Breites Bündnis pocht auf Tempolimit zum Schutz von Mensch und Klima

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Gemeinsam mit einem breiten gesellschaftlichen Bündnis fordern die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Gewerkschaft der Polizei NRW, der ökologische Verkehrsclub VCD, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland (VOD) und Changing Cities die sofortige Einführung eines bundesweiten, generellen Tempolimits. Zusätzlich sei auch die Verschärfung der bestehenden Tempolimits dringend notwendig, um Klimaschutzvorgaben im Verkehr zu erreichen und die Verkehrssicherheit zu verbessern, so die Verbände in einer gemeinsamen Mitteilung.

Während in zahlreichen Nachbarländern bestehende Geschwindigkeitsbegrenzungen deutlich angezogen werden, hält die Bundesregierung eisern an ihrer Blockadehaltung gegen ein generelles Tempolimit fest – obwohl die Klimaziele für 2030 absehbar verfehlt werden und die hohe Zahl der Verkehrstoten in Deutschland zuletzt sogar wieder anstieg.

Ein Tempolimit ist die effektivste Klimaschutzmaßnahme im Verkehr, die sofort wirkt und praktisch nichts kostet. Wir fordern ein strikt kontrolliertes Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, Tempo 80 außerorts und Tempo 30 in der Stadt – damit lassen sich jährlich mehr als 11 Millionen Tonnen CO2 einsparen“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Er verweist darauf, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung bereits dazu verurteilt hat, ein wirksames Klimaschutzprogramm zu beschließen. „Die Ampel muss jetzt sofort handeln und ein bundesweites Tempolimit einführen“, fordert Resch daher.

Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des VCD: „75.000 Menschen sind in den letzten 20 Jahren auf deutschen Straßen ums Leben gekommen. Das entspricht dem Fassungsvermögen der Allianz-Arena in München. Eine unerträgliche Zahl. Die Bundesregierung hat sich zwar der Vision Zero – Null Verkehrstote und Schwerverletzte – verpflichtet, doch verweigert sie sich gleichzeitig dem Tempolimit auf Autobahnen und Tempo 30 innerorts. Das passt nicht zusammen, diese Haltung muss sich ändern. Denn Tempolimits retten nachweislich Menschenleben und schonen außerdem das Klima.“

Silke von Beesten, Vorsitzende der VOD: „Wir als Opferorganisation möchten den maßgeblichen Benefit eines Tempolimits für die Vermeidung von Verkehrsopfern herausstellen. Es ist unerlässlich, dass wir die Sicherheit auf unseren Straßen erhöhen. Ein Tempolimit ist hierfür ein einfacher und effektiver Weg: Verschiedene Studien haben nachgewiesen, dass eine Entschleunigung des Verkehrs zu einer signifikanten Reduzierung von tödlichen Unfällen und schwerstverletzten Verkehrsteilnehmern führt. Wir fordern daher: Tempolimit maximal 130 km/h auf Autobahnen, Regelgeschwindigkeit auf Landstraßen 80 km/h und innerorts 30 km/h.

„Mehr Elektromobilität ohne Sicherheitsrisiken geht nur mit Tempolimit“

Michael Mertens, Vorsitzender der GdP NRW: „Wer mehr Elektromobilität auf den Autobahnen ohne zusätzliche Sicherheitsrisiken will, muss dafür sorgen, dass der Verkehrsfluss stärker harmonisiert wird. Das geht nur durch ein Tempolimit. Elektroautos lassen sich nicht ohne dramatische Verkürzung der Reichweite mit Geschwindigkeiten über 130 km/h bewegen. Dadurch verändert sich der Verkehrsfluss auf den Autobahnen und einzelne deutlich schnellere Fahrzeuge stellen ein immer größeres Unfallrisiko dar.“

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: „Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ist eine kostengünstige und effektive Möglichkeit, den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren und ein wesentlicher Beitrag für weniger Treibhausgase im Straßenverkehr. Beim Tempolimit geht es um noch viel mehr als den Klimaschutz. Es verhindert schwere Unfälle, hilft beim Sparen von Energie und damit Kosten und ist nicht zuletzt auch wichtig für die Zukunft der Automobilbranche.“

Ragnhild Sørensen, Pressesprecherin von Changing Cities: „Wenn die FDP nicht unter fünf Prozent rutschen will, sollte Wissing schleunigst ein Tempolimit einführen. Es gibt eine bundesweite Mehrheit in der Bevölkerung für mehr Verkehrssicherheit, weniger CO2-Verbrauch und lebenswerte Städte. Vor allem gibt es einen großen Wunsch nach Handlung statt bräsiger Ignoranz.“

Niederlande, Frankreich und Spanien haben Tempolimits zuletzt verschärft

Deutschland ist weiterhin das einzige Industrieland ohne ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. In den letzten Jahren haben zahlreiche europäische Länder wie etwa die Niederlande, Frankreich und Spanien ihre Geschwindigkeitsregelungen zum Schutz von Klima, Umwelt und Menschenleben nachgeschärft, mit zahlreichen positiven Effekten. So sanken etwa durch die Einführung von Tempo 30 in mehr als 200 französischen Städten die Unfallzahlen um 70 Prozent.

