Milence: Ladeinfrastruktur für Lkw muss anders sein

Cover Image for Milence: Ladeinfrastruktur für Lkw muss anders sein
Copyright ©

Milence | Milence Hermsdorfer Kreuz

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 5 min

In der aktuellen Elektroauto-News-Podcast-Folge hatte ich Tobias Prenzel zu Gast – Head of Business Development & Partnerships bei Milence. Tobias war zuvor unter anderem bei Ionity tätig und bringt rund acht Jahre Erfahrung in der E-Mobilität mit. Seit zwei Jahren widmet er sich nun dem elektrischen Schwerlastverkehr und verantwortet bei Milence die Geschäftsentwicklung und Partnerschaften. Mit ihm habe ich über die Herausforderungen, Strategien und konkreten Fortschritte beim Aufbau eines europaweiten Schnellladenetzwerks für elektrische Lkw gesprochen.

Milence ist kein gewöhnlicher Ladeanbieter. Das Unternehmen wurde unter anderem von den drei großen Nutzfahrzeugherstellern Daimler Truck, Volvo Group (Volvo Trucks, Renault Trucks) und Traton Group (MAN, Scania) gegründet. Ziel ist es, die dringend benötigte Ladeinfrastruktur für elektrische Lkw zu schaffen – unabhängig, verlässlich und skalierbar. Tobias macht direkt klar: „Ein eigenes Netzwerk ist zwingend notwendig. Bestehende Pkw-Ladeinfrastruktur ist nicht für Lkw geeignet – weder von der Bauweise noch von der Kapazität her.“

Aktuell betreibt Milence 20 Ladehubs in sieben Ländern mit über 150 Ladepunkten. Ein Leuchtturmprojekt ist der Standort im Hafen von Antwerpen mit 20 CCS- und zwei MCS-Ladesäulen – laut Tobias „einer der größten Ladehubs für Lkw in Europa“. Bis Ende 2025 soll das Netz auf 40 Ladehubs anwachsen. In Deutschland wird in den kommenden Wochen stark expandiert: von aktuell zwei auf acht Standorte, vor allem im Osten, im Rhein-Ruhr-Gebiet und in Richtung Südwesten. Langfristiges Ziel: 100 Ladehubs bis 2027, überall dort, wo der Bedarf entsteht. „Wir skalieren nach Nachfrage – auch ein kleiner Hub kann später aufgestockt werden“, so Tobias.

Technologisch setzt Milence heute auf den bewährten CCS-Standard mit bis zu 400 kW Ladeleistung. MCS (Megawatt Charging System) wird aber zunehmend mitgedacht – und zum Teil bereits verbaut. „MCS ist ein Kern unserer Strategie“, betont Tobias. Ziel ist es, der Industrie den Weg zu ebnen und Ladeinfrastruktur verfügbar zu machen, bevor die entsprechenden Fahrzeuge in großen Stückzahlen auf die Straße kommen.

Milence | Milence Hermsdorfer Kreuz

Ein großes Thema im Hintergrund: Netzanschlusskapazitäten. Ladehubs benötigen bis zu zehn Megawatt Anschlussleistung – eine Herausforderung, vor allem in Regionen mit begrenzter Netzverfügbarkeit. Besonders in den Niederlanden gebe es Regionen, wo Netzanschlüsse erst in fünf bis zehn Jahren möglich seien. In Deutschland und Frankreich sei die Lage etwas entspannter, dennoch bleiben Genehmigungsprozesse und die Sicherstellung der Netzverfügbarkeit zentrale Herausforderungen. In einzelnen Fällen hilft Milence mit Batteriespeichern aus, um kurzfristig Engpässe zu überbrücken – wie am ersten Standort in Venlo.

