Tempolimit: Wissing stemmt sich gegen effiziente Klima-Sofortmaßnahme

Cover Image for Tempolimit: Wissing stemmt sich gegen effiziente Klima-Sofortmaßnahme
Copyright ©

Juergen Nowak / Shutterstock.com

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen brächte einer neuen Studie des Umweltbundesamtes zufolge deutlich mehr CO2-Einsparung als bislang angenommen. Eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h wäre ein wichtiger Baustein, um die Klimaschutzziele im Verkehr einhalten zu können, erklärte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner – „und zwar schnell und praktisch ohne Mehrkosten“. Verkehrsminister Volker Wissing ist trotzdem dagegen. Doch dazu später mehr.

Die fast 400 Seiten lange Studie „Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung“ (verlinkt als PDF) untersucht mehrere Maßnahmen, wie die Mobilitäts-bedingten Treibhausgasemissionen gesenkt werden können. Ein Tempolimit von 120 km/h auf Bundesautobahnen und autobahnähnlich ausgebauten Straßen würde pro Jahr Emissionen in Höhe von 6,7 Millionen Tonnen CO2 einsparen, so Messner über die Studie.

Bislang war die Behörde aufgrund von Daten einer früheren Studie von nur 2,6 Millionen Tonnen CO2 ausgegangen, die durch ein Tempolimit vermieden werden könnten. Die nun deutlich höheren CO2-Einsparungen kämen daher, dass der Verbrauch der Fahrzeuge genauer bestimmt und auch eine veränderte Routenwahl und Verkehrsnachfrage berücksichtigt worden sei, so das Umweltbundesamt. Denn ein Tempolimit auf Autobahnen würde der Studie zufolge unter anderem auch dazu führen, dass Landstraßen an Attraktivität gewinnen und weniger Umwege ergo auch kürzere Strecken gefahren werden. Weil direkte Wege aufgrund des Tempolimits auf Autobahnen dann zeitlich kein Nachteil mehr wären, würden Autobahnen um 1,1 Prozent weniger befahren werden. Andere Prognosen hatten zudem ergeben, dass sich durch ein Tempolimit auch die Zahl der Verkehrstoten sowie die Lärmbelastung reduzieren würde.

Tempo 80 auf Landstraßen ebenfalls mit positiven Auswirkungen aufs Klima

Weitere 1,4 Millionen Tonnen CO2 könnten eingespart werden, wenn auf Landstraßen statt 100 km/h nur noch 80 km/h schnell gefahren werden darf. Mit beiden Tempolimits zusammen könnten gut 8,1 Tonnen CO2 pro Jahr vermieden werden. Tempo 30 in Innenstädten hingegen hätte keinen positiven Klimaaeffekt, so die Studie, da die spezifischen Emissionsfaktoren für Pkw bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h höher seien als bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.

Würde ab Januar 2024 Tempo 120 auf Bundesautobahnen und Tempo 80 auf Außerortsstraßen eingeführt, könnten bis 2030 in Summe gut 47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden, so Messner. Damit könnte die Klimaschutzlücke im Verkehrssektor um rund ein Sechstel geschlossen werden. Gerade im Verkehrsbereich bisher eine enorme Lücke zwischen den tatsächlichen Werten und den angestrebten Klimazielen der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr verfehlte der Verkehrssektor sein Ziel ersten Schätzungen zufolge um 11 Millionen Tonnen CO2. Im Jahr 2021 lag die Überschreitung bei 3,1 Millionen Tonnen.

Ein Tempolimit auf Autobahnen, in fast allen europäischen Ländern bereits Realität, würden Umfragen zufolge fast zwei Drittel der Deutschen begrüßen. In der Regierungskoalition allerdings ist ein Tempolimit weiterhin umstritten. SPD und Grüne wollten es eigentlich im Koalitionsvertrag verankern. Die FDP sperrte sich vehement dagegen, in dem Papier ist es somit auch nicht enthalten. Generell verschärft sich die Kritik an dem vom FDP-geführten Verkehrsministerium unter Volker Wissing. Ein im vergangenen Jahr vorgelegtes Sofortprogramm verfehlt laut der Deutschen Umwelthilfe die gesetzlich festgelegten Vorgaben für CO2-Einsparungen um das 20-fache.

