Vor gut einem Jahrzehnt wollte Volkswagen zeigen, was technisch möglich ist, wenn man Effizienz radikal neu denkt. Das Ergebnis war der VW XL1: ein Plug-in-Hybrid aus Carbon, leicht, futuristisch und kompromisslos auf Sparsamkeit getrimmt. Nur 169 Kundenexemplare entstanden, jedes ein rollendes Experiment in Sachen „Ein-Liter-Auto“.
Beim E4Testival am Hockenheimring erinnerten Beatrice Bohlig und Henning Krogh vom Redaktionskontor BeHonest daran, wie viel Pioniergeist in diesem unscheinbaren Kleinserienauto steckt – und das aus erster Hand: Die beiden besitzen selbst einen VW XL1 und fahren ihn regelmäßig im Alltag. Für sie ist der Kleinkraftwagen (Spitzenleistung beim Boosten: 51 kW / 70 PS) weit mehr als ein technisches Kuriosum – er steht für eine Zeit, in der Ingenieure noch mutig experimentierten. „Dieses Auto fasziniert mich immer wieder“, sagte Bohlig. „Die Herausforderung an Material, Design und Technologie war enorm. Und wenn man ihn heute sieht, wirkt er immer noch zeitlos.“

Die Idee dazu geht auf Ferdinand Piëch zurück. Ende der 1990er-Jahre forderte der damalige VW-Chef ein Auto, das mit nur einem Liter Kraftstoff 100 Kilometer weit kommt – eine Vision, die Volkswagen schließlich Realität werden ließ.
Der XL1 war alles andere als gewöhnlich. Nur 795 Kilogramm leicht, mit Karosserieteilen aus Kohlefaser, Schmetterlingstüren und Kameras statt Außenspiegeln war er radikal auf Effizienz ausgelegt. Unter der futuristischen Hülle arbeitete ein 0,8-Liter-Zweizylinder-Diesel, kombiniert mit einem Elektromotor – einer der seltenen Diesel-Hybride, die je gebaut wurden. „Er fährt rein elektrisch rund 50 Kilometer“, erklärte Krogh. „Danach muss man wieder an die Haushaltssteckdose.“
Die Konstruktion war ein Meisterstück – und zugleich eine Herausforderung. Nur zehn Werkstätten in Deutschland sind überhaupt zertifiziert, an den Hochvolt- und Carbon-Strukturen zu arbeiten. Ersatzteile sind rar, Reparaturen kostspielig. „Eine neue Frontscheibe aus speziellem Dünnglas kostet mitsamt Montage rund 5000 Euro“, sagte Krogh. „Und sie sollte am besten direkt bei VW in Wolfsburg getauscht werden.“
Noch heute ist der XL1 ein Auto, das Emotionen weckt. Wer mit ihm unterwegs ist, zieht Blicke auf sich. „Die Menschen bleiben stehen, winken, machen Fotos“, erzählte Bohlig. „Viele fragen, ob das ein Prototyp ist. Man sieht ihn ja so gut wie nie.“ Gleichzeitig zeigt der Wagen, dass Effizienz nicht unpraktisch sein muss: zwei Sitze, ein kleiner Kofferraum, eine einfache Klimaanlage – genug für den Alltag, wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt.
Auch auf der Langstrecke überzeugt der Hybrid durch Effizienz. „Von Hamburg nach München kamen wir mit einem Durchschnittsverbrauch von unter drei Litern durch“, sagte Krogh. „Das ist zwar weit weg vom berühmten einen Liter, aber angesichts der Fahrleistungen beeindruckend.“ Auf der Autobahn sei der XL1 bei 130 km/h mit etwa 2,5 Litern unterwegs gewesen – „realistisch, nicht unter Laborbedingungen.“
Für Bohlig bleibt der XL1 ein Beweis dafür, dass Volkswagen einst bereit war, radikal zu denken. „Der XL1 war seiner Zeit voraus – und dann ist das Thema abgeflacht“, sagte sie. „Er war eigentlich schon ein Vorreiter der E-Mobilität.“ Das Auto zeige, wie eng technologische Innovation und gesellschaftlicher Wandel zusammenhängen. „Man kann nicht nur über neue Technik reden, man muss auch das Mindset verändern. Menschen brauchen Mut, sich auf Neues einzulassen.“
Krogh sieht den XL1 als Brückenglied zwischen zwei Epochen: „Er verbindet die alte Welt der Verbrenner mit der neuen, elektrischen.“ Leichtbau, Aerodynamik, effiziente Antriebskombinationen – vieles, was heute in Elektroautos selbstverständlich ist, wurde hier erstmals umgesetzt.
Heute, mehr als zehn Jahre nach Produktionsende, könnte der XL1 in einer Neuauflage erneut Impulse setzen. Es würde daher wohl nicht verwundern, wenn man in Wolfsburg über ein modernes Pendant nachdenkt, diesmal rein elektrisch, mit den Möglichkeiten der aktuellen Batterietechnik. Offiziell bestätigt ist eine solche Überlegung nicht, doch der Gedanke liegt nahe. Ein neuer Technologieträger könnte zeigen, wie viel Potenzial in konsequentem Leichtbau und klarer Ingenieursvision steckt – wenn man es wagt, Grenzen neu zu definieren.
Bohlig würde das begrüßen. „Unternehmen denken heute nachhaltiger, handeln bewusster“, sagte sie. „Aber die Politik muss klare Leitplanken setzen. Der Staat muss entscheiden, die Unternehmen handeln und die Haushalte umdenken.“ Erst, wenn alle Ebenen zusammenspielen, könne Elektromobilität ihr volles Potenzial entfalten.
Der VW XL1 bleibt damit mehr als ein Experiment vergangener Tage. Er steht für eine Zeit, in der Zukunft nicht nur gedacht, sondern auch gebaut wurde – und für die Frage, ob sich dieser Mut heute wiederfinden lässt.