Auf den Zahn gefühlt: Lucid Air Touring

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Stefan Grundhoff / Lucid Motors

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

Luxuslimousinen sind unter Druck – seit Jahren. Elektroantriebe und SUV-Wahn machen den elitären Edelkreuzern das Leben immer schwerer. Lucid wagt es trotzdem und bringt seinen Air auch nach Europa – eine etwas andere Art der Luxuslimousine.

Zurückhaltung ist nicht die Sache des Lucid Air. Bei den Ladestopps an der Autobahnraststätte Spessart oder an einem namenlosen Einkaufszentrum in Oberfranken ist die Hölle los, als der Air nach dem Parkvorgang am Hypercharger Energie zieht. Die einen kommen verschämt herüber, zücken aus der Hosentasche die Handykamera, andere fragen direkt: ist das der Lucid? Ist es und er hat es in sich.

Eine etwas andere Luxuslimousine – natürlich elektrisch angetrieben und mit einem Auftritt, der die von BMW i7 oder Mercedes EQS lässig in den Schatten stellt. In den USA ist der Lucid Air schon knapp zwei Jahre auf dem Markt; jetzt auch in Europa mit seinem ersten Imagestore in München. Die Erwartungen der Lucid-Verantwortlichen scheinen überschaubar, doch ebenso wie andere Nobelmarken scheint es trotz aller China-Trends noch immer schick, sich auch in Europa der Konkurrenz zu stellen.

Stefan Grundhoff / Lucid Motors

Der Lucid Air Touring ist kleiner als sein Design erscheinen lässt, denn mit einer Länge von 4,97 Metern spielt Amerikaner eigentlich gegen Audi A6, BMW 5er und Mercedes E-Klasse – zumindest, was die Außenabmessungen angeht. Ganz anders im Inneren, denn hier ist der Air eine echte Schau – mit viel Platz vorne wie hinten, sehr bequemen Ledersitzen und dem ein oder anderen Makel. Das gilt zum Beispiel für die Kopffreiheit, denn die ist durch das Akkupaket im Unterboden und die betont niedrige Dachlinie nicht gerade üppig. Deshalb verzichtet der elektrische Viertürer auch auf ein Sonnenschutzrollo, das ihm gut gestanden hätte, denn die sich weit über die Frontsitze ziehende Frontscheibe sorgt bei den Insassen zwar für einen Wow-Effekt, nervt aber bei tiefstehender Sonne, denn hier kommen auch die Sonnenblenden schnell an ihre Grenzen.

Der Fahrer blickt auf nüchterne Instrumente hinter einer gigantischen Glasscheibe, vermisst ein Head-Up-Display und genießt den mächtigen Zentralbildschirm, der sich auf Knopfdruck in den Instrumententräger schiebt und eine größere Ablage freigibt. Hier gilt wie schon außen: Der Lucid macht einiges anders als die etablierte Konkurrenz und er macht es gut. Viel Platz gibt es dank des 2,96 Meter langen Radstandes nicht nur für die Insassen vorne wie hinten, sondern auch für das Gepäck.

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Mit 627 Litern Volumen gibt es viel Platz im Kofferraum im Heck, der durch die tiefe Konstruktion jedoch nicht leicht zu beladen ist. Dazu gibt es vorne einen Frunk, der mit 283 Litern mehr als stattlich dimensioniert ist und viel mehr als nur das Ladegeschirr aufnimmt, das man ohnehin besser unter den Ladeboden im Heck packt. Und wenn diese 910 Liter noch immer nicht ausreichen sollten, dann lässt sich die Rückbank nach vorne umklappen und das Gesamtladevolumen erhöht sich auf gigantische 1834 Liter – das bieten in dieser Liga noch nicht einmal Kombis und SUV.

Dabei will der Lucid Air Touring kein Raumwunder sein, sondern eine automobile Designikone, die mit ihrem Elektroantrieb beeindrucken will. Auf Wunsch gibt es den Air mit mehr als 1100 PS, doch die größte Marktrelevanz dürfte gerade in Europa die Touring-Version haben. Deren Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse leisten gemeinsam 462 kW / 629 PS und ein mehr als stattliches Drehmoment von 1200 Nm. Trotz der knapp 2,4 Tonnen Leergewicht reicht das, um allemal dynamisch bis sportlich unterwegs zu sein. Aus dem Stand beschleunigt der Allradler in 3,6 Sekunden auf Tempo 100; regelt für diese Leistung allerdings recht früh bei 225 km/h ab. Schneller rennen dürfen die stärkeren Versionen, die bis zu 270 km/h fahren dürfen.

