das im Artikel nicht erwähnt?

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