Au Revoir Renault Twizy: Sein letzter Sommer

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Renault

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 6 min

Handlich wie ein Motorroller, dabei emissionsfrei, leise und so einfach zu fahren wie ein Pkw – mit diesen Qualitäten erweiterte der Renault Twizy bei seinem Erscheinen vor zwölf Jahren die urbane Mobilität um eine völlig neue Facette mit vielen praktischen Eigenschaften. Nicht nur private Kunden überzeugte das unkonventionelle Konzept des elektrischen City-Flitzers in der Folgezeit, auch Feuerwehr und Polizei zählten zu den Nutzern des wendigen Winzlings. Sogar eine Racing-Version mit Formel-1-Look und Formel-1-Technik raste über die Rennpiste, mit mehr als 100 Sachen. Jetzt ist die Karriere des Twizy auf der Zielgeraden angelangt – im September läuft nach zwölf Jahren die Produktion aus. Zeit für einen Rückblick.

Der 2011 in der Serienversion vorgestellte Elektro-Zweisitzer vereint seit seiner Premiere die Vorteile von Automobil und Motorroller: Er schlängelt sich emissionsfrei, leise, kostengünstig und agil wie ein Roller durch die City, lässt sich aber dank vier Rädern, gewohnter Pedalerie und Lenkrad so leicht und komfortabel fahren wie ein Pkw. Der Clou: Fahrer und Beifahrer sitzen hintereinander in einer hochsteifen Sicherheitsfahrgastzelle.

Mit lediglich 2,3 Meter Länge und 1,2 Meter Breite findet der Twizy auch in der engsten Lücke noch einen Parkplatz. Der rekordverdächtig kleine Wendekreis von nur 6,8 Metern erleichtert das Manövrieren selbst in schmalen Altstadtgassen. Zufahrtsbeschränkungen? Dank Elektroantrieb kein Thema. Und: Neben der Standardausführung mit 12,6 kW / 17 PS und 80 km/h Höchstgeschwindigkeit, bietet Renault auch den Twizy 45 an. Dieser mobilisiert 7,6 kW / 10 PS, ist nur 45 km/h schnell und darf deshalb bereits ab 15 Jahren mit dem Führerschein Klasse AM für geschwindigkeitslimitierte Kleinkrafträder und Leichtkraftfahrzeuge gefahren werden.

Studie Twizy Z.E. Concept: futuristischer Vorbote

Die Twizy-Story nahm bereits zwei Jahre vor dem Serienstart ihren Anfang: Im September 2009 zeigte Renault auf der IAA in Frankfurt die Studie Twizy Z.E. Concept, der das Titelbild schmückt. Optik und Technik des in Perlmutt-Weiß lackierten, futuristisch anmutenden Showcars entsprachen schon weitgehend dem späteren Produktionsmodell, allerdings gibt es auch markante Unterschiede: Scheinwerfer und Blinker setzten sich bei dem Konzeptfahrzeug aus Waben in Blütenform zusammen, und auch auf dem übersichtlichen Kombiinstrument zeigte eine stilisierte Lotusblüte die verbleibende Reichweite an. Nach und nach schließen sich die Blütenblätter und weisen den Fahrer darauf hin, wenn es Zeit ist, die nächste Ladestation anzusteuern. Die rollwiderstandsarmen Reifen im Format 135/80 R13 verstecken sich nahezu komplett hinter achteckigen Verkleidungen, so dass der Eindruck entsteht, der Twizy Concept würde über den Asphalt schweben.

2010: Premiere für die Serienversion

Die Serienversion des Twizy zeigte Renault erstmals auf dem Pariser Autosalon 2010. Wichtigste Unterschiede zur Studie: Bis auf den Spritzschutz an der Oberseite liegen die Räder nun frei, und statt Waben in Blumenform leuchten im sympathischen Twizy „Gesicht“ Rundscheinwerfer die Straße aus. Auch die Lotosblüte im Cockpit ist einer klassischen Instrumentierung gewichen. Ein im Blickfeld gelegenes Display liefert zusätzlich zu den Fahrdaten die wesentlichen Informationen zu Batteriestatus, Reichweite und Energieverbrauch. Ansonsten ist das Cockpit auf die wesentlichen Funktionen reduziert, so dass sich jede:r Fahrer:in auf Anhieb zurechtfindet.

