Fahrbericht: Lucid Air Sapphire

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Lucid Motors

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 6 min

Wer im Lucid Air Sapphire aufs Gaspedal tritt, dem entgleisen wahrhaft jegliche Gesichtszüge. Wenn unbedingt gewünscht, geht es aus dem Stand in weniger als zwei Sekunden auf Tempo 100. Ein Raketenstart kann brutaler kaum sein.

Lucid jongliert gekonnt mit Zahlen. Fast jeder Wert lässt einem geradezu den Mund offenstehen. 920 kW / 1251 PS, über 330 km/h Spitze oder 1940 Nm maximales Drehmoment – jeder einzelne Wert ist spektakulär, beeindruckend, ja atemberaubend. Auch wenn der Lucid Air bereits seit einiger Zeit auf dem Markt ist, fällt er im Straßenverkehr auf wie ein rosa Elefant – mit einem gepunkteten Bikini – knapp geschnitten.

An einem Air schaut man nicht vorbei und mit dem Ufo-Design wirkt er gewaltiger denn je, obschon er mit einer Länge von 4,98 Metern kürzer ist als der neue BMW 5er / i5. So dauert es nicht lange, bis auf dem Parkplatz nördlich des kalifornischen Küstenstädtchens Marina de Rey ein interessierter Zuschauer anrückt. Überraschung: Auch der vermeintliche Interessent fährt einen Lucid Air GT. „Und, wie fährt er sich? Lohnt der Sapphire?“, lächelt der sportliche Typ mit der Basecap hinter der herunterfahrenden Seitenscheibe. Augenscheinlich ein Kenner, denn so einfach lässt sich der Lucid Air Sapphire von seinen alles andere als schwächlichen Brüdern nicht unterscheiden.

Okay, da sind Spoiler, Schweller und Karosseriedetails in Echtkarbon ausgeführt. Wirklich auffällig ist das vermeintliche Tuningpaket des Topmodells schon aufgrund der dunkelblauen Metallicfarbe jedoch nicht. „Mir reicht die GT-Version hier mit den 830 PS“, entgegnet er, als er zurücksetzt, „schneller ist eh kaum einer.“ Da hat der Lucid-Fan recht, denn bereits der Air Grand Touring spurtet auf Wunsch brachial los. 0 auf Tempo 100 in drei Sekunden, 270 km/h Spitze – Wünsche bleiben da für die stattlichen 130.000 Euro keine auf. Doch einige Kunden wollen eben immer das Beste; keine Ausreden, wenn Tesla mit seinem betagten Model S Plaid glänzt oder Porsche seinen Super-Taycan ankündigt.

Und wer die Kirsche auf der Sahne will, der hat mit dem Lucid Air Sapphire nun seinen Traumwagen gefunden. Das Topmodell holt aus seinen drei Elektromotoren unfassbare 920 kW / 1251 PS und jene 1940 Nm, deren Gewalt man sich nur dann annähernd vorstellen kann, wenn man es einmal ausprobiert hat. Eine leere Straße, natürlich abgesperrt und weit abseits aller Verkehrsregeln: ein Tritt aufs Pedal und es entgleisen nicht nur die Gesichtszüge. Unfassbar. Auf die kaum weniger beeindruckende Bremse getreten und das Ganze nochmals und wieder.

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So etwas klappt nur mit einem Elektroauto. Einem Supersportwagen. Doch dieser hier wiegt fast 2,5 Tonnen, hat vier Türen und bietet jede Menge Platz für Kind und Kegel, Mann und Maus. Der Lucid Air ist eine Luxuslimousine mit allem, was dazu gehört. Klimatisierte Sessel vorne wie hinten, natürlich Platz im Überfluss und alles elektrisch verstellbar – das ist in dieser Liga nichts Ungewöhnliches. Es ist das Design, das den Unterschied macht. Und der Antrieb, der einem dann vollkommen den Atem raubt.

