Obrist „HyperHybrid“: PHEV mit Methanol auf Tesla-Basis

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Wolfgang Plank

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Man darf vermuten, dass Felix Wankel begeistert gewesen wäre. Das Klima retten mit einem Motor? Abenteuerlich. Doch für bahnbrechende Ideen hatte der geniale Konstrukteur etwas übrig. In den 1950er-Jahren hatte er dem traditionellen Auf und Ab unter dem Zylinderkopf abgeschworen und den Kreiskolbenmotor ersonnen. Die Idee fand 1967 mit dem NSU RO 80 in sensationellem Design den Weg auf die Straße – setzte sich aber wegen technischer Probleme nie wirklich durch. Spötter erzählen, RO-80-Fahrer hätten sich im Auto gerne mit gespreizten Fingern gegrüßt, an denen man die Zahl der Austauschaggregate ablesen konnte.

Auch jenseits seiner Erfindung war Wankel ein Weitblicker. Schon 1986, zwei Jahre vor seinem Tod, mahnte er den raschen Einsatz des Wasserstoffantriebs an. Falls der nicht käme, so seine düstere Prognose, gingen Natur und Mensch zugrunde. So falsch lag der Mann nicht. Dass die Rettung des Klimas ausgerechnet ein früherer Mitarbeiter Wankels vorantreiben will, und das auch noch in des Meisters ehemaligem Entwicklungszentrum am Bodensee – das grenzt schon an Pathetik. Für Frank Obrist indes schließt sich damit einfach nur ein Kreis. Was er vorhat, sei eine Entwicklung im Geiste des großen Erfinders.

Obrists Unternehmen ist mit Verdichtern und Klimatechnik groß geworden. Doch das noch größere Ganze hat den Chef nicht losgelassen. E-Mobilität gut und schön – doch bis die in Afrika, Südamerika oder Indien ankomme, sei es zu spät. Was die Welt brauche, sei ein globaler Energieträger. Überall verfügbar, gut zu lagern, einfach zu transportieren. So wie Benzin und Diesel – nur eben CO2-neutral.

Und darum ist für Frank Obrist Wasserstoff nur der vorletzte Schritt. Sein Nachteil: Für den Transport muss er tiefgekühlt oder hochverdichtet sein. Beides ist aufwändig und kostet Energie. Mit CO2 vermischt hingegen wandelt sich Wasserstoff zu Methanol. Lässt sich problemlos in Schiffsbäuche füllen, mit Tanklastern transportieren und durch Pipelines schicken. An so ziemlich jeden Ort der Welt. Wie Sprit.

Rein technisch gesehen ist das nichts gänzlich Neues. Außer, dass Frank Obrist mit dem Verfahren der Atmosphäre auf Dauer mehr CO2 entziehen will, als für das Methanol notwendig. Auf einem parallelen Pfad nämlich soll die Anlage Kohlenstoff als Graphit speichern und Sauerstoff abgeben. Im Prinzip eine Kopie der Photosynthese – nur 25 Mal effektiver. Bei 70 Prozent Energieeinsatz für den Kraftstoff und 30 Prozent für die Kohlenstoff-Absenkung kommt Obrist in seinen Berechnungen pro gefahrenem Kilometer auf 24 Gramm abgebautes CO2. Das bei der Verbrennung im Motor entstehende hebt sich derweil mit dem auf, was vorher entnommen wurde.

Natürlich braucht diese Art von Antrieb gewaltige Mengen an Energie. Die Elektrolyse von Wasser verschlingt sie, die Gewinnung von CO2 aus der Luft ebenfalls. Aber keine andere Technologie sei derzeit in der Lage, gleichzeitig die Atmosphäre zu reinigen, sagt Obrist. Noch nicht mal die emissionsfreie Kernkraft, die er aber schon wegen ihres strahlenden Erbes für ungeeignet hält.

Wo aber soll die Energie herkommen? Auch da hat der 59-Jährige einen Plan: aus dem Sonnengürtel der Erde. Ein Streifen entlang des Äquators, der wegen der gewaltigen Hitze dort ohnehin kaum noch bewohnbar sei. Ein idealer Platz aber für riesige Photovoltaikanlagen – im Idealfall mit geringer Entfernung zum Meer, dessen entsalztes Wasser dann aufgespalten würde.

Entsprechend groß dimensioniert, würde die Kilowattstunde dort weniger als einen Cent kosten, sagt Obrist. Eine Größenordnung, bei der selbst hohe Umwandlungsverluste nicht wirklich ins Gewicht fielen. Denn auch das gehört zur Realität des Modells: Von der gewonnen Energie landet am Ende nur knapp die Hälfte in dem Methanol, dem Obrist den Markennamen aFuel gegeben hat. Das „a“ vom lateinischen aqua für Wasser.

