ZF und Wolfspeed machen Chipfabrik fix

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ZF / Wolfspeed

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Wolfspeed, ein weltweit führendes Unternehmen für Siliziumkarbid-Technologie, und der deutsche Automobilzulieferer ZF haben nun offiziell verkündet, im Rahmen einer strategischen Partnerschaft ein Innovationszentrum für die Entwicklung von Siliziumkarbid-Systemen und -Bauteilen für Mobilitäts-, Industrie- und Energieanwendungen aufzubauen. Entsprechende Gerüchte hierzu waren bereits vor wenigen Tagen ein Thema.

Die Partnerschaft umfasst zudem eine finanzielle Beteiligung von ZF am geplanten Bau der laut eigener Aussage „weltweit modernsten und größten“ 200-mm-Siliziumkarbid-Halbleiterfertigung im saarländischen Ensdorf, so der Zulieferer in einer aktuellen Mitteilung. Sowohl das gemeinsame Forschungszentrum als auch die Wolfspeed-Fabrik sind integrierter Teil eines „wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse (Important Project of Common European Interest – IPCEI) für Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien“, dessen beihilferechtliche Genehmigung durch die Europäische Kommission noch aussteht. „Diese Initiativen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen industriellen Transformation. Sie stärken die Widerstandsfähigkeit der europäischen Lieferketten und unterstützen gleichzeitig den Europäischen Green Deal und die strategischen Ziele von Europas digitaler Dekade“, sagt Dr. Holger Klein, Vorstandsvorsitzender von ZF.

Das gemeinsame Forschungszentrum von ZF und Wolfspeed werde sich auf die Herausforderungen im Bereich der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien konzentrieren. Das Ziel der Zusammenarbeit ist die Entwicklung von Innovationen für Siliziumkarbid-Systeme, -Produkte und -Anwendungen – und zwar über die gesamte Wertschöpfungskette vom Chip bis hin zu kompletten Systemen. Weitere Kooperationspartner seien eingeladen werden, sich an dem Innovationsprozess zu beteiligen, um ein umfassendes europäisches Siliziumkarbid-Netzwerk aufzubauen.

Das Forschungszentrum werde sich auf Siliziumkarbid-Systeme und -Bauteile konzentrieren, um die spezifischen Anforderungen in allen Mobilitätssegmenten, einschließlich Verbraucher-, Nutz-, Landwirtschafts- und Industriefahrzeuge, sowie in den Bereichen Industrie und erneuerbare Energien zu erfüllen. Die Zusammenarbeit soll zu Verbesserungen wie höherer Effizienz, größerer Leistungsdichte und höheren Leistungen für Elektrifizierungslösungen führen. Bei E-Autos sollen auf diese Weise unter anderem Reichweite und Ladeleistung deutlich steigen.

„Ein Zeichen für die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland“

Wolfspeed plant zusätzlich zum gemeinsamen Forschungszentrum den Bau einer eigenen hochautomatisierten und hochmodernen 200-Millimeter-Wafer-Fabrik im Saarland. ZF beabsichtigt, diesen Neubau mit Medienberichten zufolge 185 Millionen US-Dollar im Tausch gegen Wolfspeed-Stammaktien zu unterstützen. Als Teil dieser Investition erhalte ZF eine Minderheitsbeteiligung an der Fabrik in Ensdorf. Insgesamt sollen an dem Standort gut drei Milliarden US-Dollar investiert werden, der Baubeginn soll noch im ersten Halbjahr 2023 erfolgen, der Start der Produktion ist für 2027 geplant. Die Kontrolle und operative Leitung der neuen Fabrik liegt bei Wolfspeed. ZF und Wolfspeed arbeiten schon seit 2019 in einer strategischen Partnerschaft zur Entwicklung hocheffizienter elektrischer Antriebsstränge mit Siliziumkarbid-Invertern zusammen – die neue Initiative hebt die Kooperation für die Partner auf eine neue Ebene.

„Mit ZF haben wir einen starken Partner an unserer Seite, der sowohl branchenführende Erfahrung in der Skalierung von Komponenten für die Elektromobilität mitbringt als auch die Fähigkeit besitzt, Innovationen in Siliziumkarbid-Systemen und Leistungsbauelementen zu beschleunigen. Ich bin zuversichtlich, dass diese Partnerschaft die Siliziumkarbid-Halbleitertechnologie auf ein neues globales Niveau heben und die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und Effizienz in einer Vielzahl von Branchen unterstützen wird.“ – Gregg Lowe, Präsident und CEO von Wolfspeed.

Gemeinsam vereinen Wolfspeed und ZF Kompetenz in Leistungselektronik und elektrischen Systemen mit dem Know-how in den Anwendungen, was in der Branche ihresgleichen sucht. Wolfspeed bringt seine mehr als 35 Jahre Erfahrung in der Siliziumkarbid-Technologie ein, und bei ZF haben wir ein einzigartiges Verständnis für die Gesamtsysteme in allen Branchen – von Pkw und Nutzfahrzeugen bis hin zu Baumaschinen, Windenergie und industriellen Anwendungen“, sagt ZF-Vorstandsmitglied Stephan von Schuckmann. Die enge Zusammenarbeit zwischen Fabrik und Forschungszentrum soll es den beiden Unternehmen ermöglichen, „bahnbrechende Innovationen zu entwickeln, die über den weltweiten Stand der Technik hinausgehen und unseren Kunden zugutekommen“.

ZF-Wolfspeed-Chipfabrik-Saarland
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Wie wichtig das Vorhaben ist, zeigt die Anwesenheit von namhafter Polit-Prominenz beim offiziellen Auftakt: Denn neben Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Festakt in der kleinen Gemeinde Ensdorf mit von der Partie. Der Bau der Chipfabrik sei „ein Zeichen für die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland“, sagte Habeck. Dass im Saarland eine Halbleiter-Produktion angesiedelt wird, sei „ein wichtiges Signal, dass der Standort Deutschland in einer schwierigen Lage weiter attraktiv ist, auch für Hochtechnologie“. Und Kanzler Scholz sagte an die Investoren gerichtet: „Sie haben den Platz gefunden, den sie gesucht haben. Die industrielle Revolution kehrt ins Saarland zurück. Es gibt viel industrielle Erfahrung im Land.“

Der Standort übrigens hat Symbolcharakter: Die Chipfabrik entsteht auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks, welches Ende 2017 stillgelegt wurde. Nun soll dort an Technologien für eine nachhaltige Zukunft geforscht und gearbeitet werden. „Die gute alte Zeit schafft die Voraussetzung für die gute neue Zeit“, bemerkte Scholz zu diesem Aspekt.

Quelle: ZF – Pressemitteilung vom 01.02.2023 / Süddeutsche Zeitung – Chipfabrik: „Die industrielle Revolution kehrt ins Saarland zurück“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Wolfbrecht Gösebert:

Nur wird das in 4 (oder mehr – je nach realem Produktionsbeginn!) Jahren eben ganz anders aussehen – also doch eher verschlafen!

brainDotExe:

SiC-Halbleiter sind ja auch gerade erst im kommen. Abseits vom Tesla verwenden erst wenige Modelle SiC-Leistungselektronik.

Philipp:

„der Start der Produktion ist für 2027 geplant“.
Nunja, das nenne ich aber eher „verschlafen“.

brainDotExe:

Sehr schön! Die Zeichen der Zeit erkannt und gehandelt.

Soviel zum Thema die deutsche Automobilbranche „verschläft“.

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