Im Volkswagen-Werk Zwickau wächst die Unsicherheit. Zwischen Montagelinien und Kontrollstationen hängt ein Banner, das die Stimmung einfängt: „Dem Leuchtturm der Elektromobilität geht das Licht aus.“ Der Satz richtet sich an die Politiker, die das Werk besucht haben, und an die Konzernzentrale, die über seine Zukunft entscheidet, wie die FAZ berichtet. Zwickau war das erste Werk des Konzerns, das vollständig auf Elektroautos umgestellt wurde. Heute steht es für die Herausforderungen der Branche: sinkende Nachfrage, Überkapazitäten und offene Fragen zur künftigen Ausrichtung.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Bundesumweltminister Carsten Schneider versuchten bei ihrem Besuch, Zuversicht zu verbreiten. Kretschmer sprach von einem engen Austausch mit Volkswagen, der nicht immer konfliktfrei verlaufe, aber auf einem gemeinsamen Ziel beruhe: den Standort zu sichern. Schneider betonte die Bedeutung der Industrie für den Klimaschutz. „Ich habe als Umweltminister zwei Ziele: gut bezahlte Arbeitsplätze und klimafreundliche Autos“, sagte er. „Deshalb muss dieses Werk weiterbestehen.“
Der politische Rückhalt kann die wirtschaftliche Realität jedoch nicht übertünchen. Seit Monaten läuft die Produktion nur mit reduzierter Auslastung. Erst vergangene Woche standen die Bänder zeitweise still – ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Nachfrage nach E-Autos von VW schwächelt. Dabei hatte die Konzernspitze erst vor Kurzem eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat getroffen, alle deutschen Werke zu erhalten. Dass nun schon wieder um Zwickau gerungen wird, verdeutlicht den Druck, unter dem der Konzern steht.
Im vergangenen Jahr hatte VW angekündigt, 35.000 Stellen abzubauen, verteilt über sämtliche Standorte. Zwickau sollte verkleinert, aber nicht geschlossen werden. Nun droht der Sparkurs die ursprünglichen Zusagen zu unterlaufen. Ministerpräsident Kretschmer forderte zuletzt in einem Schreiben Garantien für die Auslastung des Werks und die Nutzung des kleineren Standorts in Dresden. In Wolfsburg fand sein Appell offenbar wenig Gehör.
VW-Werk Zwickau: Auf konkrete Aussagen über die Zukunft wartet man vergeblich
Nach dem Treffen mit den Politikern zeigte sich VW-Sachsen-Geschäftsführer Thomas Edig bemüht, die Lage zu erklären. Man habe intensiv über die Marktsituation gesprochen und darüber, „wo uns die Politik weiterhin unterstützen kann“. Konkrete Aussagen über die Zukunft des Werks blieben aus. Im Konzern läuft derzeit die sogenannte Planungsrunde, in der über Investitionen und die Belegung der Produktionsstätten entschieden wird.
Einige positive Signale gibt es dennoch. Zwei Modelle sollen länger in Zwickau bleiben als geplant: Der ID.3 wird vorerst nicht nach Wolfsburg verlagert, und der Cupra Born könnte dauerhaft in Sachsen produziert werden. Auch die Fertigung des Audi Q4 e-tron scheint vorerst gesichert. Dagegen wird der ID.4 künftig vollständig in Emden gebaut.
Die freigewordenen Kapazitäten sollen für den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft genutzt werden. Teile-Recycling und Aufbereitung gebrauchter Komponenten könnten langfristig neue Aufgabenfelder schaffen, doch mit nur wenigen Hundert Arbeitsplätzen wäre das kein Ersatz für die bisherige Produktion. Das Werk ist auf rund 360.000 Autos im Jahr ausgelegt, doch 2025 dürften nur etwas mehr als 200.000 vom Band laufen.
Kretschmer versucht, Zuversicht zu vermitteln. „Sachsen ist ein Land des Automobilbaus“, sagte er vor den Beschäftigten. „Die Menschen können sicher sein, dass das Werk in den nächsten Jahren Bestand haben wird.“ Er verwies auf Zusagen des Aufsichtsrats und die neu vereinbarten Kaufprämien für Elektroautos, die der Branche kurzfristig helfen könnten. Noch sei jedoch unklar, wann und unter welchen Bedingungen sie greifen. Solange das offenbleibt, zögerten viele Käufer, sich für ein neues Modell zu entscheiden.
Auch langfristig sieht der Ministerpräsident keinen vollständigen Bruch mit der Verbrennerwelt. Zwar bleibe Elektromobilität zentral, doch bis 2035 werde sie nicht alle Antriebsformen ersetzen können. Kretschmer spricht sich deshalb für eine Verschiebung des sogenannten Verbrennerverbots aus. Das Motorenwerk in Chemnitz zeigt, warum: Dort produzieren knapp 2000 Beschäftigte jährlich mehr als 700.000 Benzinmotoren – sie sichern Arbeitsplätze, aber ohne klare Perspektive für den Wandel. Zwickau und Chemnitz stehen damit für denselben Konflikt: den Spagat zwischen alter Stärke und neuer Realität.
Quelle: FAZ – Sachsen zittert um die Zukunft seiner Volkswagen-Werke