Bleibt die Frage, wie aus Methanol am besten Kilometer werden? Obrists Antwort ist ein sogenannter U-Motor: zwei gegenläufige und damit vibrationsfreie Einzylinder mit zusammen einem Liter Hubraum, rund 40 kW und einem Wirkungsgrad von annähernd 40 Prozent. Macht mit dem Verlust beim Methanol-Prozess also knapp 20 Prozent Ausbeute der ursprünglichen Sonnenenergie. Inklusive zweier Generatoren misst das Paket rund 70 mal 50 mal 20 Zentimeter und wiegt keine 100 Kilo.

In einem Tesla Model Y mit 150 kW und zwecks Kühlung modifizierter Frontschürze speist dieses Aggregat einen nur mehr 17 kWh fassenden Akku im Kofferraum. Die große und schwere Originalbatterie ist der Abgasanlage und einem 40-Liter-Methanoltank gewichen. Konstruiert ist der Wagen als serieller Hybrid. Soll heißen: Der Kolbenmotor hat keine Verbindung zu den Rädern, sondern lädt lediglich die Batterie – immer schön sparsam im optimalen Drehzahlbereich. Was offenbar auch dem Stromspeicher guttut. Das Fünffache der üblichen 1000 Ladezyklen sei möglich, heißt es bei Obrist Powertrain. Der offizielle Verbrauch an Methanol liegt bei 3,3 Litern je 100 Kilometer.

Auf einer Testfahrt am Bodensee beweist sich der „HyperHybrid“ als wunderbar alltagstauglich. Und auch wenn die pure Beschleunigung nicht seine Kernkompetenz ist, geht’s mit etwas Anlauf auf Tempo 150. Kurzzeitig sind sogar 170 drin. Mehr Dynamik braucht kein Mensch. Mehr Reichweite auch nicht. Durchschnittlich bewegt, verspricht Obrist einen Radius von 1000 Kilometern. Und das zu einem Preis, der für ein späteres Serienmodell unter 25.000 Euro liegen soll. Selbstverständlich rekuperiert der Wagen und lässt sich auch an einer Steckdose laden.

Fans eines neuen Zweizylinder-Teslas hoffen allerdings vergebens. Das Anliegen von Obrist ist weder der Umbau noch der Verkauf von Autos. Und auch die Methanol-Anlagen will das Unternehmen mit Sitz im österreichischen Lustenau nicht betreiben. Das Firmenmotto heißt vielmehr: konstruieren, patentieren, lizenzieren.

Dazu braucht es Abnehmer. Interessierte Hersteller gebe es bereits, heißt es. Auch deutsche. Und einen Auftrag der Bundesregierung, zehn Prototypen für wissenschaftliche Institute zu bauen. Darum der Tesla. Gutaussehend aber trotzdem irgendwie neutral. Und dass im Herzen der Idee kein bogiges Dreieck kreist, dürfte sogar Felix Wankel verschmerzen.

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Wolfgang Plank

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.

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Andreas Kühweg:

Ich stimme Ihnen zu, dass eine Energieautarkie Europas mittelfristig nicht realisierbar ist.
Im Gegensatz zu Ihnen bin ich aber der Ansicht, dass sie trotzdem erstrebenswert ist, weil ich nicht glaube, dass wir auf künftige Energielieferanten mehr Einfluss haben werden als auf die aktuellen – und wie groß dieser Einfluss ist, sehen wir ja gerade täglich.
Solange wir auf Energieimporte angewiesen sind, haben wir leider immer das kürzere Ende des „geopolitischen Hebels“ in der Hand.

René Franz Stefanez:

1)
Die 3,3L/100km ohne den Verweis auf die benötigte Energie aus dem Akku ist in der Tat manipulativ. Evtl. Wird sich hier auf „Benzinequivalent“ berufen, aber auch in diesem Szenario wäre ein Hinweis nötig

3)
Mit den bei )2 angeführten Verbrauch für die 100km (15kWh/100km) wären ~430km Reichweite mit Methanol möglich. Die Reichweite ist an das Tankvolumen gekoppelt, welches sich aufgrund der flexiblen Anpassung an bestehenden Bauraum ohne großen Zuwachs bei der Masse skalieren lässt. Auf Basis der 15kWh/100km und den von Obrist veröffentlichten 37% Wirkungsgrad overall (1,63kWh/L), beträgt der Methanolbedarf ohne zusätzliche Energie aus dem Akku 9,2L/100km, womit rund 83L + die 15kWh aus dem Akku für 1000km benötigt werden. Diese Kapazität ist auch bei aktuellen Dieseltanks nicht unüblich, weshalb deren Volumen auch bei solchen REEV realisierbar erscheinen.

5) Dazu habe ich weiter oben auf den zwingenden Bedarf von Energieimporten, die stabilisierende Wirkung von bilateralen Abkommen, und den Hebel der Europa dadurch zur Verfügung steht, verwiesen.

René Franz Stefanez:

quod erat demonstrandum. Papier ist geduldig.

