Wie Netzbetreiber das Elektroauto-Laden steuern wollen

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Es ist ein durchaus attraktives Angebot: Mit 900 Euro sponsert der Staat über die KfW-Bank die Installation einer privaten Wallbox. Dabei gelten einige Grundvoraussetzungen. So muss eine geförderte Wallbox zum Beispiel vom Netzbetreiber steuerbar sein. Konkret heißt das, dass der Netzbetreiber bei einer drohenden Überlastung des Stromnetzes, was vor allem zu Spitzenlastzeiten am Abend der Fall sein dürfte, wenn alle E-Autos frisch an der Wallbox hängen, den Ladevorgang drosseln oder sogar unterbrechen kann.

Wie diese Steuerung von Ladevorgängen in der Praxis aussehen könnte, ist bislang noch eine Unbekannte. Bei einer Online-Runde der Grünen-Bundestagsabgeordneten Ingrid Nestle zur Integration neuer flexibler Verbraucher in den Strommarkt, von der Heise Online berichtet, kam in dieser Angelegenheit etwas Licht ins Dunkel. Demnach drängen Stromversorger vor allem auf die Spitzenglättung, also darauf, den Strombezug bei Bedarf  drosseln zu können. Wer sein Elektroauto trotzdem mit voller Leistung laden will, soll dafür mit höheren Entgelten zur Kasse gebeten werden. Die komplette Unterbrechung des Ladevorgangs sei nur optional vorgesehen, und soll nicht länger als eineinhalb bis zwei Stunden dauern.

An dieser Stelle ist vielleicht ein kleiner Exkurs hilfreich, um diesen Sachverhalt – der zunächst nach einem harten Eingriff klingt – einordnen zu können. Ein Pkw in Deutschland legt im Schnitt 40 Kilometer am Tag zurück. Ein durchschnittliches Elektroauto braucht für diese Strecke gut 10 kWh Strom. An einer 11 kW starken Wallbox, wie sie mit 900 Euro gefördert wird, lädt diese Menge Strom in gerade mal einer Stunde wieder vollständig nach. Selbst ein größeres E-Auto wie ein dicker Tesla mit seinem 100 kWh fassenden Akku, braucht an einem 11-kW-Ladepunkt nur gut neun Stunden, bis ein komplett leerer Akku wieder vollständig gefüllt ist. Oder andersrum: Selbst wenn der dicke Tesla seinen Ladevorgang aufgrund einer Unterbrechung durch den Stromversorger erst gegen 22 Uhr starten kann, steht er am morgen um 7 Uhr mit vollem Akku abfahrtbereit in der Garage. Ein Eingriff durch die Netzbetreiber sollte also für eine große Mehrheit der Ladevorgänge absolut irrelevant sein.

„Wir wollen nicht zwei Stunden flächendeckend abriegeln“

Mathias Gabel vom Verteilnetzbetreiber NetzeBW sagte bei der Online-Runde, dass die Branche ein Instrument brauche, um die durch die Elektromobilität entstehende Komplexität „soweit wie möglich zu reduzieren“ und die Versorgung optimieren zu können. Gabel fordert deshalb, dass die Spitzenglättung gesetzlich festgeschrieben werden müsse. Gleichzeitig versicherte er, dass NetzeBW „nicht zwei Stunden flächendeckend abriegeln“ wolle. Außerdem soll das Verteilnetz weiter ausgebaut werden. Auch das soll als ein weiteres Instrument zur Sicherheit der Stromversorgung beitragen.

Christoph Scholten, Leiter des Referats Digitalisierung der Energiewende beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), verwies auf ein Pilotprojekt, bei dem das durch Netzbetreiber gesteuerte Laden von Elektroautos bereits getestet wurde. Dabei habe sich gezeigt, dass die Testpersonen „nach kurzer Zeit entspannt“ gewesen seien, da sie gemerkt hätten, „dass nicht jeden Tag zwei Stunden weg sind“ und die „Komforteinbuße“ gering seien. Das BMWi wolle daher ein solches feindosiertes „Verkehrsleitsystem“ in Paragraf 14a Energiewirtschaftsgesetz verankern und noch in diesem Jahr einen Entwurf dafür vorlegen.