Auch bei der Standortwahl setzt Milence klare Prioritäten: maximal fünf Minuten Fahrzeit von der Autobahnausfahrt, möglichst an oder in der Nähe von Autohöfen. „Effizienz ist für unsere Kunden entscheidend“, sagt Tobias. Wo keine Infrastruktur vorhanden ist, sorgt Milence selbst für grundlegende Aufenthaltsqualität – mit Toiletten, Duschen, Sicherheitskonzepten und in manchen Fällen auch eigenen Ruhezonen. „Sicherheit ist für uns ein zentraler Aspekt – für Fahrer:innen und das Ladegut.“

Beim Thema Preisgestaltung bleibt Milence transparent: Der aktuelle Tarif liegt bei 39,9 Cent netto pro Kilowattstunde. Dynamische oder standortabhängige Modelle werden intern diskutiert, sind aber noch Zukunftsmusik. „Für uns zählt heute vor allem Verlässlichkeit und Planbarkeit – insbesondere für Flottenbetreiber.“ Ein wichtiges Element zur Planbarkeit ist das eigene Reservierungssystem, das Milence in Kürze offiziell launchen wird. Erste Pilotkunden integrieren das System bereits in ihre Routenplanung. Dabei wird nicht nur ein Slot reserviert – die Identifikation am Gate und die Zuordnung eines Ladepunkts erfolgen automatisiert. Künftig soll das System auch über Plattformen verfügbar sein. Dazu kommt eine proaktive Wartung: Ein zentrales Network Operations Center in Arnheim überwacht alle Ladepunkte kontinuierlich und sorgt mit Predictive Maintenance dafür, dass Ausfälle idealerweise gar nicht erst entstehen.

Der Blick in die Zukunft zeigt: Der elektrische Schwerlastverkehr ist zentral für die Erreichung der europäischen Klimaziele. Tobias bringt es auf den Punkt: „25 Prozent der Straßenverkehrsemissionen stammen von Lkw. Ohne eine funktionierende Ladeinfrastruktur wird die Dekarbonisierung nicht gelingen.“ Milence wird daher auch durch EU-Förderungen unterstützt – rund 111 Millionen Euro fließen aktuell in den Ausbau von 284 MCS-Ladesäulen an 71 Standorten. Das zeigt, wie ernst es der Branche und der Politik mit der Transformation ist.

Milence | Milence Hermsdorfer Kreuz

Auch über neue Preismodelle wird bereits nachgedacht. MCS könnte perspektivisch einen Mehrwert durch Zeitersparnis bieten – ob das zu einem höheren oder niedrigeren Preis führt, bleibt offen. „Wichtig ist uns vor allem: langfristige Planbarkeit, transparente Tarife und ein Ladeerlebnis, auf das sich unsere Kund:innen verlassen können.“ Es war ein spannendes Gespräch mit vielen Einblicken hinter die Kulissen eines Unternehmens, das gerade dabei ist, die Weichen für die Zukunft des Schwerlastverkehrs zu stellen. Und jetzt genug der Vorrede – hört am besten direkt rein ins Gespräch mit Tobias Prenzel von Milence.

Gerne kannst du mir Fragen zur E-Mobilität, die dich im Alltag beschäftigen, per Mail zukommen lassen. Die Antwort darauf könnte für andere Hörer des Podcasts ebenfalls von Interesse sein. Wie immer gilt: Über Kritik, Kommentare und Co. freue ich mich natürlich. Also gerne melden, auch für etwaige Themenvorschläge. Und über eine positive Bewertung beim Podcast-Anbieter deiner Wahl freue ich mich natürlich auch sehr! Danke.

worthy pixel img
Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Thomas Schmieder:

Vermutlich kostet eine Ausstattung für ein Wechselsystem sogar weniger, als der fest verbaute Akku mit Schnellladefähigkeit (Kühlsystem notwendig).

Man benötigt auch nicht für jeden LKW zwei Sätze, was fälschlicherweise oft behauptet wird.
Und 1000kWh lädt man nicht in einer Fahrpause auf. Dafür benötigt man real noch 2-3 Stunden oder länger. 1C-Lader für 1000kWh gibt es nur wenige und wird es auch so schnell nicht mehrere nebeneinander geben.