René Franz Stefanez:

Der Motor ist technisch betrachtet äußerst simplifiziert, bei kleinstmöglicher Masse und bestmögliches Packaging. Der von Obrist veröffentlichte Kostenüberblick zeigt erstaunlich geringe Kosten, ohne sehr detailliert darauf einzugehen (Nachfolgend zu finden auf der letzten Seite):

https://www.obrist.at/wp-content/uploads/2021/05/Vienna-Motor-Symposium-Abstract.pdf

René Franz Stefanez:

Ein von Energieimporten unabhängiges Europa ist aufgrund des hohen Primärenergiebedarfs mittelfristig nicht realisierbar. Neben der größtmöglichen Reduzierung dieser Bedarfe, der umfangreicheren Erzeugung von EE in Europa, ist EE Import der dritte wichtige Pfeiler, um den Klimawandel zu verzögern, zu stoppen, und umzukehren.

Energieautarkie ist neben den zuvor erwähnten Argumenten auch Geopolitisch nicht zu priorisieren. Bilaterale Abkommen haben eine stark stabilisierende Wirkung, und ermöglichen Europa Einfluss in den Lieferregionen. Europa benötigt eine Diversifizierung der Energielieferanten unter Berücksichtigung der Einhaltung von sozialen und ethischen Bedingungen, sowie einem verpflichtenden Anteil der Mittel im Tausch für die Energie, für Investitionen in der öffentlichen Infrastruktur. Die Lieferregionen werden meiner Einschätzung nach ein Interesse an der aufrechten Lieferkette haben, da die eigene Bevölkerung davon profitiert, und EE nur bedingt analog zu Russland andere Abnehmer findet. Dafür ist deren globale Verteilung zu kostenintensiv. Länder ohne ethische Werte werden auch weiterhin günstige fossile Energieträger nutzen.

Somit ist der Energiebedarf Europas einer der größten geopolitischen Hebel.

René Franz Stefanez:

Für eine fundierte Beurteilung der NOx Emissionen ist die Studie von einschlägiger technischer Literatur empfehlenswert, ebenso im speziellen zum Motorendesign von Obrist. Methanol ist ein äußerst sauber verbrennender Kraftstoff, in einem seriellen Hybriden aufgrund der vom Fahrbetrieb entkoppelten Betriebspunkte ohnehin. NOx sind bei einem seriellen ICE weder bei Methanol noch H2 ein Problem, da kritische Betriebspunkte gänzlich vermieden werden können. Die angesprochene Harnstoffeinspritzung ist bei diesem unaufgeladenen Motor mit Saugrohreinspritzung nicht notwendig.

Obrist hat dazu selbst Messerwerte veröffentlicht. Die Messungen wurden auf AVL Prüfständen durchgeführt, und können als plausibel betrachtet werden:

https://www.obrist.at/wp-content/uploads/2021/05/Vienna-Motor-Symposium-Abstract.pdf

Rudi Peters:

Wie „grünes“ Methanol produziert werden kann, ist in dem Artikel beschrieben. Dass die Infrastruktur weltweit vorhanden ist – während Ladesäulen für EVs mit einem „ungeheuren“ Aufwand erst errichtet werden müssen . ist ein Riesenvorteil, der für Methanol spricht. Die „Ladezeit“ entspricht der des Tankens von Benzin / Diesel.
In Dänemark hat http://www.blue.world in mehreren Jahren ein Konzept entwickelt, Methanol im Fahrzeug mit einem „Reformer“ wieder aufzuspalten und den Wasserstoff in einer Brennstoffzelle in Strom „umzuwandeln“, der dann einen / mehrere Elektromotor(en) antreibt. Es scheint also praxistaugliche Alternativen zu Verbrennern und auch zu BEVs zu geben. Neben Methanol dient auch Ammoniak als Wasserstoffspeicher, um z.B. auf Schiffen Brennstoffzellen für die Stromherstellung zu betreiben.

Interessant finde ich übrigens auch, dass DEUTZ im Dez. 21 einen -Anteil von zunächst knapp 12% an Blue World Technologies gekauft hat.

Alexey:

Das wäre dann aber ein Marketing Supergau was von 3,3 Litern zu veröffentlichen wenn er die gefühlt nur im „Freien Fall“ erreicht.^^

Andreas Kühweg:

Wenn es der Firma Obrist tatsächlich möglich sein sollte, ein PHEV SUV von der Größe eines Tesla Model Y ein Viertel billiger zu verkaufen als das Einstiegsmodell des Golf mit Benzinantrieb, dann sollten sie vielleicht nicht ihre Technologie „konstruieren, patentieren, lizenzieren“, sondern ihren Business Plan. Da wären bestimmt alle Autohersteller scharf drauf.

Andreas Kühweg:

Ich finde eigentlich, dass gerade dieser Vergleich sehr anschaulich macht, wie glaubwürdig die Angaben der Firma Obrist sind.

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