BUND verklagt Bundesregierung wegen CO2-Verfehlungen

Erst vor wenigen Tagen erteilte Verkehrsminister Wissing einem Tempolimit eine erneute Absage: „Die Lösung kann nicht sein, dass wir den Straßenverkehr in Deutschland einschränken“, sagte er der Bild am Sonntag und fügte hinzu: „Wir müssen klimaneutralen Verkehr auf der Straße ermöglichen, mit mehr E-Autos und CO2-neutralen Kraftstoffen, auch im Güterverkehr.“ Um ähnliche CO2-Einsparungen zu erreichen, wie durch ein Tempolimit, müssten allerdings drei Millionen Elektroautos mehr auf den Straßen unterwegs sein als aktuell, so das Umweltbundesamt hierzu. Momentan sind nur gut eine Million Stromer zugelassen.

Kurz nach Wissings Aussagen teilte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mit, die Bundesregierung aufgrund der CO2-Verfehlungen im Verkehrssektor zu verklagen. Auch mit den mangelhaften Einsparungen im Gebäudesektor soll sich nun die Justiz auseinandersetzen. Der BUND verlangt in seiner Klage den Beschluss von weiteren Sofortprogrammen gemäß der gesetzlichen Bestimmungen. „Es braucht jetzt die politische Entscheidung, wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz zu schaffen. Wenn die Regierung von Olaf Scholz dazu politisch nicht fähig oder willens ist, muss sie gerichtlich dazu verpflichtet werden“, so BUND-Vorsitzender Olaf Bandt.

Wir haben uns im Übrigen die Studie des Umweltbundesamtes etwas genauer angeschaut. Und dort eine interessante Berechnung entdeckt, wonach sich die Einführung einer Maut auf Autobahnen sogar noch positiver auf die CO2-Emissionen auswirken würde als ein Tempolimit. Demnach würde sich der Verkehr bei einer Maut von 6 Cent pro Kilometer so stark verringern, dass beinahe 12 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden könnten. Der Verkehrssektor würde mit dieser Maßnahme allein sein Klimaziel schon erreichen.

Quelle: Spiegel – Tempolimit würde Klima deutlich stärker schützen als bisher angenommen / Golem – Tempolimit bringt mehr CO2-Ersparnis als gedacht

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Anonym:

Was für ein absoluter Quatsch…du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die künftigen Generationen unter dem Klimawandel leiden, nur weil ich ab und zu 200+ fahre und dabei ein paar Gramm mehr Co2 produziere? Während neben mir ein Kohlekraftwerk steht, dass die Umwelt mit Tausenden Tonnen Co2 belastet. Übringens: Bin ich dann auch Egoist, wenn ich mich nicht zu 100% vegan ernähre und vielleicht sogar so dreist bin, mal eine Urlaubsreise zu unternehmen?

Läubli:

Du machst das auch gut, brain… jedoch brauchst du jetzt wieder eine Weile, bis die C02 Bilanz auf 0 steht – denn dein neues Auto hat viel produziert:

Richtwerte CO2-Bilanz Fahrzeugproduktion:
Mittelklassewagen: bis 8 Tonnen CO2. Mittelklassewagen Hybrid: bis 12 Tonnen CO2. Luxus-SUV: bis 25 Tonnen CO2. Kleinwagen 100% elektrisch: bis 11 Tonnen CO2.

Läubli:

Super – das finde ich gut, da hat sich jemand wenigstens über seinen CO2 Abdruck wirklich eine Kalkulation gemacht, Hut ab.

Wenn es dir so gefällt zu leben und du dabei glücklich bist, ist das eine sehr gute und umweltentlastende, vorbildliche Art, einfach zu leben – trotz dem Ölofen, da hast du eine gute CO2 Bilanz auszuweisen, schön!

Läubli:

Welcher „Fakt“ besagt denn, dass wir gegenwärtig ohne menschlichen Einfluss in einer Zeit wären, wo es kühler werden sollte?

