Vergleichstest: BYD Seal vs. BMW i4 eDrive 35

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Joaquim Oliveira
Joaquim Oliveira
  —  Lesedauer 6 min

Jetzt wird es langsam ernst: Die ersten konkurrenzfähigen Elektroautos aus China kommen nach Europa und setzen dabei selbst die Premiumhersteller mächtig unter Druck. Die chinesische Erfolgsmarke BYD tritt mit seinem Mittelklassemodell Seal gegen der ähnlich dimensionierten BMW i4 an.

Keine Marke hat weltweit im vergangenen Jahr mehr elektrisierte Fahrzeuge verkauft als BYD. Drei Millionen Modelle mit Stecker sind eine gigantische Zahl, von der die meisten Hersteller nur träumen können. 50 Prozent davon waren reine Elektromodelle, was Platz zwei hinter Tesla sichert.

Nach der fünf Meter langen Limousine Han, sowie den Modellen Tang, Atto 3 und Dolphin tritt nun der Seal auch in Europa an. Das 4,80 Meter lange Mittelklassemodell basiert auf der 3.0-Elektroplattform des BYD-Konzerns, die eine wichtige Neuerung aufweist: Bei der sogenannten Cell-to-body-Konstruktion (CTB) anstelle einer Cell-to-pack-Konstruktion (CTP) sind die Batteriezellen direkt mit der Karosseriestruktur verwoben. Der obere Teil der Batterie und der Boden des Fahrzeugs sind ein und dasselbe Teil, was einige Millimeter Unterboden einspart, die Kopffreiheit begünstigt und ganz nebenbei die Torsionssteifigkeit erhöht. Mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,22 liegt der Seal – entworfen von Ex-Audi-Kreativkraft Wolfgang Egger – unter den besten Autos überhaupt.

Die in allen europäischen BYD-Modellen eingesetzte Blade-Batterie verwendet die Lithium-Eisenphosphat-Chemie und ist dank der Integration aller Komponenten in einem einzigen Modul besonders niedrig. Der Seal wird mit Hinterradantrieb mit einem Synchronmotor (Permanentmagnet) angeboten, der 230 kW / 313 PS / 360 Nm leistet und von einer 82-kWh-Batterie gespeist wird, die eine Reichweite von 570 Kilometern verspricht. Auf Wunsch ist der Seal auch mit einem zusätzlichen Frontmotor mit 150 kW (218 PS, Asynchronmotor) verfügbar, der eine Gesamtleistung von 390 kW (531 PS) bietet. Die Höchstgeschwindigkeit des Hecktrieblers: 180 km/h.

Der BYD Seal trifft im ersten Vergleich auf den BMW i4, der in seiner Einstiegsversion mit Heckantrieb 210 kW / 286 PS / 400 Nm leistet. Die fast identischen Abmessungen (4,80 Meter Länge, 1,87 Meter Breite und 1,46 Meter Höhe) bestätigen, dass die beiden Autos echte Wettbewerber sind, wobei der Seal sieben Zentimeter mehr Radstand bietet.

China gegen München: Wer hat das bessere Paket?

Der BMW i4 glänzt mit seiner großen Heckklappe und einem Stauvolumen von 470 Litern gegenüber den 400 Litern des Chinesen. Dieser versucht dies durch ein zweites Staufach unter der vorderen Haube zu kompensieren, das nützlich ist, um das Ladekabel leicht zu erreichen, wenn der Kofferraum voll beladen ist. Bei beiden Konkurrenten können die Rücksitzlehnen umgeklappt werden, wobei der Laderaum des i4 flacher ist als der des asiatischen Konkurrenten.

Von der soliden und im Vergleich zum BMW besseren Schließung der Türen bis zu den Soft-Touch-Oberflächen oder dem doppelten Verbundglas in den vorderen Türfenstern, bietet der BYD Seal ein in dieser Klasse hohes Maß an subjektiv erlebbarer Qualität. Der zentrale Touchscreen mit seiner 15,6-Zoll-Diagonale kann auf Knopfdruck vertikal wie horizontal verwandt werden. Der BMW i4 verfügt über zwei nebeneinander liegende Bildschirme – 12,3 Zoll für die Instrumente und 14,9 Zoll für das Infotainment -, die beide im gleichen Rahmen mit einer leichten Wölbung untergebracht sind. Das Betriebssystem arbeitet intuitiver, funktioneller und verwendet ein besseres Vokabular.