Das breite gesellschaftliche Bündnis für ein Tempolimit besteht seit 2019 und ist seitdem stetig gewachsen auf inzwischen 12 beteiligte Verbände und Organisationen: Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Changing Cities, Deutsche Umwelthilfe (DUH), Gewerkschaft der Polizei NRW, Greenpeace, Hannovair, Initiative für sichere Straßen, Klimaschutz im Bundestag, Verbund Service und Fahrrad (VSF), Verkehrsclub Deutschland (VCD), Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland.

Quelle: DUH – Pressemitteilung vom 05.07.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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pionierska:

Den Elefanten im Raum bzw. im Verkehr hatte ich in meinem Ländervergleich des vorherigen Posts glatt vergessen: die Verkehrsdichte auf den Autobahnen.
Die ist in DE natürlich höher als in FR und PL wegen der höheren Bevölkerungsdichte in DE sowie der Maut in FR und in PL.
Transit dürfte in DE auch ausgeprägter sein.

Also vergleiche ich die Zahl der Verkehrstoten (die selbe Statistik aus dem ersten Post) zwischen den Niederlanden und Deutschland.
Die auf die Bevölkerung normierten Zahlen sind fast gleich:
34 und 35 ppm in 2023, wobei das erste „p“ bitte als Personen statt Parts zu lesen ist, denn hinter jeder Ziffer stecken individuelle Schicksale und jedes ist eins zuviel.

In NL gibt es aber ein generelles Tempolimit und die Verkehrsdichte dürfte ähnlich sein wie in DE, wenn nicht höher.

Ich denke, das zeigt wie populistisch die Forderung nach einem generellen Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist.
Wahrscheinlich existiert schon längst ein effektives „de facto Tempolimit“ auf deutschen Autobahnen, bedingt durch hohe Verkehrsdichte, schlechte Strassenzustände und Baustellen sowie unzählige lokale und temporäre Tempolimits.

pionierska:

Leider drei Tage „zu spät“, dass ich über diesen Artikel und die Diskussion komme, dennoch dieser Kommentar.

Zum Thema Unfall zeigt ein Blick auf die Statistiken der Unfalltoten in Europa, wie konstruiert und unterkomplex und möglicherweise unzutreffend das ist:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/30164/umfrage/verkehrstote-in-europa/

Ich lebe seit einiger Zeit in Polen. Laut der verlinkten Statistik gibt es hier eine 1,5-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit im Strassenverkehr zu sterben als in Deutschland.
Ähnlich wie in Polen sind die Zahlen aus Frankreich, das ich auch sehr gut kenne.

Sowohl in Polen als auch in Frankreich gibt es generelle Tempolimits.

In allen drei Ländern gibt es Promillegrenzen, 0,5 in FR und DE, 0,2 in PL, in Polen übrigens mit erheblich höheren Bussgeldern belegt, insbesonder im Verhältnis zum mittleren Einkommen der Bevölkerung. Aus eigener Erfahrung vermute ich, dass das in PL auch viel strenger kontrolliert wird als in DE.

In Polen gibt es sicher einen höheren Anteil an ältere Kraftfahrzeuge als in DE und FR. Dennoch ist hier in PL das Kontrollsystem zum technischen Zustnd der Fahrzeuge vergleichbar streng zu dem des in DE üblichen TÜV.

Die Zustände der Strassen in den drei Ländern könnten ein möglicher Grund sein? Vielleicht war das vor ein paar Dekaden noch so, als in DE noch in Infrastruktur investiert wurde und in PL deutlicher Nachholbedarf bestand. Mittlerweile dürfte sich das angeglichen, wenn nicht sogar umgekehrt haben und die Statistik zu den Unfalltoten gibt die Zahlen für 2022/2023.

Wie erklärt man also die Unterschiede zwischen DE ohne Tempolimit und FR, PL mit Tempolimits wenn andere Ursachen wie Alkohol oder Zustand der Fahrzeuge und der Starssen das nicht plausibel machen?

Ich vermute zwei mögliche Faktoren:

1. Die Distanzen über Land sind in FR und PL deutlich grösser als im dichter besiedelten DE. Führt ein Tempolimit zu mehr schweren Verkehrsunfällen in Folge von Müdigkeit auf Grund eines monotonen Verkehrsflusses?
2. Die Akzeptanz von Regeln und die Toleranz von Regelverstössen stehen in DE umgekehrt proportional zu den Ausprägungen in (den beiden) anderen Ländern.