Das 92 kWh große Akkupaket reicht im WLTP-Zyklus für bis zu 725 Kilometer – im flotten Realbetrieb sind 500 bis 550 Kilometer realistischer. Da die Ladegeschwindigkeit bei 250 kW liegt, dauern die Ladestopps am Hypercharger jedoch kürzer als bei den meisten Wettbewerbern. Schade für die Fotofans, die zumeist einen Tesla im Alltag bewegen.

Stefan Grundhoff / Lucid Motors

Dabei fährt sich der mindestens 129.000 Euro teure Lucid Air Touring nicht nur wegen seines spektakulären Aussehens wie ein Raumschiff aus einer fernen Zukunft. Der Schub ist aus jedem Tempobereich gewaltig und die beiden Elektromotoren sorgen dafür, dass die Kraft beeindruckend lässig auf den Boden gebracht wird, während die Digitalziffern nur so durchrauschen. Unabhängig vom angewählten Fahrprogramm bietet die Lenkung wenig Rückmeldung von der Fahrbahn. Das gilt auch vom Fahrwerk, das sehr komfortabel abgestimmt ist, ohne fahrig oder allzu weich zu sein. Hier machen sich die serienmäßigen 19-Zöller im Format 245 / 45 R 19 bemerkbar, denn mit den optionalen 20- oder 21-Zöllern wird es spürbar strammer.

In schnell gefahrenen Kurven und speziell auf Landstraßen würde man sich einen aktiven Wankausgleich wünschen, der die Neigung minimiert. Keine Frage: Der Lucid Air ist eine Bereicherung für die elektrische Premiumliga, denn er ist noch mehr anders, als es früher Marken wie Jaguar, Lancia oder Volvo waren, um eine Alternative zur deutschen Premiumklasse zu sein. Doch die Stückzahlen einer solchen Luxuslimousine mit 480 bis über 1100 PS dürften sich in Grenzen halten, da Lucid die Markenbekanntheit fehlt und das Segment kein leichtes ist. Anders könnte es dagegen mit dem SUV-Bruder Lucid Gravity aussehen, der Ende 2024 seine Premiere feiern soll.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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Smartino:

„Markenimage und die Markenwelt mit Events und Serviceerlebnis“
Was soll denn das???

„Markenimage und die Markenwelt mit Events“ brauche ich nicht und deshalb will auch nicht gezwungen werden, dafür bezahlen zu müssen.

Das beste „Serviceerlebnis“ hat der, dessen Auto möglichst selten einen Service braucht.

Marc:

Kannst du machen. Mein Beitrag sagte aber aus, dass es in der Eigenschaftswertung für die meisten Kunden gar nicht um das Beste geht. Sondern, wenn es gut genug ist, zählt die Premiummarke.

Gastschreiber:

Ich habe mal eine Probefahrt angefragt, man muss ja seinen Horizont etwas erweitern.
Hat das Auto etwas, was es besser kann als die Etablierten?
Tesla hat den S und den X, zumindest preislich. EQE bin ich schon gefahren, e-tron GT auch, S und X auch. Da könnte ich zumindest einen persönlichen Eindruck gewinnen.

Eletrofan:

M.W. feiert der Lucid Gravity seine Präsentation noch in 2023 und wird dann 2024 ausgeliefert.

Marc:

Tja, das ist der Grund, warum die Zulassungen bisher sehr überschaubar blieben. Die Marke kennen Eingeweihte. Aber sie hat kein Charisma. Was weiß man? Man ist angetreten, um ein viel besseres Auto zu bauen als Tesla. Das ist sicher gelungen. Nur ist Tesla in der Klasse in Deutschland gar nicht mehr wirklich präsent.

Wenn du gegen den Taycan, den etron GT, EQE und EQS und den i7 stehst, wird die Luft dünn. Da geht es ja dann auch um die Markenimage und die Markenwelt mit Events und Serviceerlebnis. Und preislich ist eher der Lucid teurer.

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