Wenn man hingegen nur mit 0,2C bis 0,3C lädt, benötigen die Batteriesysteme keine aufwändigen Kühlsysteme mehr. Das spart Geld.

Daniel W.:

Ich befürchte, dass die Wechselakkus für Lkws unterm Strich zu teuer wären und sich das nicht rechnen dürfte, vermutlich auch nicht für Anbieter.

Eine Ladesäule mit Stecker und eine Ruhepause für den Fahrer dürfte auf absehbare Zeit die einfachste und günstige Lösung sein für Betreiber und Kunde.

Bei den E-Lkws dürfte für viele Speditionen das Depot-Laden sehr wichtig werden, um sich die hohen Kosten an der Ladesäule zu sparen.

Bei kleineren E-Fahrzeugen dürften Wechselakkus eine winzige Nische bleiben, da sich hier Wallbox und eigene PV lohnen.

David:

Da wird man noch viel lernen müssen. Bin dem Elektrotrucker dankbar, dass er in der Praxis, aber mit Öffentlichkeit, herausfindet, was die Themen vor Ort sind. Dass aufgedruckte Ladegeschwindigkeiten an manchen Ladeparks beschnitten sind, also man getäuscht wird oder sie durch technische Probleme der Säulen und der dahinterliegenden Technik nicht geliefert werden, ist leider seit Jahren so, wie ich als Taycan-Fahrer weiß. Sind übrigens immer dieselben. Jetzt sah man man beim Elektrotrucker, dass auch schon bei Milence solche Schwierigkeiten auftreten. Das darf nicht sein. Da muss man schnell nacharbeiten, eigentlich benötigt man eine proaktive Überwachung.

Wilf:

Am Wochenende für PKW öffnen wäre eine Möglichkeit extra Geld zu verdienen. Eine erhöhte Nachfrage, wahrscheinlich niedrigere Energiepreise könnte eine win-win Situation ergeben.

Matthias Rühl:

Bitte bei der Planung der Rastplätze an verschattende Bäume denken. Ich sehe immer nur Asphaltwüsten. Niemand kann sich im Sommer dort aufhalten.

Thomas Schmieder:

> Eine Lösung, für das Umparken während der Ruhepause, muss dringend rechtskonform geändert werden.
> Bis jetzt ist das eher eine Grauzone, aber heute schon möglich.

Pausen sollten vollkommen unterbrechungsfrei bleiben!

Mitten im Powernap einen Truck umparken zu müssen, geht (mal wieder) auf Kosten der Fahrer:innen und damit in Folge auch auf die übrigen Verkehrsteilnehmer:innen, die sich dann später die Straßen mit unausgeruhten LKW-Kräften teilen müssen.

Und zum Abschluss mal wieder meine Gebetsmühle:
Ein gemeinsames Batteriewechselsystem (z. B. in Kassettentechnik à 200-250kWh, das entspricht z. Zt. etwa einer Tonne) würde helfen

– Ladezeiten auf wenige Minuten zu kürzen; Decoupling von Ladung und Benutzung. Damit bis zu fünf Stunden Standzeit am Tag vermeiden.
– Hochleistungsnetze überflüssig zu machen
– Umladeverluste zu vermeiden
– Das „Aushelfen“ mit 250kWh mitten in der Pampa erheblich erleichtern -> keine Angst mehr, liegen zu bleiben
– Laden mit direkt benachbarten PV-Plants ermöglichen und damit die Preise senken helfen
– Batterien sanft zu laden; das verlängert die Lebensdauer
– Batterieentwicklung erleichtern. Der Tausch einer älteren Batterie durch eine neuere, leistungsfähigere würde einfach werden

Und bitte nicht die PKW-Batteriewechselsysteme mit denen für Schwerlastverkehr verwechseln. Bei 50-100kWh ist ein Wechsel nicht so erheblich, wie bei 600-1.000kWh.

