Chile will Lithium-Abbau staatlich kontrollieren

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Michael Neißendorfer
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Ein Raunen geht durch die Rohstoffbranche: Chiles Präsident Gabriel Boric teilte vor wenigen Tagen in einer landesweit übertragenen Fernsehansprache mit, dass er die Lithiumindustrie des Landes mehr unter staatliche Kontrolle bringen will. Chile ist nach Australien der weltweit zweitgrößte Produzent des Metalls, das in großen Mengen für die Batterien von Elektroautos gebraucht wird.

Der Abbau, der bislang von den Industriegiganten SQM und Albemarle durchgeführt wird und die die Grundstücke dafür gepachtet haben, soll auf ein staatlich geführtes Unternehmen übertragen werden, wobei SQM und Albemarle weiterhin als Kooperationspartner auftreten können.

Der Schritt sei, so Boric, unerlässlich, um die Wirtschaft des Landes anzukurbeln und die Umwelt zu schützen – und ist nicht neu: Mexiko hat seine Lithiumvorkommen bereits im vergangenen Jahr verstaatlicht, Indonesien hat 2020 den Export von Nickelerz verboten, einem ebenfalls wichtigen Batteriematerial. „Dies ist eine Chance für Wirtschaftswachstum, die kurzfristig betrachtet schwer zu übertreffen sein wird“, sagte Boric, der der Partei Convergencia Social angehört, die in der politischen Linken zu verorten ist. Boric hatte die Wahlen im Dezember 2021 gewonnen, damals bereits mit Ankündigungen zur Überarbeitung des marktorientierten Wirtschaftsmodells in Chile.

Zukünftige Lithiumverträge würden nur mehr als öffentlich-private Partnerschaften mit staatlicher Kontrolle vergeben, sagte er. „Dies ist die beste Chance, die wir beim Übergang zu einer nachhaltigen und entwickelten Wirtschaft haben. Wir können es uns nicht leisten, sie zu verschwenden“, sagte er in der Fernsehansprache. Aktuelle Verträge sollen zwar nicht gekündigt werden, so Boric. Allerdings hoffe er, dass „die Unternehmen“ für die staatliche Beteiligung offen seien, bevor die Pachtverträge auslaufen, wie er sagte – allerdings ohne Albemarle und SQM konkret zu benennen. Die beiden Unternehmen sind die weltweit führenden Lithiumproduzenten Nummer 1 bzw. Nummer 2. Der Vertrag von SQM in Chile läuft bis 2030, jener von Albermarle bis 2043.

SQM hat bereits ein Entgegenkommen signalisiert: „Wir hoffen, dass wir als SQM diese chilenische Erfolgsgeschichte fortschreiben und weiterhin dazu beitragen können, unser Land in führender Position auf den Wegen nachhaltiger Entwicklung, im Kampf gegen den Klimawandel und der Verbesserung der Lebensqualität der Menschen zu halten und zu stärken. Wir sind bereit, in die Gespräche und Verständigungen einzutreten, die jetzt beginnen werden“, so das Unternehmen in einer aktuellen Mitteilung.

Als chilenisches Unternehmen ist SQM bereits seit 1997 in der globalen Lithiumindustrie tätig. Die Erfahrung und Leistungsfähigkeit von SQM habe es Chile ermöglicht, eine führende Position in der weltweiten Lithiumwirtschaft einzunehmen und „höchste Standards“ hinsichtlich Qualität, Wertschöpfung und Nachhaltigkeit zu erfüllen. Das von SQM hergestellte Lithium soll einen der branchenweit niedrigsten Wasser- und CO2-Fußabdrücke aufweisen.

Der Abbau wird dennoch von vielen Seiten stark kritisiert. SQM verweist darauf, dass Lithium unerlässlich sei für den weltweiten Ausbau der Elektromobilität und zur Dekarbonisierung des Planeten. Zudem findet SQM, bereits heute ein erfolgreiches Beispiel für eine öffentlich-private Zusammenarbeit darzustellen. Beispielsweise habe SQM allein im Jahr 2022 mehr als 5 Milliarden US-Dollar an den chilenischen Staat gezahlt (Pachtzahlungen und Körperschaftsteuer).

Albemarle teilte mit, dass die Ankündigung „keine wesentlichen Auswirkungen auf unser Geschäft“ haben würde und sagte ebenfalls, dass man die Gespräche über Investitionen in weiteres Wachstum und den Einsatz neuer Technologien in Chile fortsetzen würde. Der südkoreanische Batteriehersteller SK On, der einen langfristigen Liefervertrag mit SQM hat, teilte mit, er werde die Entwicklung beobachten und mit einer langfristigen Sichtweise reagieren.