Könnte es also sein, dass eine Zwangsmassnahme (Tempolimit) unerwünschte Resultate (mehr Verkehrstote) produziert, weil ein signifikanter Teil der Autofahrer ein höheres, gesellschaftlich akzeptiertes Risiko eingeht (Motivation Selbstoptimierung) während ein anderer signifankter Teil der vernünftigen Autofahrer Unfälle durch Sekundenschlaf produziert?

p.s.: Auch anekdotisch: mein einziger Unfall mit PKW ereignete sich durch Sekundenschlaf auf einer elsässischen Autobahn bei Tempolimit 120. Ich bin überzeugt, dass wäre mit Tempo 180 auf deutscher Seite nicht passiert.

Arne:

Gemeinwohl geht vor Eigenwohl.
Offenbar gilt dieser Grundsatz in der heutigen Gesellschaft immer weniger. Die Umwelt geht uns alle etwas an, eindeutig Gemeinwohl. Der Raser tut dies ausschließlich zu seinem eigenen Vergnügen, eindeutig Eigenwohl. Somit sollte das schon Argument genug sein für ein Tempolimit.
All diejenigen die nun aufschreien, sollten sich mal überlegen, warum sie diese PS Boliden fahren, um die individuelle Mobilität sicherzustellen? Oder ist da nicht eine gehörige Portion Selbstdarstellung dabei?
Eine Selbstdarstellung, die mit einem Tempolimit ad absurdum geführt wird und sich in die Lächerlichkeit verkehrt.
Im übrigen bekommen wir alle am Ende des Jahres die Rechnung für die hohe Anzahl an Unfällen präsentiert, in Form von Tatiferhöhungen der KFZ Versicherungen.
Und nun bitte nochmal nüchtern nachgedacht…

Niko8888:

130 km/h bin ich sofort dabei
Aber 100 ?! :-/

adson:

Theoretisch!
In der Praxis sind es 95 bis 100km/h, dank fehlender Kontrollen und ggf. manipulierter Technik.

adson:

Was die Durchsetzbarkeit anbelangt, denken Sie mal an die Einführung der Gutpflicht zurück.

Die aktuelle Einführung einer Pflicht zu durchaus brauchbare Helferlein ist sicher nachvollziehbar – auch wenn ich persönlich nicht vom Spurhalteassistent überzeugt bin -. Diese Forderung bedeutet aber erhebliche Mehrkosten für die jeweiligen Modelle der Grundausstattung.

Ein Tempolimit würde ehr eine Kostenersparnis beim Treibstoff mit sich bringen.

Was die Akzeptanz anbelangt, wird diese wohl mindestens bei 75% der Fahrer, mehr oder weniger glücklich, da sein.

Joerg:

Die kinetische Energie ist sogar noch höher, die Geschwindigkeit erhöht diese quadratisch

Joerg:

Lärm, Feinstaub, höheres Gefahrenpotential und da wir heute nicht zu 100% grünen Strom haben, verbrauchst Du indirekt „normalen“ Strom.

Philipp:

Ich muss dir nicht erklären, dass Wechselstrom keine Flussrichtung hat, weil die ständig wechselt? Alle Mittel- und Niederspannungsnetze haben Wechselspannung. Du beziehst die Energie damit aus dem gesamten Netz und damit wieder soweit von Tibber, weil die in das Netz „einspeisen“ lassen.

Tibber hat es bis heute nicht geschafft seinen Strommix für 2023 auszuweisen. Warum?

Wäre auch schön von Tibber zu erfahren, der in 2022 über 85% von Onshorewind bekommen hat, wie es seine gestiegenen Kundenzahlen im Winter mit Ökostrom bei Flaute bedient hat.

Ist mir das wichtig? Nein. Weil auch >95% ein guter Wert sind.

Aber Deine 100% sind einfach nur falsch, falsch wie wohl alle Ökostromanbieter, wenn sie 100% behaupten.

Warum schafft es Tibber eine minutengenaue Rechnung für die Kosten, kann aber den Strommix nur in 3 Blöcke als Jahresumme ausgeben, wo es doch erst recht interessant im Winter bei Flaute wird… Marketinggewäsch.

Robert:

„Mehr Elektromobilität ohne Sicherheitsrisiken geht nur mit Tempolimit“ was soll den das schon wieder was hat e-Mobilität mit Tempolimit zu Tun? Meiner Meinung nach gar nichts. hier wird doch schon wieder so getan als ob das Tempolimit nur wegen dem E-Auto eingführt werden soll weil das sonst das E-Auto ein Sicherheitsrisiko auf der Autobahn wäre. Da würden doch Verbrennerfahrer doch mit sicherheit sagen verbot von E-Autos auf den Autobahnen und dann gibt es auch kein Sicherheitsrisiko mehr und das Tempolimit wäre dann überflüssig

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