BMW i4 Cockpit
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Die Vordersitze beider Modelle sind breit und bequem, mit ausreichendem Seitenhalt und integrierten Kopfstützen. Die Sicht nach hinten ist wegen der wuchtigen C-Säulen jedoch schlecht, was durch Rückfahrkameras ausgeglichen wird. Beim Platzangebot im Innenraum ist der Seal klar im Vorteil, vor allem, weil er auf einer speziellen Elektroauto-Plattform aufgebaut ist, während der BMW eine Mischarchitektur verwendet, da das 4er Gran Coupé auch mit Verbrennern zu bekommen ist.

Der Seal bietet sechs Zentimeter mehr Beinfreiheit im Fond und vier Zentimeter mehr Innenbreite in der zweiten Reihe zusätzlich zu mehr Kopffreiheit im Fond als sein bayerischer Konkurrent. So reisen die vorderen Insassen im BYD komfortabler und obwohl zwei Personen bis zu einer Körpergröße von 1,80 m in beiden Wettbewerbern gut in den Fond passen, werden sich größere Passagiere in dem Chinesen wohler fühlen. Ein weniger relevanter Ausgleich im i4: Die Rückbank ist flacher und die Sitzlehnen sind senkrechter. Der Seal ist serienmäßig mit einem Panoramadach ausgestattet, das sich über die gesamte Länge der Kabine erstreckt und für mehr Helligkeit sorgt.

BYD Seal Cockpit
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Die Abstimmung der Einzelradaufhängung im knapp über zwei Tonnen schweren Seal ist auf Komfort ausgelegt, und federt die Auswirkungen der meisten Fahrbahnunebenheiten wirksam ab. Die sehr gute Isolierung macht die Fahrt bei allen Tempi sehr leise; auch dank der Doppelverglasung vorne, der besseren Aerodynamik und einer Innenverkleidung der vorderen Haube.

BYD punktet mit Komfort, BMW mit Dynamik

Dynamisch jedoch ist der Bayer in vielen Punkten überlegen. Das gilt insbesondere für die Bremsen, mit einem direkteren Ansprechen des linken Pedals als beim Seal. Auch wenn die Lenkung des BYD direkter ist (2,5 gegenüber 2,7 Lenkradumdrehungen von Anschlag zu Anschlag), ist die des ebenfalls knapp 2,1 Tonnen schweren BMW deutlich präziser und kommunikativer, so dass der Fahrer ein präziseres Gefühl dafür hat, wie Auto und Fahrweg zueinanderstehen.

So fühlt sich der BMW i4 eher wie ein Auto mit Hinterradantrieb an; auch, weil sein maximales Drehmoment höher ist. So wirkt der i4 bissiger und auch sportlicher als der kommodere Seal.

Bei der Rekuperation gibt es unterschiedliche Strategien. Der BYD zeigt geringe Amplituden bei der Energierückgewinnung in den beiden Stufen, die auf dem zentralen Bildschirm ausgewählt werden können: Beim Abbremsen aus 120 km/h werden etwa 52 kW in „High“ und 19 kW in „Standard“ zurückgewonnen, während beim BMW die Rückgewinnung bei der gleichen Geschwindigkeit 60 kW im Fahrmodus B und nahezu null im Drive-Modus beträgt. Darüber hinaus verfügt der BMW über die Funktion des „One Pedal Drive“, der die Fußbremse nahezu arbeitslos macht; der BYD verzichtet darauf.

In Bezug auf die Reichweite schneidet der Seal jedoch besser ab, denn seine Batterie ist mit 82 gegenüber 70 kWh nennenswert größer, was ihm in Verbindung mit dem niedrigeren Testverbrauch (etwa 19 kWh/100 km gegenüber 22 kWh beim BMW i4) eine Reichweite von fast 500 Kilometern mit voller Batterieladung ermöglicht, während der Konkurrent kaum über 350 Kilometer hinauskommt. Für Kunden, für die die Reichweite ein entscheidendes Kriterium ist, gibt es andere i4-Versionen mit größerer Batterie und größerer Reichweite.

In beiden Autos sind die Batterien darauf vorbereitet, sich eine volle Ladung bei Wechselstrom mit maximal elf kW in 8,5 Stunden (BYD) und sieben Stunden (BMW) zu gönnen. An Schnellladern tankt der BYD jedoch nur mit schmalen 150 kW, während der BMW i4 immerhin 180 kW vertragen kann. In jedem Fall dauert es etwas mehr als eine halbe Stunde, um den Energiegehalt der Batterie von 10 auf 80 Prozent zu erhöhen.