Das alles hat seinen Preis: 250.000 Euro. Eine teurere Serienlimousine ist aktuell nicht zu bekommen. Nach dem jüngst vollzogenen Marktstart in den USA kommt der stärkste Lucid Air im dritten Quartal des Jahres auch nach Europa und soll insbesondere in Deutschland glänzen. Das gilt mehr denn je mit seiner Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h bieten nur eine Handvoll Supersportwagen. Doch die haben alle zwei Türen, maximal zwei Sitzplätze und ein überschaubares Komfortniveau.

Die Instrumente erinnern abgesehen vom fehlenden Head-Up-Display an den Porsche Taycan. Die in einer 34 Zoll großen Horizontalsichel angeordneten Runduhren sehen beinahe so klasse aus wie das Hochkant-Touch-Display in der Mittelkonsole, das sich auf Berührung an der unteren Kante in den unsichtbaren Raum verabschiedet und große Ablagen darunter freigibt. Schick und allemal praktisch gelöst. Der Rest der Funktionen läuft per Sprache oder Drehregler am reduzierten Lenkrad. Das Platzangebot ist vorne wie hinten gut. Anders sieht es für die Fönwelle aus, denn die Kopffreiheit ist aufgrund der niedrigen Dachlinie und des Batteriepakets im Unterboden überschaubar. Der hintere Kofferraum ist aufgrund der flachen Bauweise knapp 650 Liter groß. Imposant und ebenfalls elektrisch zu bedienen, präsentiert sich jedoch der Frunk unter der vorderen Haube mit weiteren 280 Litern.

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Im Alltagsbetrieb ist der Sapphire ein ganz normaler Lucid Air. Vielleicht einen Hauch straffer, was an den sehenswerten 20-Zöllern liegt, auf die 265er Hochgeschwindigkeitsreifen aufgezogen sind. Mit dem Radsatz lässt sich der komfortabel-sportlich abgestimmte Amerikaner mehr als flott beherrschen. Wird die Straße rutschig, kommt das Heck aufgrund der gewaltigen Leistung aus den beiden hinteren Motoren flott und willig. Die Lenkung könnte straffer sein, mehr Rückmeldung bieten und so auch für mehr Vertrauen im Grenzbereich sorgen. Daran hapert es beim Fahrwerk selbst und den bissigen Bremsen nicht.

Ob der Fahrer des Lucid Air Sapphire das alles abseits der unfassbaren Beschleunigungen herausfährt, darf bezweifelt werden. Insbesondere im Sonnenstaat Kalifornien, wo viele wohl eher interessieren wird, dass das 113-kWh-Akkupaket Reichweiten von immerhin 620 Kilometern ermöglicht. Mit seiner 900-Volt-Architektur dauert er bei maximalem Ladetempo weniger als 20 Minuten, ehe die nächsten 400 Kilometer in Angriff genommen werden können. Selbst hier setzen die Zahlenkolonnen des Sapphire Bestmarken und die Konkurrenz mit BMW i7 oder dem Mercedes EQS kann den Blick gar nicht mehr vom Boden erheben. Der Normverbrauch: ca. 16 kWh / 100 km.

Muss es nun der Sapphire sein?

Muss es nun der Sapphire sein? Um die Frage des Parkplatznachbarn von oben zu beantworten: ein klares Nein. Die Fahrleistungen, die der Lucid Air Sapphire bietet, um sich von seinen Brüdern zu unterscheiden, liegen weit jenseits des im Straßenverkehr erfahrbaren. Okay, wer will, kann gerne auf der Autobahn einmal auf Tempo 330 beschleunigen, Fahrer eines Porsche 911 Turbo zum Weinen bringen und sich über Piloten eines BMW M4 lustig machen, während die Autobahnausfahrten vorbeirauschen.

Doch im Kern bleibt der Sapphire das, was auch die anderen Lucid Air Versionen sind: extrem beeindruckende und sehr exklusive Luxuslimousinen für all die, denen die Konkurrenz zu langweilig ist. Für all jene dürfte jedoch wohl auch der 831 PS starke Grand Touring oder der 628 PS Touring reichen. Und wer nicht ganz so auf den Putz hauen will, mit Hinterradantrieb leben kann und den normalen Luxus genießt, für den ist vielleicht sogar die neue Basisversion des Lucid Air Pure mit 325 kW / 442 PS und einer maximalen Reichweite von fast 750 Kilometern genau das richtige.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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Mr.Hu:

Aber der Genesis G80 ist um Welten enger. Der Lucid spielt wegen seiner Raumökonomie von vornherein mindestens eine (Preis-)Klasse höher.