Dass es „Fakt“ ist, dass wir Menschen die Klimaerwärmung nicht verhindern können, kann ich Ihnen in, sagen wir mal 30-50 Jahren, beweisen.
Auch wenn das für einige Leser nach einer schlichten Behauptung tönen mag, ist es mehr als das:
Denkt euch alle mal kurz (Studien der Wissenschaft hin oder her) in die Zeiten zurück, die ich oben beschrieben habe (*Eiszeit-Kreidezeit-Eiszeit), dann solltest du und alle anderen die daran zweifeln meinem Gedankenlauf folgen können… wenn das nicht reicht – google die Wissenschaft dazu*, dann auch das ist ein wissenschaftliches Thema, genauso klar wie es auch erwiesen zu sein scheint, dass es die Dinosaurier gab.

Damit kannst auch du nun mein Statement verstehen, da bin ich mir ziemlich sicher. Es ist leider nicht das einfachste Thema, wenn man aber ein bisschen mehr als nur den reinen Medien und jeder Wissenschaft glaubt, kann man sich da ein wunderbares Bild machen, wieso das so ist.
Weil die Natur und der Klimalauf schon immer stattgefunden hat, auch ganz ohne unsere Fabriken und Autos.

Damit bin ich trotzdem sehr willig, das Beste gegen die momentane Klimaerwärmung zu tun – auch wenn ich überzeugt bin, dass wir die Erwärmung NICHT verhindern können.

Mike:

Das ist bereits vielfach passiert. Tempolimitanträge sind immer gescheitert, aber bei den Grünen werden nur demokratische Entscheidungen akzeptiert, wenn es deren Werten und Ideologien entspricht

Mike:

Es ist wirklich schändlich, dass Sie diese Studie weder kritisch hinterfragen, noch auch nur ansatzweise kritisieren.
Die Studie sei sowohl von den Grünen beauftragt worden sein und alle genannten Akteure haben das Grüne Parteibuch.

Zudem wird angenommen, dass mit der Maßnahme Leute vom Auto auf die Bahn umsteigen und so der Ausstoß reduziert werden soll.

Im Grunde spiegelt diese „Grünen-Studie“ wider, worum des dieser Partei geht. Die individuelle Mobilität so unattraktiv und teuer wie möglich zu machen und Leute so ganz deren Ansinnen nach umzuerziehen.

Und was die Medien angeht: Kritische Haltungen wäre in alle Richtungen angebracht und zudem wäre eine gewisse mediale Neutralität endlich an der Zeit. Die Liebe den Grünen gegenüber ist kaum mehr zu ertragen

Rodi:

„Freiheit“ wie die Gegner des Tempolimits argumentieren wird mit Egoismus verwechselt. Aber Freiheit fordert ein hohes Maß an Verantwortung und Rücksichtnahme und heißt ganz sicher nicht, ich darf machen, was mir gefällt, denn die Freiheit der Schnellfahrer wird die Freiheit der künftigen Generationen stark einschränken, die mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen haben. Wer heute 120 auf der Autobahn fährt kommt sicher ans Ziel, wie sehr die Lebensqualität der Kinder von heute leiden wird, wenn wir nicht jetzt anfangen auf manche liebgewonnene „Freiheit“ freiwillig zu Gunsten einer lebenswerten Zukunft, der Kinder von heute zu verzichten, kann in jeder seriösen Klimastudie nachgelesen werden.

brainDotExe:

Dann wären wir wieder beim Thema pro Kopf CO2 Budget.
Da wäre ich absolut dabei.

Unsere PV Anlage hat in den letzten 12 Jahren durch den eingespeisten Strom ca. 90t CO2 eingespart. Somit sind neben den Emissionen die durch den Hausbau entstanden sind auch die des Fahrzeuges und des erhöhten Ausstoß bei mehr als 120 km/h überkompensiert. Bzw. jetzt beim Elektroauto treten ja gar keine Emmisionen im Betrieb auf, da ich an der PV Anlage lade.

Daniel W.:

Zum Thema CO2:

Ich habe kein Auto mehr, also fallen weder beim Betrieb noch bei der Herstellung CO2 an.

Ich fliege nicht und mache auch keine Kreuzfahrten, spare also auch hier sehr viel CO2.

Ich habe einen Ölofen, der produziert CO2, aber kein neues Haus, also viel CO2 gespart.