Renault-Twizy-Elektroauto
Renault

Als besonders praktisch für Shoppingtouren in die City sollte sich eine Vielzahl von Ablagen erweisen: Unter dem Rücksitz befindet sich ein abschließbares 22-Liter-Gepäckfach. Durch einfaches Drehen der Rücksitzschale lässt sich das Stauraumvolumen auf 55 Liter erhöhen. Hinzu kommen zwei Handschuhfächer im Armaturenträger, davon eines abschließbar.

City-kompatibel ist auch die Reichweite: Im innerstädtischen Fahrzyklus ECE-151 stellt die Lithium-Ionen-Batterie im Fahrzeugboden Energie für 90 Kilometer Fahrstrecke bereit. Der Twizy 45 mit gedrosselter Leistung schafft bis zu 100 Kilometer.

Der Marktstart für das trendige City-Mobil in Deutschland erfolgte am 21. April 2012. Flankiert wurde er von publikumswirksamen Einsätzen auf Modeevents wie der Messe „Bread & Butter“ in Berlin oder der Verleihung des „New Faces Award Fashion“ in Düsseldorf. Auch der Twizy selbst wurde ausgezeichnet: Im Juli 2012 erhielt er für sein wegweisendes Design die renommierte Auszeichnung „red dot: best of the best“.

Renault-Twizy-Cargo
Renault

Im Juni 2013 legte Renault nach und brachte mit dem Twizy Cargo eine Microtransporter-Variante des Stadtflitzers heraus – ideal für urbane Liefer-, Kurier-, Pflege- und Reparaturdienste, aber auch für Berufspendler mit erhöhtem Transportbedarf. Anstelle des Rücksitzes ist ein nach VDA-Norm 156 Liter fassendes Ladeabteil montiert. Der Zugang erfolgt konfortabel durch eine abschließbare Hecktür.

Im Dienst von Feuerwehr und Polizei

Auch als Notfallfahrzeug macht der Twizy Karriere: Im April 2014 übernimmt die städtische Feuerwehr Wuppertal zwei der Kleinststromer. Die umweltfreundlichen Mini-Mobile leisten dort im Rahmen eines Feldversuchs Hilfe bei Türöffnungen und der Bekämpfung von Kleinfeuern, absolvieren aber auch Erkundungsfahrten bei größeren Bränden. Dabei spielt der Twizy vor allem seine Wendigkeit aus, die es ihm ermöglicht, auch in schmalste Gassen und Wege einzufahren. Neben der leuchtenden Feuerwehr-Optik in Signalrot und Gelb verfügen die beiden Twizy auch über Blaulicht und Martinshorn. Hinzu kommt eine stabile Heckbox mit Löschspray, Gasmessgerät, Geräten zum Öffnen von Türen, tragbaren Funkgeräten, Knickkopflampe und Sprühkreide.

Renault-Twizy-Feuerwehr
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Ab September 2016 ist der Twizy auch im Polizeidienst anzutreffen. Die Polizei Bonn erweitert ihren Fuhrpark um vier Elektrofahrzeuge von Renault, darunter zwei Twizy Cargo. Die beiden Microtransporter sind für den Bezirksdienst unterwegs: Dank des geräumigen Ladeabteils lassen sich wichtige Utensilien wie Akten, Unterrichtsmaterialien und Einsatzgeräte für den Arbeitsalltag hinter dem Fahrerplatz verstauen.

Twizy Renault Sport F1 mit Formel-1-Technik und -Optik

Verständlich, dass der Twizy mit seiner Ausnahmestellung im Modellprogramm des französischen Herstellers auch die Performance-Profis von Renault Sport reizt. Sie machen 2013 aus dem City-Flitzer kurzerhand einen Rennwagen mit Front- und Heckflügel, Heckdiffusor, Karbon, Rennslicks und Formel 1-Hightech.

Renault-Twizy-Formel-1
Renault

Anstelle des Rücksitzes platzieren sie im Fond das Kers-System der damaligen Formel 1-Rennwagen zur Rückgewinnung von Bewegungsenergie, das dem Cityflitzer zusätzlich zum serienmäßigen Elektromotor weitere 60 kW / 82 PS beschert. Dank des Leistungsschubs verfügt der Twizy Renault Sport F1 über die sechsfache Antriebskraft der Straßenausführung und beschleunigt in rund sechs Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit des Concept Cars beträgt 110 km/h.