Wenn die (teuren) Netze mit ihren Öligopolpreisen für den Strom flächendeckend vorhanden sind, ist der Kipppunkt erreicht. Bis dahin hat eine soziale Preisbildung noch eine Chance. Die Speditionen sollten aufwachen, und ihre Einsparpotentiale nicht verschenken.

Ich bitte bei „Daumen runter“ um eine qualifizierte Begründung. Anderenfalls muss ich von Trollbots ausgehen.
Bei „Daumen rauf“ freue ich mich selbstverständlich auch über Mitwirkung an der Idee der Wechselbatterien für eLKWs.

ioniqKnechter:

Ehy Moin erst ma…
Für 10 MCS Säulen kann man bei gleichen Investitionskosten 25 HPC Säulen a 400 kW installieren.
Und wie der elektrotrucker in seinem zahlreichen Videos aufzeigt, reicht diese Leistung, wenn sie zuverlässig abgegeben wird, vollkommen aus.

Eine Lösung, für das Umparken während der Ruhepause, muss dringend rechtskonform geändert werden.
Bis jetzt ist das eher eine Grauzone, aber heute schon möglich.

Denn, LKW Fahrer dürfen heute schon Umparken, um zb. einem Kollegen eine Weiterfahrt zu ermöglichen.
Das muss aber schriftlich, unter Angabe des Grund, dokumentiert werden und darf ein zeitlichen Rahmen u Entfernung nicht überschreiten.

Peter:

Diese Anpassung wird hoffentlich kommen…wie man aber an Deutschland sieht ist man ja nichtmal fähig den Zustand laden im Straßenverkehr einzuführen und Ladestationen zählen noch immer als Parkplätze.

Gregor:

Ich bin gespannt wo die Reise mit mcs hingeht, da hier ja die Ruhepause trotzdem zählt.
Und wie man bei der Fahrt Leer nach Gibraltar gesehen hat, zählt es eher wie zuverlässig und stabil werden 300 bis 400kW geliefert. Und in welchen Abständen stehen Lader (schien in F ja gut zu passen).

Was aber fehlt ist die Anpassung in der EU zu den Ruhepausen, da die aktuelle Unterbrechung um den Lkw zum Trailer zu parken eigentlich immernoch illegal ist.
Das Betrifft am Ende auch Mcs laden.

Ähnliche Artikel

Cover Image for MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

Michael Neißendorfer  —  

Auf einer 800-Volt-Plattform aufbauend, versprechen die Elektroautos nicht nur flotte Ladezeiten sondern auch hohe Reichweiten und viel Leistung.

Cover Image for Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Sebastian Henßler  —  

Für härteste Einsätze gemacht: Munros elektrischer 4×4 bietet Nutzlast, Zugkraft und drei Aufbauformen – wartungsarm, geländetauglich und alltagstauglich.

Cover Image for Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Michael Neißendorfer  —  

Ein entscheidender Gamechanger in der Elektromobilität spielt sich nicht auf der Straße ab – sondern in der Einfahrt, wie Zahlen von Ford zeigen.

Cover Image for Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Sebastian Henßler  —  

Vier Motoren, 1625 Nm Drehmoment und Launch Cam: Rivian stattet R1T und R1S mit verbesserter Technik für Alltag und Offroad aus.

Cover Image for Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Michael Neißendorfer  —  

Mit der Serienproduktion der Batterien für den vollelektrischen CLA setzt die Mercedes-Benz Tochter Accumotive in Kamenz einen großen Meilenstein.

Cover Image for Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Sebastian Henßler  —  

Ultra Violet trifft auf Flaming Red: Der ID.3 GTX Fire + Ice erinnert an den Golf-Klassiker von 1990 – jetzt mit Elektroantrieb, Design von Bogner und 240 kW Power.