Vier „Superbrains“ für die Neue Klasse: So entwickelt BMW sein E-Auto von morgen

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Die PR-Abteilung von BMW hat angesichts der kommenden Markteinführung der neuen Elektroautos der Neuen Klasse die Schlagzahl erhöht und bringt regelmäßig neue, interessante Details der neuen E-Auto-Plattform ans Licht. Diesmal geht es um die Hard- und Software der neuesten Elektroauto-Generation aus München, für die BMW ein komplett neu entwickeltes digitales Nervensystem für alle Antriebsvarianten und Fahrzeugsegmente an den Start bringt. Es ist intelligenter, leistungsfähiger und effizienter als bisherige Technologien und kommt erstmalig in den Modellen der Neuen Klasse zum Einsatz, die derzeit auf finaler Erprobungstour sind.

Vier Hochleistungs-Computer, BMW nennt sie „Superbrains“, bündeln demnach die Rechenleistung für die wichtigsten Kundenfunktionen Infotainment, automatisiertes Fahren, Fahrdynamik und Basisfunktionen wie z. B. Fahrzeugzugang, Klima und Komfort. Die vier Superbrains bringen gegenüber der aktuellen Fahrzeuggeneration weit mehr als die 20-fache Rechenleistung mit und seien in ihrer Leistungsfähigkeit schon für kommende Software- und Funktionsupdates einschließlich erlebbarer KI-Features ausgelegt.

„Technologieoffenheit ist der Schlüssel zum Erfolg von BMW. Beginnend mit dem ersten Modell der Neuen Klasse rollen wir ab Jahresende die Technologien der Neuen Klasse ins komplette künftige Modellportfolio aus – über alle Segmente und alle Antriebsarten. Das gilt selbstverständlich auch für unsere völlig neu entwickelte Elektronik-Architektur aus leistungsstarken ‚Superbrains‘ und hoch vernetzten Software-Plattformen“, so Frank Weber, Entwicklungsvorstand der BMW AG.

Diese Architektur erlaubt es dem Hersteller, die Entwicklung von Fahrzeug und Software voneinander zu entkoppeln. „Der Vorteil: Mehr noch als heute bleiben alle künftigen BMW Modelle via Over-the-Air Upgrades digital auf dem neuesten Stand und erhalten Updates auch noch aus der nächsten und übernächsten Fahrzeuggeneration“, erklärt Weber.

600 Meter weniger Kabel

Elementarer Bestandteil des digitalen Nervensystems sei der radikal vereinfachte Kabelbaum. Dieser basiert auf einer sogenannten zonalen Kabelbaum-Architektur, die mit 600 Metern weniger Kabeln auskomme und 30 Prozent Gewichtsersparnis gegenüber der Vorgängergeneration bringe. Der Kabelbaum ist in vier Zonen unterteilt: Vorderwagen, Rumpf, Heck und Dach. Die Superbrains sind über Highspeed-Datenverbindungen mit kleineren Steuergeräten vernetzt, den Zonen-Controllern. Diese steuern und bündeln den Datenfluss der Elektronik in und aus den Zonen. Die Kabel im Auto sind also zonenbezogen und können dadurch kürzer, dünner und leichter sein.

Eine entscheidende Voraussetzung für dünnere und leichtere Kabel sind die sogenannten „Smart eFuses“. Das sind digitale Sicherungen, die bis zu 150 klassische Schmelzsicherungen ersetzen. Die cleveren Sicherungen können für die digital gesteuerte Energieverteilung auf Komponenten intelligent programmiert werden. Die selektive Aktivierung von Komponenten ermögliche es, intelligente Powermodi für verschiedene Fahrzeugzustände wie z. B. Fahren, Parken, Laden und Upgrades zu entwerfen, in denen zielgerichtet nicht benötigte Verbraucher abgeschaltet werden. Die eFuses leisten demnach einen wesentlichen Beitrag für die um 20 Prozent verbesserte Energie-Effizienz, die schlussendlich dazu beiträgt, dass die Reichweite bei gleicher Akkukapazität höher ausfällt.

Noch in diesem Jahr startet die Produktion

Die komplett neu entwickelte Elektronik-Architektur bildet die Grundlage für das softwaredefinierte Fahrzeug der nächsten Generation. Ab Anlauf der Neuen Klasse wird die kommende BMW Modellgeneration davon profitieren. Das erste elektrische Derivat der Neuen Klasse wird noch dieses Jahr im Werk Debrecen (Ungarn) in Serienproduktion gehen: der Mittelklasse SUV iX3. Im Jahr darauf folgt die Elektrolimousine i3, die im Stammwerk München vom Band läuft – das schon ab 2027 ein reines E-Auto-Werk sein werde.