Vergleich BYD Seal BMW i4 Test
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Die Batteriegarantie des i4 ist besser: zehn Jahre oder 250.000 km gegenüber acht Jahren oder 200.000 km für den Seal. Der BYD Seal in der Ausstattungsvariante Design hat seinen großen Vorteil beim Preis, denn er wird bereits ab 44.990 Euro angeboten. Die Allradversion mit über 530 PS und reichhaltiger Ausstattung kostet nur 50.990 Euro und liegt damit noch immer deutlich unter dem BMW i4 eDrive35, der bei 56.500 Euro startet.

Unter dem Strich ist der BMW i4 eDrive 35 das Auto, das mehr Fahrspaß bereitet und für einen spürbaren elektrischen Premiumanspruch steht; doch der günstige Preis und der größere Innenraum lassen den BYD Seal diesen Vergleich letztlich knapp gewinnen. Bleibt die Frage, wie wichtig dem Kunden der Markenname BMW und das Plus an Fahrdynamik ist.

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Joaquim Oliveira

Joaquim Oliveira

Der gebürtige Brasilianer arbeitet seit Jahren als internationaler Korrespondent für verschiedene Automagazine, wie das brasilianische "Quatro rodas", das englische "AutoExpress" oder den chinesischen "Car & Driver". Für Elektroauto-News.net verfasst er regelmäßig entsprechende Fahr- und Erfahrungsberichte aktueller Elektroauto-Modelle.
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Uli:

Klasse Vergleich und es ist in meinen Augen auch vollkommen legitim Automatenbrot dem Bäcker vor zu ziehen oder Dacia anstatt Porsche zu fahren, wenn man sich beides leisten kann aber nicht möchte. Schlimm finde ich mittlerweile nur die Tendenz anderen die eigene Meinung vorschreiben zu müssen bzw. Menschen mit einer anderen Meinung sofort als rechts, links, blöd …. darzustellen.

Spiritogre:

Jupp, mich nervt das auch. Jedes Auto mit so einem Dach fällt bei mir sofort raus. Fühle mich da einfach unwohl.

MMM:

Es gibt ja viele Menschen, die kaufen Tütenbrot vom Discounter, weil das genauso viele Kalorien hat wie das vom Bäcker.
Für die ist das ein super Angebot.

MMM:

Mir fehlt beim Seal eine Option zum Entfall des sinnlosen Panoramadachs.
Und jetzt?
Aber jetzt bitte keine Diskussion, dass so ein Dach toll ist, und dass man das mögen sollte.
Nein, das muss man nicht.

(trotzdem ist der Seal unter’m Strich ein gutes Auto, keine Frage)

Philipp:

Da bei Dienstwägen (und ist ein sehr hoher Anteil der Neufahrzeuge) der Bruttolistenpreis und nicht der real erzielte Preis angesetzt wird, ist ein erhöhter Listenpreis für einen Großteil der Kunden immer noch finanzieller Nachteil und nur der Steuerempfänger freut sich.

Für mich als Barkäufer aber nur ein zusätzlicher Schritt in der Onlinerecherche…

brainDotExe:

Das magst du so sehen. Viele sehen das anders.

Smartino:

Klare Netto-Listenpreise, bei denen der maximal mögliche Rabatt bereits eingerechnet ist, wären für frische Neuwagen hilfreich und wünschenswert.
Dieses undurchsichtige Rabattchaos ist ein ständiges Ärgernis und dient nur der Abzocke. Wie auch eine spartanische Grundausstattung mit ellenlangen Zubehörlisten ist kundenfeindlich.

brainDotExe:

Steht doch direkt im Fazit was den i4 ausmacht:

„Unter dem Strich ist der BMW i4 eDrive 35 das Auto, das mehr Fahrspaß bereitet und für einen spürbaren elektrischen Premiumanspruch steht“

Also genau das, weswegen man einen BMW kauft.

MWF:

Respekt! Da habe ich BYD unterschätzt. Wenn man mal die bessere Bremsleistung des Seals gegenüber dem i4 ignoriert (weil ja BEV), bleibt da nicht mehr viel für den i4 übrig. Ausser der höhere Preis und die Marke.

MWF:

Mein Tesla LR kommt im Sommer bei 120km/h Tempomat auf der Autobahn ziemlich exakt echte 540 km. Dann ist er leer.

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