Der Twizy wird zum Filmstar

2014 wird der Twizy schließlich zum Hollywood-Star: In dem Zukunftsszenario „Zero Theorem“ übernahm der agile Cityflitzer neben den international erfolgreichen Schauspielern Christoph Waltz und Matt Damon erstmals eine Rolle in einem US-Blockbuster. Der von Altmeister Terry Gilliam produzierte Film spielt in einer düsteren Zukunft: In den Straßen Londons herrscht eine bedrückende Atmosphäre, die von schrillen Menschen, Dauerwerbung und Hektik bestimmt wird. Ohne Elektromobilität gibt es kein Vorwärtskommen mehr, eine Szenerie wie geschaffen für den wendigen Twizy. Während es für alle anderen Fahrzeuge zu eng wird, flitzen gleich 15 der wendigen Zweisitzer mit reinem Batterieantrieb durch den Großstadtdschungel.

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Renault verkaufte den Twizy weltweit bislang 33.340-Mal in 55 Ländern (Stand Juni 2023). Die wichtigsten Märkte sind Frankreich, Deutschland, Südkorea und Italien. In Deutschland wurden bis Juni 2023 rund 6000 Einheiten des City-Flitzers zugelassen. Wer noch einen ergattern will, sollte sich sputen. Schließlich heißt es bald: Au Revoir Twizy!

Quelle: Renault – Pressemitteilung vom 14.07.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Wolfbrecht Gösebert:

„… ausschließlich im Leasing geplant.“

Sieht so aus, aber: Abwarten und Tee trinken :)

Wolfbrecht Gösebert:

edit: Ich habe das Akkuleasing bei der Twizy nicht berücksichtigt. Dadurch nähern sich die Preise über die Betriebskosten natürlich an.“

Ja, danke!

Im übrigen ist beim Twizy der zweite Sitz nach meinen praktischen Erfahrungen nur ein „Notsitz“ … in einen Yoyo werden wir uns wohl dieses Jahr noch mal testweise reinsetzen – nein, ihn nicht kaufen :)

Silverbeard:

Leider sind diese Fahrzeuge ausschließlich im Leasing geplant.

Silverbeard:

Der XEV Yoyo wird in China gefertigt und kostet trotzdem etwa 50% mehr als ein Twizy.

edit: Ich habe das Akkuleasing bei der Twizy nicht berücksichtigt. Dadurch nähern sich die Preise über die Betriebskosten natürlich an.

Ralf K.:

Mobilize Duo und Mobilize Bento sollen ja zur Ablöse kommen. Die fehlten im Artikel noch als Ausblick.

Wolfbrecht Gösebert:

Wenn es gelingt, den XEV Yoyo solide zu produzieren, könnte dieser ein erwachsenerer, praktikablerer und auch „würdiger“ Nachfolger für den vielfach kompromißbehafteten – aber von Manchem trotzig geliebten! – Twizy sein.
Interessant auch, ob es das manuell wechselbare, 3-teilige Akkutauschsystem geben wird und wie praktikabel es bei einem Einzelgewicht von genannten 25 kg dann sein wird.

Marc:

Das habt ihr schön in eurem Artikel vorgestellt, dass Renault mit dem Twizy ursprünglich ein neues Kapitel aufschlagen wollte. Ich weiß nur nicht, wer dann das komplette Buch zugeschlagen hat. Aber irgend jemand hat es nachdrücklich getan.

Und zwar nicht jetzt, sondern schon kurz nach dem Start. Das Konzept ist ausgezeichnet, aber es fehlte von Anfang an eine vernünftige und durchdachte Lösung zum Transport größerer Gegenstände am Heck vom Werk. Ebenso fehlten dichte Türen sowie eine saubere Abdichtung der Fahrgastzelle und schlaues Zubehör für den Winterbetrieb. Da hätte man als Renault sehr viel Geld mit Zubehör machen können. Wie dumm war das!

Vor allem hätte man Achsen und Bremsen modellpflegen müssen und dem Autochen einen viel effizientereren Antrieb sowie modular aufrüstbare Akkus verpassen müssen. Überhaupt war das Akkuleasing ein Sargnagel. Auch hatte man die Händler nicht mitgenommen und dem Wagen ein unattraktives Vertriebskonzept verpasst.

So hat man ein schlaues Auto, das auch heute noch eine gute Zukunft hätte, gründlichst ruiniert.

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