Mr.Hu:

Ich hab schon mal angemerkt, dass ich dir nicht glaube, dass du eine Probefahrt gemacht hast. https://wp.elektroauto-news.net/news/vergleichstest-lucid-air-bmw-i5-mercedes-eqe#comment-188934
Statt Motor- habe ich nur von Windgeräuschen gehört. https://www.autobild.de/artikel/lucid-air-elektro-test-motor-akku-21473215.html Ich habe im ganzen WWW bis jetzt keine großen Anzeichen von unkpmfortablem Fahrwerk oder gar penetrantem Motorgeräusch gefunden. Im Gegenzug hast du nie was von der vielleicht unter Preisniveau liegenden Verarbeitung geschrieben. Nimms mir nicht persönlich, aber du bist ihn nie gefahren. Alles spricht dagegen.

Mr.Hu:

So ist es. Eine Lucid-Pleite ist reines Wunschdenken.

Spiritogre:

Ich finde von außen sieht der Lucid schick aus und von innen okay, nichts besonderes aber auch nicht abschreckend. Was eben gar nicht sein darf in dieser Klasse ist die extreme Lautstärke, das Fahrzeug scheint sehr schlecht isoliert zu sein, dazu „fiebt“ der Elektromotor und hohe Frequenzen sind halt viel nerviger als niedrige, wie sie Verbrenner haben.
Nicht falsch verstehen, als der erste Lucid damals vorgestellt wurde, war ich ziemlich angetan. Nur dann:

Was gar nicht geht ist der Preis. Ich sehe den Lucid als auch z.B. das Tesla Model S eher so im Bereich 60k bis maximal 80k im Vergleich zu ähnlichen „Premiumautos“. Bessere Innenraummaterialien und Anmutung als ID.7 oder Ioniq 6 aber lange nicht auf Mercedes E- oder S-Klasse oder BMW 5 oder gar 7er Niveau. Ein Genesis G80 Electric ist WESENTLICH luxuriöser und kostet 74.000 Euro, ist dafür technisch aber schwächer.

Stefan:

Lucid wird von Saudi Arabien finanziert.Und da ein Werk in Saudi Arabien auch produziert, wird das Geld so schnell nicht ausgehen. Ich finde den Lucid extrem gelungen. Auch in der Basisversion.

Spiritogre:

Lucid hat angekündigt die Produktion um 90 Prozent zu reduzieren. 2024 sollen statt geplant 90.000 Autos nur noch 9000 gebaut werden. Der CEO hat für die Bekanntgabe der Nachricht 6 Milionen Dollar von den Finanziers bekommen, der Aktienkurs stürzte in Folge auf den niedrigsten Wert der Firmengeschichte.

Auch Rivian stürzt massiv ab. Elon Musk hat über die beiden inländischen Mitproduzenten verkündet, dass sie Gefahr laufen Pleite zu gehen. Fisker pfeift währenddessen auch aus dem letzten Loch, HiPhi hat sechs Monate Produktionsstop verhängt, XPeng konzentriert sich auf Autonomes Fahren und will damit Geld verdienen.

Den Startups der Elektromobilität steht das Wasser bis zum Hals.

Gastschreiber:

Nach einer Probefahrt im Lucid waren alleine der Fahrkomfort und das penetrante Motorgeräusch weit weg von Luxus. Eher durchschnittliche Assistenzsysteme waren auch nicht überzeugend.
Da hilft es wenig, wenn man permanent den Begriff verwendet, wenn das Produkt das nicht vermittelt.
Performance, wird überbewertet, vermute, wenige finden es noch angenehm derartige Längsbeschleunigung zu erleben. Kann nur eine Probefahrt empfehlen, das Ergebnis könnte ernüchternd sein.

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