Auf der neuen Elektronik-Architektur setzt die weiterentwickelte Software-Architektur der BMW Group auf. Bei der Fülle digitaler Funktionen im Software Defined Vehicle ist es entscheidend, dass Funktionen nicht immer neu entwickelt, sondern auf stabilen Software-Plattformen stetig weiterentwickelt werden können. Genau das werde mit der Neuen Klasse erreicht, so BMW.

BMW-Vision-Neue-Klasse
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Im Auto laufen auf den jeweiligen Superbrains die Software-Plattformen und darauf wiederum die Fahrzeugfunktionen. Der „Shared Service Layer“ fungiert als verbindendes Element (Middleware) und sorgt unter anderem für hohe Cybersicherheit und flexible Over-the-Air Updates. Zudem ermöglicht er kundenwerte KI-Funktionen dank intelligenter Vernetzung domänenübergreifender Datenquellen.

„Mit der Einführung der Neuen Klasse kommen wir bei der Software-Entwicklung in einen Modus, in dem wir Software-Kontinuität erreichen. Das heißt, wir entwickeln Software stetig weiter und nicht immer wieder neu“, sagt Christoph Grote, Leiter BMW Group Elektronik und Software. „Ausgehend von unserer weiterentwickelten Software-Architektur und der Tatsache, dass wir heute mit unseren globalen Entwicklerteams täglich 130-mal mehr Software generieren als vor zehn Jahren, sehen wir uns in einer hervorragenden Wettbewerbsposition. Unsere Software-Entwickler können sich stärker als je zuvor auf Produktinnovationen konzentrieren.“

500 Millionen Zeilen Code

Für die Neue Klasse arbeiten die Entwickler-Teams BMW zufolge an weit über 1000 Software-Modulen, in über 20 GB Software und über 500 Millionen Zeilen Code, die letztlich auf den Superbrains und der übrigen Elektronik-Architektur im Fahrzeug integriert werden sollen. Um das leisten zu können, habe der Konzern in den vergangenen Jahren ein solides Fundament für eine zukunftssichere und schlagkräftige Fahrzeugsoftware-Entwicklung geschaffen. Dazu wurden innovative Methoden und Tools im stetig gewachsenen, globalen Entwickler-Netzwerk verankert.

Als „Herzstück der Fahrzeugsoftware-Entwicklung“ bezeichnet BMW die integrierte Entwicklungsumgebung: eine maßgeschneiderte Tool-Kette namens „CodeCraft“. Geschwindigkeit und Qualität der Entwicklung wurden durch den Einsatz einer Vielzahl von Tools gestärkt, die den Software-Entwickler mit generativer KI unterstützen. CodeCraft läuft in der Cloud auf bis zu 75.000 virtuellen Prozessoren, unterstützt das gleichzeitige Arbeiten von weit über 10.000 Software-Entwicklern und verzeichnet in der Spitze bis zu 200.000 Software-Builds am Tag. Das entspreche einer Produktivitätssteigerung um mehr als das 130-fache im Vergleich mit vor zehn Jahren.

Quelle: BMW – Pressemitteilung vom 11.03.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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dieter:

Wau, hört sich so an als wäre das alles ganz neu, Fakt ist aber bei Industrieautomation und anderen Industrien ist das Standard.

Rene:

Ja sicher wird es da Lösungen geben, sowieso da Nachhaltigkeit immer ein höherer Stellenwert bekommt, schon aus ökonomischen Gründen. Dann noch dieser Gedankengang für alle die nicht auf Elektro wechseln wollen. Der Unterschied zwischen Verbrenner und Elektro ist in etwa ein Tastentelefon zum heutigen Smartphone, damit ist doch alles klar wer benützt dann noch heute eines mit Tasten.

S. Eckardt:

Da wirft ja jemand mit gigantischen Zahlen um sich. Klingt alles sehr modern und berauschend.
Für mich ist die wichtigste Frage: Wenn nach 10 Jahren irgend eine elektronische Komponente davon kaputt geht (was erwartbar und an sich verzeihlich ist) – wird es dann noch ein passendes Ersatzteil geben?
Nur dann ist es nachhaltig und für mich interessant …

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