Sebastian Winter vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erklärte, dass die Versorgung von zwei Elektroautos in einem Straßenzug überhaupt kein Problem darstelle. Bei einem Hochlauf der Elektromobilität allerdings sei aber womöglich irgendwann ein Punkt erreicht, wo „alles gleichzeitig passiert“ und viele Besitzer zu ähnlichen Zeiten ihre Autos an den Stecker hängen. Hier müsse Verlässlichkeit „auch für Netzbetreiber gelten“. Wolfgang Zander vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET), das das Modell der Spitzenglättung mitentwickelt hat, sagte, dass durch von den Netzbetreibern steuerbares Laden drei- bis viermal so viele Verbrauchseinrichtungen ins Netz integriert können wie bisher.

Zeitvariable Tarife als Alternative zu harten Eingriffen

Christoph Maurer von der Denkfabrik Consentec schlug als Alternative zu harten Eingriffen bei Ladevorgängen vor, andere Anreize zu setzen, um das Ladeverhalten der Verbraucher zu beeinflussen: Zeitvariable Tarife. Wer z.B. auf eigene Initiative den Ladevorgang in die lastschwachen Nachtstunden verlegt, soll von einem günstigeren Strompreis profitieren. In Dänemark und Kalifornien werde dies bereits erfolgreich umgesetzt.

Auch Marcus Fendt vom Technologieunternehmen The Mobility House hält die Spitzenglättung für kontraproduktiv. Er vergleicht die komplette Unterbrechung eines Ladevorgangs mit einem Smartphone-Nutzer, der „zwei Stunden am Tag nicht telefonieren“ kann. Auch Fendt plädiert für flexible Stromtarife „auf Basis einer intelligenten Infrastruktur“. Das Optimieren „hinter dem Zähler“ funktioniere schon gut, die Netzbetreiber müssten es nur nach vorn ziehen.

Thomas Engelke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sagte, dass durch zeitvariable Tarife und Anreize, in den Nachtstunden zu laden, der Netzausbau nicht so umfangreich ausfallen müsse. Mit zusätzlichen, intelligent vernetzten Verbrauchs-, Speicher- und Steuergeräten – Stichwort Intelligenz statt Kupfer – könnten auch die bestehenden Netze generell  besser ausgelastet werden. Dies vermeide nicht nur Engpässe bei der Stromversorgung, sondern könne gleichzeitig dank der Einsparungen beim Netzausbau zu einer Kostensenkung für die Verbraucher führen.

Quelle: Heise – Netzbetreiber wollen Laden stundenlang unterbrechen können

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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iOn Werner:

Insbesondere EEG-geförderten Strom, der nicht nicht in D durchgeleitet werden kann aufgrund fehlender Leitungen …

bergfex:

Ampel Strom! Warum kommt das nicht?
Antwort: Weil es viel zu kompliziert ist und die Hausfrau Ihren Schweinsbraten am Sonntag Mittag macht, nicht dann, wenn irgendwann die Ampel auf grün ist. Und die Wärmepumpe schaltet sich auch dann ein, wenn es kalt wird bzw. der Pufferspeicher leer ist.

Alo:

60 Millionen Durchlauferhitzer? Äußerst merkwürdig….

Vollstromer:

Ampel-Strom !
Warum kommt das nicht ?

Bereits vor ca. 15 Jahren hat mir mein Elektriker etwas über ‚Ampelstrom‘ erzählt der
‚kommen solle u. bereits angedacht wird‘.
Zum besseren Verständnis:
Die Energie-/Netzbetreiber haben

a)  langfristig gleichbleibende Stromverbrauchsmodelle (=leicht vorhersagbar),

b)  kurzfristig, stark schwankend, Spitzen nach oben u. unten (=schwieriger vorhersagbar).

