VDA-Chefin verteidigt E-Auto-Strategie der deutschen Hersteller

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Daniel Krenzer
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Hildegard Müller, Geschäftsführerin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) und somit bedeutende Lobbyistin der Branche, hat in einem Interview mit dem Ostfriesischem Kurier eine Lanze für die Elektromobilität gebrochen und viele Fragen und Bemerkungen, die entweder generell gegenüber der E-Mobilität oder gegenüber der deutschen Automobilhersteller recht skeptisch formuliert waren, entschieden zurückgewiesen. Allerdings kritisierte sie abermals die mangelhaften Rahmenbedingungen, unter denen die deutschen Automobilhersteller und -zulieferer die Transformation hin zur Elektromobilität meistern müssten.

Dafür, dass in Deutschland stets zu deutlich höheren Kosten als in vielen anderen Ländern produziert werde, lasse sich die Bilanz durchaus sehen. „Deutschland ist die europäische Herzkammer der E-Autoproduktion und zweitwichtigster E-Standort weltweit. Bei uns werden die Autos der Zukunft gebaut, und das für die ganze Welt. Und wir wollen, dass das so bleibt„, sagte Müller. Dass es derzeit – wie im Volkswagen-Werk in Emden – durch geringer gewordene Nachfrage zu Schwierigkeiten kommt, daran seien nicht die Hersteller schuld.

„Im zurückliegenden Jahr sind wir in vielen wichtigen Punkten nicht entscheidend weitergekommen: weder bei wettbewerbsfähigen Energiepreisen, bei einem wettbewerbsfähigen Steuersystem oder auch beim Thema Bürokratieabbau. Rohstoff- und Energiepartnerschaften wurden kaum geschlossen, bei Freihandelsabkommen geht es praktisch nicht voran“, kritisiert die VDA-Chefin mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit. Der Handlungsbedarf sei groß, dass Deutschland und ganz Europa ein attraktiver Standort für die Automobilindustrie bleibe. „Nur fehlt es in der Politik in Berlin und Brüssel an Einigkeit, Entschlossenheit und Strategie. Und stellenweise bleibt es bei Ankündigungen statt konkreter Umsetzung“, bemängelt Müller in dem Interview.

Müller: 15-Millionen-Ziel scheitert an Politik

Dass es ein Fehler der deutschen Hersteller gewesen sein könnte, zunächst die Premium-Segmente mit Elektroautos zu bestücken, weist Müller zurück. „Rund jeder zweite E-Kleinwagen, der in Deutschland neu zugelassen wird, stammt von einem deutschen Hersteller“, stellt sie klar. Zudem seien mehrere günstige neue Modelle angekündigt. Zwar seien die hohen Listenpreise derzeit noch eine Herausforderung, aber „Skaleneffekte und Technologiesprünge werden dazu führen, dass die Kosten weiter sinken werden. Nicht zu vergessen dabei: Schon jetzt sind die laufenden Kosten beim E-Auto bei vergleichbarem Modell geringer als beim Verbrenner“.

Das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 auf deutschen Straßen 15 Millionen Elektroautos zu zählen, dürfte vermutlich nicht erreicht werden. Dieses Scheitern sei aber auf die Politik und nicht etwa auf zu zaghafte Hersteller zurückzuführen, findet Müller – sie sagt: „Allein die deutschen Hersteller werden bis zum Jahr 2030 deutlich mehr als 15 Millionen E-Autos produzieren. In welchen Märkten sie abgesetzt und wo sie gebaut werden, hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab – und hier läuft tatsächlich in Deutschland einiges falsch.“

Laut der VDA-Chefin sei es enorm wichtig, in den kommenden Jahren das Vertrauen der Menschen in die Elektromobilität zu gewinnen. Förderungen seien dafür aber keine dauerhafte Option, auch wenn das plötzliche Förderende im Dezember eine „gravierende Fehlentscheidung“ der Bundesregierung gewesen sei. Die Attraktivität von E-Autos lasse sich durch andere Dinge steigern. „Die öffentliche Ladeinfrastruktur muss noch konsequenter ausgebaut und die Stromnetze fit für die Zukunft gemacht werden. Und: Die hohen Strompreise dürfen nicht zur Bremse werden“, so Müller.

Keine Sorge wegen China und Tesla

Zudem wies sie den Vorwurf, deutsche Autos seien auf dem für die Hersteller so wichtigen chinesischen Markt zunehmend Ladenhüter, entschieden zurück: „Nachdem die deutschen Hersteller im Jahr 2022 noch 302.800 E-Autos in China abgesetzt haben, waren es im vergangenen Jahr 396.200 E-Autos. Davon waren allein 317.300 BEVs, also Fahrzeuge, die ausschließlich von einer Batterie angetrieben werden. Wir sprechen bei den BEVs von einem Plus von 53 Prozent gegenüber 2022. Bei den rein batterieelektrischen Fahrzeugen stieg der Marktanteil der deutschen Hersteller somit von 5,2 auf 6,5 Prozent und das in einem stark wachsenden Markt.“

Dass chinesische Autos oft anders konzipiert seien, weil die Bedürfnisse der Menschen dort andere seien als hierzulande, schilderte Müller wie folgt:  „Dort bleiben die Menschen nach der beendeten Fahrt gerne noch im Auto, schauen einen Film zu Ende, oder bearbeiten noch ihre Mails. Europäische Kunden legen mehr Wert auf Komfort, Effizienz und Sicherheit.“ Weder vor den chinesischen Herstellern, noch vor Tesla müssten sich die deutschen Hersteller Ihrer Meinung nach verstecken. Die deutschen Marken ständen nach wie vor für Tradition und innovative Technologieführerschaft. „Wir werden alles dafür tun, damit das so bleibt“, versicherte Müller.

Quelle: Ostfriesischer Kurier – „Das Interview: Wie Auto-Cheflobbyistin Hildegard Müller auch VW wiederbeleben will“

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.

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