In Langen hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen des Kira-Projekts selbst in einem autonom fahrenden E-Auto Platz zu nehmen – und als Mitfahrer autonomes Fahren nach Level 4 zu erleben. Gemeinsam mit Projektleiter Thorsten Möginger vom Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) sprachen wir im Anschluss über Technik, Perspektiven und Unterschiede zu anderen Projekten wie Teslas Robotaxi-Initiative.
Das vom Bundesverkehrsministerium mit 2,2 Millionen Euro geförderte Vorhaben ist das erste seiner Art in Deutschland, bei dem autonome Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr bis zu 100 km/h fahren – ganz ohne feste Linien oder Fahrpläne. Stattdessen können Testpersonen die E-Autos, aktuell Nio-Modelle mit Mobileye-Technologie, per App buchen. Die E-Autos bewegen sich derzeit im Landkreis Offenbach und in Darmstadt – mit Sicherheitsfahrer an Bord, aber technisch schon in der Lage, komplett autonom zu fahren.
Der Fokus des RMV liegt dabei klar auf suburbanen und ländlichen Räumen – dort, wo der klassische Linienbus oft nicht ausreicht. Kira soll zeigen, wie autonomes On-Demand-Fahren Teil des öffentlichen Nahverkehrs werden kann. Wie das genau funktioniert, wo die Unterschiede zu anderen Projekten liegen und wie es mit Kira weitergeht, darüber sprechen wir im folgenden Interview mit Thorsten Möginger.
Kira: Autonomes Fahren Level 4 – Einblicke, Details und Fahreindrücke
Autonom durch Langen: Das steckt hinter Kira
Sebastian Henßler, Elektroauto-News: Thorsten, danke, dass du dir Zeit für das Gespräch nimmst. Für viele ist Kira noch ein unbekannter Name. Kannst du kurz erklären, worum es bei dem Projekt geht?
Thorsten Möginger, RMV-Projektleiter: Gern. Kira ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zum autonomen Fahren im öffentlichen Nahverkehr. Wir wollen die Technologie in einem realen Umfeld erproben – und zeigen, dass autonome Mobilität nicht nur in Großstädten funktioniert, sondern auch in kleineren Städten wie Langen.
Autonomes Fahren kann vieles bedeuten. Auf welchem Level seid ihr mit Kira unterwegs?
Wir bewegen uns auf Level 4. Das bedeutet: Das Fahrzeug kann grundsätzlich ohne Fahrer fahren. Momentan ist zwar noch ein Sicherheitsfahrer an Bord – aber wir testen schon nach dem neuen Gesetz zum autonomen Fahren und bereiten alles darauf vor, dass das Fahrzeug später ganz ohne Fahrer auskommt.
Was braucht es technisch, damit ein Auto auf Level 4 autonom fahren kann?
Im Kern sind es drei Dinge: erstens Sensorik – also Radar, Lidar und Kameras – für einen Rundumblick. Zweitens hochauflösende Karten, auf denen sich das Fahrzeug orientiert. Und drittens die Software, die die Informationen verarbeitet und Entscheidungen trifft. Zusammengenommen ermöglichen diese drei Komponenten das autonome Fahren auf hohem Niveau.
Warum testet ihr gerade in Langen – und nicht in Berlin, München oder Hamburg?
Unser Fokus liegt auf der Integration in den ÖPNV – vor allem in kleineren Städten und ländlichen Regionen. Gerade dort ist der Bedarf an neuen Mobilitätslösungen groß. Wir wollen zeigen, dass autonome Mobilität auch jenseits der Metropolen sinnvoll und sicher umsetzbar ist.
In Hamburg ist kürzlich ein autonomer ID. Buzz von Moia gestartet. Was macht ihr anders?
Wir verfolgen einen ähnlichen Weg, aber mit einem anderen Schwerpunkt. Während Moia mit seriennahen Fahrzeugen arbeitet, setzen wir auf einen Prototyp. Uns geht es vor allem darum, praktische Erfahrungen mit dem Betrieb autonomer Flotten zu sammeln – also Prozesse, Infrastruktur und die Integration in bestehende Mobilitätsangebote zu erproben.
Das heißt, Kira wird so später nicht im Linienbetrieb fahren?
Nein, Kira ist ein Technologieträger. Die Fahrzeuge, die wir aktuell einsetzen, sind nicht für den Serienbetrieb gedacht. Aber die Technologie dahinter lässt sich auf andere Fahrzeugtypen übertragen – zum Beispiel auf den ID. Buzz oder Shuttle-Formate wie Holon. Ziel ist es, eine flexible, bedarfsorientierte Mobilitätslösung zu schaffen, die sowohl On-Demand-Buchungen als auch gebündelte Fahrten ermöglicht.
Auf dem Fahrzeug sieht man viele Partnerlogos. Wer ist an Kira beteiligt – und welche Rollen haben die einzelnen Partner?
Das Projekt wurde vom RMV und der Deutschen Bahn gemeinsam gestartet. Wir als RMV bringen die ÖPNV-Perspektive ein – gemeinsam mit lokalen Partnern wie der HEAG Mobilo in Darmstadt oder der KVG Offenbach. Die DB ist Betreiber der Fahrzeuge und sammelt Erfahrungen im Flotteneinsatz. Mobileye stellt den autonomen Fahr-Stack bereit – also die Software, die das autonome Fahren ermöglicht und sich mit jeder Fahrt weiterentwickelt.
Die Fahrzeuge lernen also mit jeder Fahrt dazu?
Genau. Die Sensoren erfassen kontinuierlich das Umfeld, und die Software wird mit jeder Fahrt besser. Dabei ist der Datenschutz selbstverständlich sichergestellt – alle Daten bleiben im Projekt, es werden keine personenbezogenen Informationen weitergegeben.
Ein Blick in die USA: In Texas ist gerade Teslas Robotaxi-Flotte gestartet – komplett kamerabasiert. Wie siehst du das im Vergleich zu eurem Ansatz?
Das sind zwei sehr unterschiedliche Ansätze. Tesla verlässt sich ausschließlich auf Kameras, wir setzen auf ein kombiniertes Sensorsystem. Ich bin überzeugt, dass unser Weg – mit mehreren, sich ergänzenden Technologien – langfristig sicherer ist.
Waymo hat bereits bewiesen, dass autonome Fahrzeuge heute schon besser fahren können als Menschen. Aber am Ende ist es gut, wenn verschiedene Systeme erprobt werden. Entscheidend ist, dass wir alle gemeinsam an besseren Mobilitätslösungen arbeiten – unabhängig davon, welcher Ansatz sich durchsetzt.
Thorsten, danke für das Gespräch – und weiterhin viel Erfolg mit Kira!
Danke dir – hat Spaß gemacht!