Ob a oder b, beiden Modellen ist gemein, daß sie sich dennoch – mit leichter Pufferung – relativ genau prognostizieren lassen. Und darauf setzt das Ampel-Modell auf.
Bsp. Es wird berechnet daß in ca. 1 Std. der Stromverbrauch (-Preis) um xx % zurückgehen/erhöhen wird. Vorlaufzeit ist wichtig daß in den Haushalten die Berechnungsmodelle anlaufen können.
Darauf wird zuerst an alle Verbraucher das ‚gelb‘-Zeichen gesendet. Die Haushalte (Stromverbraucher) erhalten dieses Signal per Internet oder ‚Rundsteuer-Empfänger‘ über das Netzkabel. Nach ca. 1 Std ‚Vorwarnzeit‘ kommt entweder ‚grün‘ oder ‚rot‘.
‚Grün‘ heißt, es wird für eine fest(!) festgelegte Zeit (bspw. 2 Std.) Billigstrom geliefert.
Oder es kommt ‚rot‘ was einer Stromverteuerung, Bindungszeit wie bei ‚grün‘, entspricht.
JEDER Stromverbraucher kann jetzt für sich entscheiden was für ihn günstiger ist und welchen Stromverbrauch er jetzt realisieren sollte. Also bspw. einen Akku laden, Wäsche waschen, Backen, Schwimmbad heizen, Wärme u. Warmwasser erzeugen u. speichern, kühlen, u.d.gl.m.
Nach Ablauf der verbindlichen Lieferzeit u. -Preis beginnt das Spiel von Neuem.
Dann entscheiden wiederum die Verbrausmodelle in den Haushalten über weiternutzen oder wegschalten.
Ein sehr vernünftiges Modell, wie ich meine.
Und damit könnte dieser unsinnige Überschuß-Strom, der heute quasi verschenkt bzw. noch belohnt wird, fast gänzlich vermieden werden.

Herwig:

Eine breite Ausrollung der E-Mobilität KANN nur funktionieren, wenn die Netzbetreiber die Netzlast steuern und verteilen können! Denn kein Netz ist dafür ausgelegt, dass um 18 Uhr in jedem Haushalt ein E-Auto angesteckt und nebenbei noch gekocht,… wird. Den dazu nötigen Netzausbau kann und will niemand bezahlen.
Aber einen interessanten Versuch, wie man mit dem bestehenden Netz einen relevanten Bestand an E-Autos laden kann, hat die Linz AG (mit Partnern) durchgeführt:
Das Projekt wurde unter dem Titel „Urcharge“ abgewickelt – einfach mal googeln!
Soviel vorweg: Das Netz hat problemlos ausgereicht, und alle BEVs waren ausreichend verfügbar!!!

Markus Wolter:

Da sehe ich gar keinen Widerspruch: Intelligente Netze sollten langfristig alle Optionen anbieten. Auf der Kundenseite über variable Stromtarife, was aber teure Stromzähler voraussetzt und sich für Kleinverbraucher vielleicht nie rechnet, und Mechanismen von der Versorgerseite, bestimmte Verbraucher zu limitieren oder kurzfristig abzuklemmen. Da ist die Technik schon da, siehe Nachtspeicherheizungen. Neue Stromkabel für alle Wünsche bekommt man auch nicht von heute auf morgen. Definitiv zu kurz gedacht ist, die Diskussion auf E-Autos zu reduzieren: Man denke z.B. an die vielen neuen Wärmepumpen, Klimaanlagen und Kühlhäuser.

Hannes Bader:

Das würde mich interessieren. Was hat denn Tesla da?

babelfisk:

Die Lösung ist ganz einfach und auch nahe liegend:

  • Man stellt am Kfz ein, wann ein bestimmter Ladezustand erreicht sein soll.
  • soweit die Anforderung, wobei die Umsetzung schon eine Reihe von Standards bedingt und sicherlich nicht trivial ist,da sowohl Kfz, Ladegerät als auch Netzbetreiber miteinander kommunizieren müssen.
  • Hier die Standards zu definieren, wäre doch mal eine sinnvolle Aufgabe der EU
  • je mehr Flexibilität ich diesbezüglich an den Tag lege, desto günstiger der Tarif.
  • Beispiel 1: ich brauche die maximale Ladeleistung jetzt — teuerstes Angebot
  • Beispiel 2: ich brauche die minimalste Ladeleistung irgendwann in x Stunden einmal -günstigstes Angebot
  • daraus ergeben sich dann für den Netzbetreiber spannende Geschäftsmodelle, da sich die vorhandene Infrastruktur viel optimaler auslasten lässt

Man hätte diesbezüglich auch die Förderung ausrichten können.

Christopher Buck:

Nein, Tesla hat eine Technologie, mit der die ganzen Batteriespeicher als eigenständiges jetzt arbeiten können und so, Lastspitzen abfedern und glatten können. Auch sind dere autos für bidirektionales laden ausgerüstet, so dass viele viele Speicher schon da sind.

Daniel W.:

Stichwort „intelligente Stromverteilung“, es nutzt die vorhandenen Leitungen besser und verteilt den Netzausbau auf einen längeren Zeitraum – wenn sowieso der Boden aufgegraben wird, dann können die Stromkabel kostengünstig mitverlegt werden – und das spart auch bei den Kosten pro kWh.

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