Die Ankündigung Chiles hatte kaum Auswirkungen auf die Lithiumpreise, die in den vergangenen Monaten nach einem vorläufigen Höchststand von gut 90.000 US-Dollar pro Tonne im November 2022 stetig um mittlerweile gut 70 Prozent auf deutlich unter 30.000 US-Dollar pro Tonne gesunken sind. Die Aktien von SQM sowie Albemarle hingegen ließen im zweistelligen Prozentbereich deutlich nach.

Wie es mit der Verstaatlichung weiter gehen soll

Chiles Präsident Boric teilte mit, er werde nun in einen Dialog mit Kommunen, Unternehmen und Gesetzgebern eintreten, um ein Lithiumunternehmen zu gründen, das vollständig im Besitz des Staates ist. Dafür will er in der zweiten Jahreshälfte die Genehmigung des Plans vom Kongress einholen. Geplant sei, dass privatwirtschaftliche Unternehmen in den künftigen Gemeinschaftsunternehmen einen Anteil von maximal 49,9 Prozent haben dürfen.

Das Staatsunternehmen Codelco, der weltweit größte Kupferproduzent, sei damit beauftragt worden, den besten Weg für die Beteiligung der Regierung an der Gewinnung von Lithium zu finden. „Wenn ein öffentlich-privates Unternehmen gegründet wird, um Lithium in den Atacama-Salzseen zu nutzen, wird es vom Staat über Codelco kontrolliert“, kündigte Boric an. Bei Codelco soll eine Abteilung ins Leben gerufen werden, um sich der Weiterentwicklung von Technologien zu widmen, welche die Umweltauswirkungen minimieren könnten, etwa die Bevorzugung der direkten Lithium-Extraktion gegenüber der bisherigen Praxis über Verdunstungsbecken.

Boric sagte, das Land werde versuchen, seine biologische Vielfalt zu schützen und die Vorteile und Gewinne des Bergbaus mit den indigenen und umliegenden Gemeinschaften zu teilen. „Heute präsentieren wir eine nationale Lithiumstrategie, die technisch solide und ehrgeizig ist“, sagte der Präsident und fügte hinzu, dass sie „ein Chile aufbauen würde, das den Reichtum, den wir generieren, auf alle und auf gerechtere Weise verteilt“.

Quelle: Euractiv – Chile plans to nationalize its vast lithium industry / SQM – Pressemitteilung vom 21.04.2023 

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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MMM:

Das ist ein zusätzlicher Aspekt. Mir auch völlig unverständlich, warum sich Regierung je auf solche Schiedsgerichte eingelassen haben, die ja nur den einen Zweck haben, Klagen gegen sie zu führen.

Und, wie gesagt: Geld verdienen alle gerne. Natürlich auch die, denen die Rohstoffe gehören. So reich ist Chile nicht, dass es seine Schätze nicht selbst versilbern möchte.

Robert:

stimmt kann mich noch an einen Bericht erinnern über amerikanische firmen die dort Erze glaube Kupfer gefördert haben und derartige Umweltschäden dort verursacht wurden das die regierung eingreifen wollte da kam das freundlich Schiedsgericht der Unternehmer und hat Chile Milliardenstrafen angedroht da ja das unternehmen Gewinnverluste ja machen würde wenn Umweltauflagen verlangt werden ist klar das die Regierung diesmal das selber kontrollieren wollen

MMM:

Verständlicher Schritt. Ausländische Unternehmen betrachten Länder wie Chile allzu oft als einen Platz, wo sie sich austoben können, und wo sie ihre Gewinne machen.
Dabei ist der Umweltschutz oft ein Verlierer – es ist ja weit weg. Den Schaden hat dann das Elektroauto als Ganzes, das dem Anschein nach nicht umweltverträglich hergestellt werden kann – obwohl es nur wenig mehr kosten würde, das Ganze nachhaltig aufzubauen.

Das kann man grundsätzlich aber auch als Weckruf für die eFuel-Pläne von Porsche, der FDP und anderen Träumern verstehen. Wenn es dort Geld zu verdienen gibt, und bevor man sich das Land von externen Investoren unter den Nägeln wegreißen lassen wird, wird man eher dafür sorgen, dieses Potenzial selbst zu nutzen.
Für die Preise bedeutet das: wer am besten zahlt, bekommt es. Da ist nichts mit „1ct / kWh“, wenn es Abnehmer für 3 ct gibt. Und in Chile wird noch viel Strom mit Kohle, Erdgas und LNG erzeugt, wo 3 ct./kWh sicher kaum unterboten werden.
Chile – Wikipedia

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