Vor kurzem habe ich in der Zeitung gelesen, dass ein Hausbau das 5-fache, z.T. das 8-fache an CO2 produziert wie das Haus später in seiner gesamten Lebensdauer beim Heizen an CO2 verursacht. Deshalb wird an eine Reduzierung der Baustandards gedacht, um CO2 beim Hausbau zu sparen.

Im Internet habe ich diese Infos gefunden.

Im Neubau ist die graue Energie inzwischen bedeutsamer für den Klimaschutz als die Heizenergie. Das machen folgende Zahlen deutlich: Die Beheizung eines Einfamilienhauses setzt ca. 0,5 bis 1,5 t CO2 pro Jahr frei. Die Herstellung eines Massivbaus setzt rund 40 t CO2 frei, entspricht also 30 bis 80 Jahre Heizen. Insbesondere die Herstellung von Beton und Steinen für das Mauerwerk benötigen viel Herstellungsenergie. Nebenbei werden dafür große Mengen Sand benötigt, ein Rohstoff, der inzwischen weltweit rar wird.

(Quelle: klimanotstand-soest.info)

Wenn ich also ein altes Haus weiter nutze anstatt ein neues Haus zu bauen, dann spare ich sehr viel CO2, obwohl ich mit Heizöl heize, keinen Vollwärmeschutz ums Haus habe und keine PV nutze.

Mein altes Häuschen hat mich vor 10 Jahren rund 85.000 Euro gekostet, davon knapp 60.000 Euro fürs Haus und der Rest für eine neue Dacheindeckung mit DG-Wärmedämmung, dafür wohne ich mietfrei.

2 Zimmer: 400 bis 950 Euro, 2,5 Zimmer: Kaltmiete 600 bis 1150 Euro in meiner Umgebung.

(Quelle: immobilienscout24.de)

400 Euro Miete kalt wären es 4.800 Euro im Jahr, also 48.000 Euro in 10 Jahren und bei 600 Euro kalt wären schon 72.000 Euro in 10 Jahren und bei 800 Euro kalt sogar 96.000 Euro in 10 Jahren.

DR. ULRICH SANCKEN:

Wenn man den Zeitfaktor ignoriert, könnte man das so stehen lassen. Fakt ist auf der anderen Seite, dass wir ohne den menschlichen Einfluss eben gerade nicht in einer Zeit wären, in der es wärmer wird, sondern ganz im Gegenteil kühler. Wenn jemand meint, es sei ein Faktum, dass wir die Klimaerwärmung nicht verhindern können, dann muss derjenige hellsehen können oder schlicht und ergreifend Wissenschaft ignorieren. Auf welcher Stufe in der Dunning-Kruger-Skala stehen Sie denn? Nur damit ich ihr Statement besser einstufen kann.

Ähnliche Artikel

Cover Image for MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

Michael Neißendorfer  —  

Auf einer 800-Volt-Plattform aufbauend, versprechen die Elektroautos nicht nur flotte Ladezeiten sondern auch hohe Reichweiten und viel Leistung.

Cover Image for Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Sebastian Henßler  —  

Für härteste Einsätze gemacht: Munros elektrischer 4×4 bietet Nutzlast, Zugkraft und drei Aufbauformen – wartungsarm, geländetauglich und alltagstauglich.

Cover Image for Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Michael Neißendorfer  —  

Ein entscheidender Gamechanger in der Elektromobilität spielt sich nicht auf der Straße ab – sondern in der Einfahrt, wie Zahlen von Ford zeigen.

Cover Image for Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Sebastian Henßler  —  

Vier Motoren, 1625 Nm Drehmoment und Launch Cam: Rivian stattet R1T und R1S mit verbesserter Technik für Alltag und Offroad aus.

Cover Image for Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Michael Neißendorfer  —  

Mit der Serienproduktion der Batterien für den vollelektrischen CLA setzt die Mercedes-Benz Tochter Accumotive in Kamenz einen großen Meilenstein.

Cover Image for Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Sebastian Henßler  —  

Ultra Violet trifft auf Flaming Red: Der ID.3 GTX Fire + Ice erinnert an den Golf-Klassiker von 1990 – jetzt mit Elektroantrieb, Design von Bogner und 240 kW Power.